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Projektmanagement auf Maß geschneidert

Doktorandin Anna Schidek und ihr Betreuer Prof. Dr. Holger Timinger helfen, Stellschrauben im Projektmanagement besser zu verstehen

Von der ersten Idee bis zur Markteinführung: Die Entwicklung eines neuen Produkts ist ein komplexer Prozess, dessen Gelingen von zahlreichen Faktoren beeinflusst wird. Wie groß ist zum Beispiel das Projektteam, wie ist es zusammengesetzt und wie gut funktioniert die Kommunikation? Projektmanagementmodelle, wie SCRUM, bieten dafür eine unterstützende Struktur: Sie geben etwa klare Abläufe, Verantwortlichkeiten und Entscheidungspunkte vor. Das ist hilfreich, bedeutet aber auch, dass diese Methoden häufig starr und wenig auf die ganz eigenen Herausforderungen der jeweiligen Produktentwicklung zugeschnitten sind. 

„Projekte dauern länger oder scheitern schlimmstenfalls sogar. Ein Grund dafür ist häufig, dass die gewählte Projektmanagementmethode nicht zur zugrundeliegenden Aufgabenstellung und ihrem Kontext passt und ohne Berücksichtigung dessen nicht so einfach dahingehend angepasst werden kann“, erläutert Anna Schidek. Wie das besser gelingen kann, daran forscht die wissenschaftliche Mitarbeiterin im Rahmen ihrer Promotion am Institute for Data and Process Science der Hochschule Landshut. 

Stärken und Schwächen von Projektmanagementmodellen besser verstehen

Gemeinsam mit ihrem Betreuer Prof. Dr. Holger Timinger hat sie bestehende Projektmanagementmodelle systematisch analysiert. Die Ergebnisse haben sie auf der renommierten IEEE International Conference on Engineering, Technology, and Innovation im spanischen Valencia unter dem Titel “Analysis of Project Management Models: An Investigation of Structure-, Process- and Function-Oriented Elements for the Tailoring of Project Design” präsentiert und in den dazugehörigen Proceedings veröffentlicht. 

Anna Schidek und Holger Timingers Veröffentlichung hilft, in der Praxis genutzte Projektmanagementmodelle tiefergehend zu verstehen. Dazu haben sie verschiedene Modelle in zentrale Bausteine zerlegt. Sie haben zum Beispiel untersucht, welche zeitliche Struktur die verschiedenen Modelle definieren, welche Werte und Prinzipen sie einfordern, welche Rollen sie innerhalb des Teams vorsehen oder welche Formate zur Kommunikation und zur Zusammenarbeit sie vorgeben. 

„Die Idee ist, dass wir auf Basis unserer Analyse nun die Stärken und Schwächen der vorhandenen Modelle besser einschätzen können“, sagt Anna Schidek. „Wenn ich zum Beispiel merke, dass in meinem Team die Kommunikation nicht gut läuft, kann ich mithilfe unserer Analyse herausfinden, welches Projektmanagementmodell bzw. welches Format dabei konkret unterstützen kann. Oder: Wenn mein gewähltes Modell in einem Baustein Schwächen aufweist, wie kann ich es mit anderen Methoden kombinieren, um es für meine Situation anzupassen.“

Stellschrauben im Projektkontext kennen

Möchte man das passende Projektmanagementmodell auswählen und anpassen, muss man neben den Modellen auch den realen Projektkontext verstehen und einschätzen können. Zentrale Faktoren, die hier einen Einfluss haben, untersuchen Anna Schidek und Holger Timinger in einem weiteren Forschungsschritt. Entstanden ist dabei das Modell ‚INFACTS‘, das basierend auf einer systematischen Analyse wissenschaftlicher Veröffentlichungen insgesamt 36 Einflussfaktoren in den 5 primären Bereichen eines Produktentwicklungsprojektes beinhaltet. Das Modell soll Anwendern dabei helfen, die Anforderungen ihres individuellen Projektkontexts beurteilen zu können, um anschließend entscheiden zu können, ob ein planbasiertes oder agiles Projektvorgehen oder eine Kombination aus beidem besser geeignet ist. 

Faktoren, die der erfolgreichen Anwendung bestimmter Methoden entgegenstehen oder sie erschweren, konnten Schidek und Timinger schon identifizieren: „Wenn die Kultur im Team stark hierarchisch geprägt ist, brauche ich als Projektmanager nicht an starre agile Methoden denken, ebenso wenig, wenn wir ein sehr großes Entwicklerteam haben, da muss entsprechend ausgewählt und angepasst werden“, gibt Anna Schidek ein Beispiel. „Wir verstehen jetzt besser, welche Stellschrauben wir haben, wie wir diese drehen müssen und können die Zusammenhänge in einem verständlichen Modell illustrieren“, erklärt Holger Timinger.

Präsentiert wurde das Modell im Oktober auf der 7th IEEE International Conference on Technology Management, Operations and Decisions in Glasgow unter dem Titel „A project management compass: key factors, structuring model and value-based decision support“.

Praxisnahe Forschung für mehr Effizienz im Projektmanagement

„Mit unserem Ansatz können wir beide Seiten, die Projektkontexte und die Projektmanagementmodelle besser verstehen und die Erkenntnisse zusammenführen“, fasst Holger Timinger das Forschungsvorhaben zusammen. „Informationen zu den Einflussfaktoren, aber auch den Stärken und Schwächen der verschiedenen Modelle gibt es bisher nur bruchstückhaft für einzelne Methoden oder einzelne Produkte“, so Timinger weiter. Die neuen Ergebnisse helfen dabei, einen umfassenderen Überblick zu gewinnen und tragen dazu bei, die Entscheidung für eine passende Projektmanagementmethode sowie die Anpassung an individuelle Umstände zu erleichtern. Das sei ein wichtiger Schritt hin, zu individuelleren, dynamischeren und vor allem adaptiveren Ansätzen im Projektmanagement, ist sich Holger Timinger sicher. 

Die Ergebnisse sind Teil des Forschungsprojektes „Kollaborative Datenräume in europäischen Netzwerken“, welches durch das Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt gefördert wird. 

Foto: Hochschule Landshut
(Frei zur Verwendung bei Angabe der Quelle) 

Bildunterschrift: Anna Schidek präsentiert ihre Ergebnisse auf der IEEE International Conference on Engineering, Technology, and Innovation im spanischen Valencia.