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Neue Impulse im Essstörungsbereich aus Landshuter Forschungsgruppe

Anna Hofer und Enikö Schradi stellen auf dem Essstörungskongress der DGESS und DAG in Gera ihre Forschungsergebnisse vor

Die Vorträge fanden im Rahmen des Symposiums der Deutschen Gesellschaft für Essstörungen e. V. (DGESS) „Neue partizipative Wege der Beratung und Behandlung bei Essstörungen – Betroffene Menschen und Angehörige im Blick“ statt. Anna Hofer und Enikö Schradi sind beide M.A. Klinische Sozialarbeiterinnen, forschen und promovieren kooperativ an der Hochschule Landshut in der Forschungsgruppe von Prof. Dr. Eva Wunderer.

Enikö Schradi ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut Sozialer Wandel und Kohäsionsforschung (IKON) im Bereich Forschung und Lehrbeauftragte an der Fakultät Soziale Arbeit. In ihrer Doktorarbeit und im Projekt „TRES“ unter Leitung von Prof. Dr. Eva Wunderer beschäftigt sie sich mit der Konzeptentwicklung und Evaluation des „Trialogs bei Essstörungen“. Ehrenamtlich ist sie Moderatorin im Borderline-Trialog Landshut. Im Trialog tauschen sich betroffene Menschen mit einer psychischen Erkrankung, Angehörige und Fachkräfte unterschiedlicher Professionen gleichberechtigt und unabhängig von familiären oder therapeutischen Beziehungen über ihre persönlichen Erfahrungen aus. Ziel ist, die Erkrankung und die jeweiligen Perspektiven der anderen besser zu verstehen und sich gegenseitig zu unterstützen. Zusammen mit professionellen Facheinrichtungen für Essstörungen in Regensburg, Bamberg, München, Leipzig, Berlin und mit der Suchtberatung des Landshuter Netzwerks wurde der Trialog im Zeitraum März bis Juni 2023 mit jeweils vier Gesprächsabenden neu im Bereich Essstörungen eingeführt und in einem dreistufigen Mixed-Methods Design wissenschaftlich evaluiert. In Gera präsentierte Enikö Schradi erste Forschungsergebnisse der Fragebogenerhebung, bei der Teilnehmende und Moderierende zu Rahmenbedingungen, Austausch und Nutzen des Trialogs befragt wurden. Mehr als 80 % der Teilnehmenden empfanden den Austausch als (sehr) hilfreich, um die Sichtweise der Betroffenen besser zu verstehen und den eigenen Umgang mit dem Thema zu reflektieren. Mehr als 90 % der Teilnehmenden und Moderierenden würden sich weiterhin aktiv am Trialog bei Essstörungen beteiligen. Die Kooperationseinrichtungen wollen den Trialog bei Essstörungen allesamt auch zukünftig anbieten. Das Feedback der Einrichtungen, Moderierenden und Teilnehmenden fließt in die Weiterentwicklung des Trialogs bei Essstörungen ein und soll dazu beitragen, den Trialog bei Essstörungen als weiteres partizipatives Hilfeangebot sichtbar und nutzbar zu machen.

Anna Hofer ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Fakultät Soziale Arbeit der Hochschule Landshut. Sie forscht und promoviert zum Thema „Digitale Beratung bei Essstörungen“. Im vom Bundesgesundheitsministerium geförderten Forschungsprojekt „DigiBEssst“ entwickelt sie unter Projektleitung von Prof. Dr. Eva Wunderer in Kooperation mit dem Bundesfachverband Essstörungen e. V. (BFE) Qualitätsleitlinien zur Professionalisierung der Online-Beratung bei Essstörungen. Zum Einsatz kam ein Mixed-Methods Design, das aus einem Online-Fragebogen und leitfadengestützten Interviews bestand. Auf dem Kongress in Gera gab Anna Hofer einen Einblick in die Qualitätsleitlinien und machte deutlich: für eine professionelle digitale Beratung sind vielfältige Standards zu berücksichtigen, von Zugang und Setting über Ressourcen bis hin zur Beziehungsgestaltung – etwa der professionelle Umgang mit schwierigen Situationen und Grenzen in der digitalen Beratung. In den Leitlinien finden sich hierzu konkrete Tipps und Hinweise zur Reflexion und als Orientierung. Wie ist beispielsweise mit dem Schweregrad der Essstörung bei ratsuchenden Personen umzugehen? Ist ein Wechsel der Beratungsform hin zur Beratung vor Ort sinnvoll, um den körperlichen Zustand besser beurteilen zu können? Ab welcher Intensität der Essstörung ist eine Beratung nicht mehr zielführend, wohin kann dann schnell und niedrigschwellig weitervermittelt werden? Neben diesen Fragen sind auch die Chancen der Online-Beratung in die Reflexion einzubeziehen. So ermöglicht etwa die örtliche und zeitliche Flexibilität einer digitalen Beratung eine unmittelbarere Unterstützung in akuten Krisensituationen. Die Leitlinien werden voraussichtlich Ende 2023 kostenfrei zum Download veröffentlicht und stehen somit sowohl der breiten Praxis als auch betroffenen Menschen und Angehörigen zur Verfügung.  

Der 8. Wissenschaftliche Kongress der DGESS vom 27. bis 29. September 2023 wurde gemeinsam mit dem Kongress der Deutschen Adipositas Gesellschaft e. V. (DAG) im Kultur- und Kongresszentrums Gera ausgerichtet. Die DGESS e. V. ist ein interdisziplinärer Zusammenschluss von Forschenden und Kliniker*innen mit dem gemeinsamen Ziel, die Behandlung von Essstörungen zu optimieren und die Interessen der Betroffenen sowie deren Angehörigen in Deutschland zu vertreten. Die DAG e. V. setzt sich für eine Stärkung der Prävention und Behandlung der Adipositas ein und bringt hierzu tätige Expert:innen zusammen. Zweieinhalb Tage lang diskutieren die führenden Wissenschaftler:innen auf dem Gebiet das breite Spektrum der Ess- und Gewichtsstörungen und wie Prävention, Diagnostik, Behandlung und Therapie gestärkt werden können.