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Energiewende für Netzanbieter: Chance- und Mammutaufgabe zugleich

Landshuter Energiegespräche der Hochschule Landshut zeigten, welche enormen Herausforderungen, aber auch Chancen, die Energiewende und der notwendige Um- und Ausbau der Strominfrastruktur für einen Netzanbieter wie die Bayernwerk Netz GmbH bedeuten.

Udo Macht (Bayernwerk Netz GmbH) sprach sich für netzdienliche Großspeicher aus.
Udo Macht (Bayernwerk Netz GmbH) sprach sich für netzdienliche Großspeicher aus.

Die Landshuter Energiegespräche befassen sich in diesem Semester mit dem Thema E-Power für die Energiewende. Beim Vortrag am 24. November 2025 wurde die Sicht eines Netzbetreibers gezeigt, Einblicke in Herausforderungen „von der anderen Seite der Steckdose“ beleuchtet, wie Vizepräsident Prof. Dr. Marcus Jautze in seiner Begrüßung der rund 200 Teilnehmer/-innen (online und in Präsenz) erklärte. Mit Udo Macht (Leiter Energielösung Industrie- und Einspeisekunden, Bayernwerk Netz GmbH) habe man für den Vortrag einen Experten gewinnen können, der seit über 30 Jahren in der Energiewirtschaft tätig sei, der die Energiewende und die Umwälzungen im Netz aktiv mitbegleitet, freute sich Moderatorin Prof. Dr. Petra Denk.

Die Aufgabe des Bayernwerk als Netzbetreibers sei es, die Stromversorgung sicherzustellen und das Netz so auszubauen, dass man nicht bemerkt, dass es das Unternehmen gibt, erklärt Macht die Funktion deutlich. Innerhalb des Stromnetzverbundes sei das Bayernwerk als Netzanbieter für das lokale Niederspannungsnetz (230/440 V), das regionalen Mittelspannungsnetz (10 – 20 kV) und das überregionale Hochspannungs-Verteilnetz mit 110 KV zuständig. Mit diesen drei Ebenen sei man wiederum am Höchstspannungsnetz angeschlossen, dies sei aber Aufgabe von Übertragungsnetzbetreibern.

Enormer Zuwachs an Windkraft und PV-Anlagen muss bewältigt werden

Für den Netzbetreiber bedeute die Energiewende eine enorme Herausforderung. Dies besonders, weil sie in Bayern von unten nach oben wachse, die neuen Kraftwerke an Stellen entstünden, wo die dünnsten Kabel seien. Das Bayernwerk könne man auch als „PV-Labor im operativen Betrieb“ bezeichnen. Und die Dimension dieser Aufgabe verdeutlichte er an einigen Zahlen: Im Jahr 2024 habe man rund 84.000 PV-Anlagen und 2.000 MW Erneuerbare Energien-Leistung angeschlossen sowie über 48.000 Speicher in Betrieb genommen. Weiterhin habe man 130 Trassenkilometer an Hochspannungsleitungen, 2.330 Kilometer Mittel- und Niederspannungskabel und 1.500 digitale Ortsnetzstationen umgesetzt.

Um das bayerische Ziel der Klimaneutralität bis 2040 erreichen zu können, sei ein weiterer, enormer Zuwachs an Windkraft- und PV-Anlagen und auch an Speichern notwendig. Studien gingen davon aus, dass der Strombedarf u.a. durch E-Mobilität, Einsatz von Wärmepumpen und durch Rechenzentren stark ansteigen werde und die installierte Leistung von Windkraftanlagen und Erneuerbarer Energie von aktuell rund 40 Gigawatt bis zum Jahr 2045 auf 120 Gigawatt steigen müsse. Und der Einspeise- und Nachfrageboom sei ungebrochen, man erhalte in Spitzenzeiten bis zu 20.000 Anfragen pro Monat.

Viele Redispatch-Maßnahmen für Netzstabilität notwendig

Die regenerativen Energiequellen seien systemprägend geworden, am 6. April 2025 habe man einen Einspeiserekord von mittags 12,5 GW durch PV-Anlagen erreicht. Der Bezug liege in dieser Zeit aber rund ein Drittel darunter. Der überschüssige Strom müsse in übergeordnete Netze gespeist oder falls das nicht möglich sei, abgeregelt werden. Um die Netzstabilität aufrecht zu erhalten und Angebot und Nachfrage in der Waage halten zu können, seien 2024 rund 1,2 Mio. Redispatch-Maßnahmen - Eingriffe in die Erzeugungsleistung, um Leitungsabschnitte vor einer Überlastung zu schützen, erforderlich gewesen. Das Ziel laute natürlich, nicht abregeln zu müssen und die notwendige Frequenz von 50 Herz aufrechtzuerhalten.

Der Netzausbau sein unausweichlich, vom Bayernwerk wurden hierzu in den Jahren 2021 bis 2024 2,9 Mrd. Euro investiert, bis 2028 werden es 7 Mrd. Euro sein. Dies zur Erhöhung der Bezugs- und Einspeisekapazitäten und zur Digitalisierung der Netze. Auch versuche man über KI die Netze stärker auslasten zu können.  
Anlagen der Großindustrie stellen für einen Netzanbieters wegen des enormen Strombedarfs eine große Herausforderung dar. Benötige eine Stadt mit 75.000 Einwohnern eine 50 MW Bezugsleitung, benötige die Großindustrie Leitungen mit 150 MW. Hier müsse man auf einen Netzanschluss auf der entsprechenden oberen Ebene oder on-site-Stromerzeugung als Ergänzung oder Alternative zum Netzanschluss denken.

Netzdienliche Großspeicher notwendig

Großspeicher könnten eine Lösung für auseinanderklaffende Leistungen für Einspeisung und Bezug sein. Hier habe sich die Situation bereits enorm verändert: Zu Großspeichern (mehr als 300 KW) hätten bis vor 2 Jahren kaum Anträge vorgelegen, von 2024 bis heute seien Anfragen in Höhe von 70-75 Gigawatt Leistung eingegangen, dies entspreche derjenigen von 65-70 Kernkraftwerken, fast das 10-fache des Bedarfs. Darauf zu setzen, dass das schon funktionieren wird, könne keine Lösung sein, hier müsse man sich was einfallen lassen. Denn der Großteil der Anlagen sei nicht netzdienlich sondern ertragsoptimiert konzipiert und mache einen weiteren Netzausbau erforderlich. Diese Anlagen seien an die Preise der Strombörse gekoppelt und durch schnelles An- und Abschalten beim Wechsel von Bezug zur Einspeisung geprägt, Strom würden hier in viertelstündlichen Zeitscheiben vermarktet. Dem Netzbetreiber erlaube dies keine Reaktionszeit, um auf das Verhalten der Batterie im Betrieb zu reagieren und die nötige Speicherlast bei Überkapazitäten könne so nicht ausgenutzt werden.

Wünschenswert wären hier Bundesnetzagentur-Vorgaben für netzneutrale oder noch besser netzdienliche Großspeicher, die den Überschuss im Netz speichern und später wieder abgeben. Für den Stromversorger, der selbst keine Energiespeicher betreiben darf, ist eine denkbare Lösung, netzdienliche Stromspeiche auszuschreiben und zu fördern, da dies deutlich günstiger als ein kosten- und zeitintensiver Netzausbau mit zusätzlichen Stromleitungen und Umspannwerken sei. Beim Netzausbau seien Genehmigungsverfahren und auch die Suche nach geeigneten Grundstücken äußerst zeitraubende Faktoren. Insgesamt sei die Energiewende notwendig und wichtig, für Netzbetreiber bedeute sie eine Mammutaufgabe, „wir gehen diesen Weg mit und sind trotz aller Herausforderungen überzeugt, dass wir es schaffen“ erklärt Macht.

Die vielen Fragen in der anschließenden Diskussion zeigten das große Interesse am Thema, viele Teilnehmer/-innen nutzten die Gelegenheit, Themen mit einem Ansprechpartner des Netzbetreibers Bayernwerk besprechen zu können. Weitere Infos und aktuelle Termine zu den Landshuter Energiegesprächen finden Sie auf der Veranstaltungs-Homepage.
 

Udo Macht (Bayernwerk Netz GmbH) sprach sich für netzdienliche Großspeicher aus.
Hochschulpräsident Prof. Dr. Marcus Jautze begrüßte die Teilnehmer/-innen.
Die Herausforderungen aus Sicht eines Netzwerkbetreibers erläuterte Udo Macht (Bayernwerk Netz GmbH)
Viele Fragen in der anschließenden Diskussion - moderiert von Prof. Dr. Petra Denk (Hochschule Landshut) zeigten das große Interesse der Teilnehmer/-innen.