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Hochschule Landshut lädt Gebärdensprach-Studierende aus ganz Deutschland zum jährlichen Treffen

Über 150 Studierende, Dozierende und Interessierte tauschten sich über aktuelle Themen des Gebärdensprachdolmetschens aus

Wie fühlt es sich an, taubblind zu sein und nur eingeschränkt hören und sehen zu können? Welchen aktuellen Slang nutzen gehörlose Jugendliche? Wie entstehen neue Fachgebärden in Bereichen, in denen bislang keine existierten? Und wie hat sich das gehörlose Leben in Bayern bis zur heutigen Zeit hin entwickelt? Mit diesen und vielen weiteren Themen beschäftigten sich Studierende aus ganz Deutschland beim diesjährigen GSD+ Treffen kürzlich an der Hochschule Landshut.

Vernetzung, praxisnahes Lernen und gelebte Inklusion

Beim GSD+ Treffen kommen einmal jährlich Studierende der Studiengänge Gebärdensprachdolmetschen, Deaf Studies, Gebärdensprachen und Gehörlosenpädagogik aus ganz Deutschland zusammen, um sich ein Wochenende lang auszutauschen und zu vernetzen. Um die Veranstaltung für alle Teilnehmenden möglichst inklusiv zu gestalten, wird dabei darauf geachtet, dass der „Sign Space“ respektiert wird. Die Kommunikation erfolgt also vorzugsweise in Gebärdensprache. 

Heuer war die Hochschule Landshut Gastgeberin und feierte damit gleichzeitig das zehnjährige Bestehen ihres Studiengangs Gebärdensprachdolmetschen, welcher der einzige seiner Art in Bayern ist. Neben über 120 Studierenden nahm auch das Dozierenden-Team des Landshuter Studiengangs Gebärdensprachdolmetschen am Treffen teil. Zudem waren Interessierte, beispielsweise aus der lokalen Gebärdensprachcommunity, anwesend. Insgesamt waren es mehr als 150 Teilnehmende. 

Lebensrealität taubblinder Menschen erfahrbar machen

Den Kern der Veranstaltung bildeten fünf parallele Workshops am Samstag, in denen die Studierenden angeleitet von Fachleuten interaktiv und praxisnah zu ausgewählten Themen lernen konnten. So brachte beispielsweise Til Apfel den Studierenden die Lebensrealität taubblinder Menschen näher und zeigte ihnen Tipps im Umgang und der Kommunikation. Zusätzlich hatten Teilnehmende die Chance, durch abdunkelnde Brillen und Gehörschutz am eigenen Körper zu erfahren, wie es sich für taubblinde Menschen anfühlen könnte. 

Wie sieht Jugendslang in Gebärdensprache aus?

In einem anderen Workshop referierte Peggy Steinbach zur Jugendsprache in der Deutschen Gebärdensprache. Die Expertin mit jahrelanger Forschungserfahrung gab den Teilnehmenden einen Einblick in den aktuellen Slang der gehörlosen Jugend, erklärte dessen Herkunft und ließ die Studierenden sich selbst einmal daran versuchen. Deutlich naturwissenschaftlicher wurde es in Thimo Kleyboldts Workshop, in dem sich alles um Fachgebärden aus dem MINT-Bereich (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) drehte. Der Dozent der Hochschule Landshut widmete sich einem Thema, das viele beschäftigt: Wie entstehen Fachgebärden in Bereichen, in denen bislang kaum welche existieren? Wie können neue Gebärden gesammelt, festgehalten und dokumentiert werden? Ergänzend zu Kleyboldts Input waren die Teilnehmenden eingeladen, selbst kreativ zu werden und eigene Ideen zu entwickeln, wie Fachausdrücke in Deutscher Gebärdensprache (DGS) dargestellt werden könnten.

Gebärdensprachkünstler live in Aktion erleben

Beim gemeinsamen Angebot von Dawei Ni und Hristo Trajkovski durften die Teilnehmenden ebenfalls aktiv werden. Hier drehte sich alles um Gebärdensprachliteratur und Visual Vernacular (VV) – eine künstlerische Ausdrucksform innerhalb der Gebärdensprachkultur. Viele Studierenden nutzten die seltene Gelegenheit, von zwei Gebärdensprachkünstlern unterrichtet zu werden, um Techniken kennenzulernen, mit denen sie sich zukünftig selbst noch bildhafter gebärdensprachlich ausdrücken können. Studierende, die kurz vor einem Praktikum stehen, konnten sich mit den Dolmetscherinnen Pia Stock und Lina Herrmann darüber austauschen, was genau die Rolle von Praktikantinnen und Praktikanten ist. Die Teilnehmenden hatten die Chance, eigene Fragen und Unsicherheiten anzusprechen, um gut vorbereitet ins eigene Praktikum zu starten.

Vortrag der bayerischen Aktivistin Gertrud Mally 

Ein Highlight der Veranstaltung abseits der Workshops war ein gemeinsamer Vortrag der tauben bayerischen Aktivistin Gertrud Mally und dem tauben Historiker Markus Beetz. Die in der Gebärdensprachgemeinschaft bekannte Gertrud Mally erzählte den Studierenden unter anderem davon, wie sie selbst 1984 in Bayern das Kommunikations-Forum (KoFo) gründete und Entwicklungen anstieß, die das Selbstbewusstsein gehörloser Menschen in ganz Deutschland stärkten. Sie teilte sich die Bühne mit Markus Beetz, einem Experten für bayerische Gehörlosengeschichte, der Einblicke in seine dokumentarische und archivarische Arbeit gab. Durch seine Ausführungen erhielten die Teilnehmenden ein lebendiges Bild davon, wie sich das gehörlose Leben in Bayern bis heute entwickelt hat.

Stadtführung in Deutscher Gebärdensprache

Eine weitere Besonderheit fand bereits am Freitag statt. Hier hatten Teilnehmende die Chance, von Markus Beetz sowie Peter Craxton, Mitarbeitender der Hochschule Landshut, eine Führung durch die Stadt Landshut komplett in Deutscher Gebärdensprache zu erleben. Das Landshuter GSD-Team zeigte sich mit dem Verlauf der Veranstaltung sehr zufrieden: „Wir freuen uns sehr, dass wir dieses Jahr Gastgeber für das GSD+ Treffen sein durften und dass wir von den Teilnehmenden sehr positive Rückmeldungen bekommen haben.“ Besonders der interaktive Austausch kam bei den Studierenden sehr gut an, da es ihnen dadurch möglich war, verschiedene Perspektiven kennenzulernen. Hervorgehoben wurde auch die warme und freundliche Atmosphäre zwischen den Dozierenden und Studierenden aus Landshut. Auf großes Interesse stieß zudem der Einblick in die bayerische Gebärdensprachkultur, der von den Teilnehmenden als bereichernd empfunden wurde. Ein großer Dank gilt daher allen, die an der Organisation beteiligt waren und dafür gesorgt haben, dass das GSD+ Treffen den Teilnehmenden noch lange positiv in Erinnerung bleiben wird.

Fotos:Hochschule Landshut
(Frei zur Verwendung bei Angabe der Quelle)

Foto 1: Insgesamt über 150 Teilnehmende aus ganz Deutschland folgten der Einladung der Hochschule Landshut, um sich zu vernetzen.

Foto 2: Das GSD-Team Landshut, geleitet von Prof. Dr. Sabine Fries (3. von links), stellt sich bei der Einführungsveranstaltung am Samstag vor.

Foto 3: Am Freitagabend konnten sich die Teilnehmenden in lockerer Atmosphäre kennenlernen, hierzu bereitete das Organisationsteam einige Spiele vor.