Logistik heute berichtet in einem ausführlichen Artikel über die Kooperation zwischen Hochschule Landshut und Flughafen München. Wirtschaftsinformatik-Masterandin Elisabeth Bornschlegl und Studiengangsleiter Prof. Dr. Jürgen Wunderlich untersuchten Optimierungspotenziale bei den Abfertigungsprozessen:
Prozessmanagement hat in den vergangenen Jahren einen starken Aufschwung erlebt und ist mittlerweile für etliche Unternehmen, die erfolgreich am Markt bestehen wollen, nicht mehr wegzudenken. Das liegt auch in den Vorteilen begründet, die die Analyse, Überwachung, Bewertung und Optimierung von Abläufen mit sich bringen können. Dazu zählen etwa eine gesteigerte Durchlaufgeschwindigkeit, eine verbesserte Qualität sowie eine geringere Reaktionszeit. Optimierte Prozesse geben Unternehmen die Möglichkeit, sich schneller an veränderte Marktgegebenheiten, wie steigende Kundenanforderung, größeren Wettbewerbsdruck oder schnellen technologischen Wandel, anzupassen.
Was in der Theorie überzeugend klingt, ist in der Praxis meist sehr ambitioniert. So sieht sich zunächst jedes Unternehmen mit der Herausforderung konfrontiert, aus der Vielzahl von möglichen Prozessmanagementansätzen die individuell geeigneten Methoden auszuwählen und gegebenenfalls individuell anzupassen. Vor dieser Aufgabe stand auch die Flughafen München GmbH (FMG), die sich zum Ziel gesetzt hat, ihr internes Prozessmanagement stetig voranzutreiben. Besonders in den Blick nimmt die Betreibergesellschaft dabei die prozessorientierte Optimierung der Leistungserstellung. Dazu zählen unter anderem Transparenz und Nachvollziehbarkeit, die bereichsübergreifende Zusammenarbeit und Steuerung sowie Performance und Flexibilität.
Eine Herausforderung für ein Unternehmen, das bis 2019 mit steigenden Flugbewegungen und Passagierzahlen konfrontiert war und sukzessive an seine Kapazitätsgrenzen stieß. Damit vor allem Prozesse im Ground Handling zukünftig reibungsloser ablaufen können und die Synchronisation mit Systempartnern besser klappt, wandte sich der Flughafen München an den Studiengang für Wirtschaftsinformatik der Hochschule Landshut, um die Abfertigungsprozesse in Auftrag zu geben. Ein Vorhaben, das für den Flughafen München auch in Zeiten der Coronapandemie noch Bestand hat. Auch wenn in den vergangenen Monaten deutlich weniger Flugzeuge in der bayerischen Landeshauptstadt gestartet oder gelandet sind, bleibt die Anforderung an verbesserte Prozessleistungen ein wesentliches Ziel des Airports. Im Mittelpunkt der Optimierungsbemühungen stehen nun neben verstärkter Effizienz auch Kosteneinsparungen.
Vor diesem Hintergrund erarbeiteten die Kooperationspartner ein Konzept zur laufenden Prozessverbesserung sowie eine zugehörige Kennzahlensteuerung mit dem Ziel, vor allem Abläufe im Bereich Aviation zu verbessern. Allem voran stand dabei der sogenannte Turnaround-Prozess im Vordergrund, zu dem alle Abfertigungsmaßnahmen gehören. Er beginnt mit dem Stillstand der Flugzeugräder und dem Andocken der Passagiertreppe und des Bodenstroms, geht über in das Deboarding und das Entladen sowie die parallelen Prozesse der Flugzeugreinigung, -versorgung und des Crew-Wechsels.
Darauf folgen die Flugzeugbeladung und das Boarding, um die Maschine schließlich wieder abzudocken und zur Startbahn zu bewegen. Störungen innerhalb dieses Prozesses können aufgrund der engen Aufeinanderfolge der einzelnen Schritte schnell zu Verzögerung bei allen nachfolgenden Maßnahmen und damit zu einer Gesamtverspätung des Turnaround- Prozesses führen. Die Verbesserung des Ground Handlings kann also dazu beitragen, Zeitverluste im gesamten Flugbetrieb zu vermeiden. Mit der Optimierung dieser Prozesse durch die Hochschule Landshut wollten die Flughafenbetreiber vor allem mehr Pünktlichkeit beim Start erreichen.
Vier Problemlösungsphasen
Für die Analyse verwendet wurde der sogenannte PDCA-Zyklus, der für die vier Problemlösungsphasen „Plan-Do-Check-Act“ steht. Im Rahmen dieser Methode geht es zunächst um Prozessidentifikation und Darstellung sowie Prozesszielplanung und anschließend um die Überwachung, Analyse und Bewertung der vorgeschlagenen Verbesserungen. Die Wirkung der eingeführten Maßnahmen kann zudem über jeden einzelnen Schritt hinweg überprüft werden, was die stetige Optimierung der Prozesse ermöglichen soll.
Laufende Prozessoptimierung ist jedoch nur zu erreichen, wenn die Beteiligten ein festgelegtes Ziel verfolgen und diese Vorgabe mithilfe von Statuswerten kontinuierlich geprüft wird. Durch die Betrachtung von Zustandswerten und Abweichungen können dann Schwachstellen analysiert und die Prozessleistung fortlaufend gesteigert werden. Mittels Kennzahlen wird gemessen, ob und wann Maßnahmen erfolgreich greifen. Sie geben Auskunft über das erreichte Zielausmaß (Ist-Wert) und die Prozessleistung. Die Kennzahlen setzen sich aus den Messungen der einzelnen Prozessschritte zusammen. Es ist somit erforderlich, die Betrachtungsebene zu definieren und die Zusammensetzung der Prozessindikatoren über die tieferliegenden Ebenen zu erarbeiten. Für den Flughafen München wurden als Kennzahlen die Zeiteffizienz zur Abbildung der internen Sicht und die Termintreue beziehungsweise die Verlässlichkeit zur Darstellung der externen Sicht definiert. Im Umkehrschluss dient die Fehlerrate zur Bewertung der Qualität.
Anhand des Zusammenhangs der Kennzahlen ist die Gegenüberstellung der einzelnen Prozessschritte mithilfe der Portfolio-Analyse möglich. Die kritischen Stellen werden aufgedeckt und können im nächsten Schritt auf ihre Probleme und deren Ursachen untersucht werden. Dazu werden die Einflussgrößen, die Auskunft über die Prozessleistung geben, in einen Zusammenhang gebracht. Dieser gibt Aufschluss darüber, welcher Prozessteil den dringendsten Verbesserungsbedarf aufweist. In Hinblick auf die Bodenabfertigungsprozesse des Flughafens München zeigte sich, dass vor allem der des Boardings eine höhere Fehlerrate und eine geringere Verlässlichkeit aufweist als alle anderen Teilschritte und deshalb zu Verzögerungen im Gesamtprozess führt.
Das Boarding optimieren
Aus diesem Grund wurden die Abfertigung und das Zusteigen der Passagiere als verbesserungswürdigste Prozesse tiefergehend untersucht. Ziel war es dabei, den Ablauf durch eine optimierte Boarding-Methode zu verbessern und somit die Effizienz bei diesem Vorgang zu erhöhen. Hierzu kam die sogenannte Prozesssimulation zum Einsatz. Diese Visualisierung – etwa über Flussdiagramme – ermöglicht es, den Einfluss verschiedener Boarding-Varianten in Hinblick auf Zeit und Effizienz zu untersuchen und gegeneinander abzugrenzen.
Als Verbesserungsansätze für den Flughafen München wurden unter anderem die Reservierung fester Sitzreihen anstatt fester Sitzplätze, passagierspezifische Einsteigeverfahren sowie die visuelle Darstellung zusätzlicher Boarding-Informationen untersucht. Die Prozesssimulation zeigte, dass die Outside-In-Boarding-Methode die Einsteigezeit um circa zwölf Prozent verbessert. Bei dieser Maßnahme wird eine Maschine von außen nach innen, also zuerst mit den Fensterplätzen, dann den Mittelsitzen und zum Schluss mit den Gangplätzen besetzt. Durch die Optimierung in diesem Bereich rückt nun ein anderer Prozess in den Fokus der Optimierungsbemühungen des Münchner Flughafens. Auf diese Weise entsteht permanenter Anreiz zur Verbesserung, was schließlich zur operativen Exzellenz führt.
Autoren: Elisabeth Bornschlegl, Masterandin, Hochschule Landshut; Jürgen Weiß, Leiter Prozessmanagement & Benchmarking, Flughafen München GmbH; Prof. Dr. Jürgen Wunderlich, Studiengangsleiter Wirtschaftsinformatik, Hochschule Landshut.