Potenzial von KI-Systemen in der Medizintechnik beleuchtet

Veranstaltung zeigte vielfältige Möglichkeiten aber auch Herausforderungen für den Einsatz von KI in der Medizintechnik.

Künstliche Intelligenz schafft innovative Möglichkeiten in der Medizin bzw. Medizintechnik, die besonders vor dem Hintergrund des Pflegenotstandes und des Kostendrucks wertvolle Unterstützung leisten könnten. Innovationen sind allerdings auch auf Seiten der Datenbereitstellung und der Regulatorien gefragt, um maschinell lernende Verfahren nutzenbringend einzusetzen, so lautete ein Resümee der Veranstaltung „Künstliche Intelligenz in der Medizin(technik)“ am 3. Juli 2019 an der Hochschule Landshut. In Vorträgen von Experten aus Praxis und Wissenschaft sowie in einer Posterpräsentation von Studierendenprojekten wurden aktuelle Entwicklungen, Chancen und Herausforderungen der KI in der Medizin(technik) gezeigt.

Das Ziel von Maschinen, die selbständig lernen, müsse lauten, Menschen das Arbeiten zu erleichtern, wie Hochschulpräsident Prof. Dr. Karl Stoffel in seiner Einführung erklärte. Hier seien nicht nur die technischen Entwicklungen interessant, sondern auch  die Frage, was diese für die Menschen bedeuten. Die Hochschule Landshut habe das Thema Künstliche Intelligenz heuer zu einem seiner Leitthemen gemacht und setzte sich z.B. in einer Ringvorlesung, in Veranstaltungen und Projekten intensiv aus unterschiedlichen Perspektiven damit auseinander.

Enorme Möglichkeiten von KI-Systemen entstanden - Regulatorien halten nicht Schritt

Der Hype um die KI-Systeme, Machine Learning oder auch Deep Learning habe 2015/2016 eingesetzt, wie die Initiatoren der Veranstaltung, Prof. Dr. Stefanie Remmele und Prof. Dr. Andreas Breidenassel, in ihrer als Gespräch geführten Themeneinführung erklärten. Von der Erkennung einer durch Diabetes hervorgerufene Erkrankung der Netzhaut (diabetic retinopathy) oder von Melanomen bei Muttermalen bis hin zur Analyse von Schädel-Hirntraumata hätten sich viele Möglichkeiten entwickelt, anhand von Bildern und selbstlernenden Systemen Ärzten wertvolle Hilfestellungen zu bieten. Doch strenge deutsche Datenschutzbestimmungen, der große Aufwand bei der Vorbereitung der Daten und damit zu wenig vergleichbare (Bild)Daten und vor allem auch offene Fragen bei der Zulassung von medizintechnischen Systemen seien Hindernisse, um KI-Systeme tatsächlich einsetzen zu können.

In der 2017 verabschiedeten EU-Medizinprodukteverordnung (Medical Device Regulation, MDR), die die Zulassung von Medizinprodukten regelt, seien KI-Systeme mit selbstlernenden Algorithmen nicht vorgesehen, wie Dr. Matthias Schier (Forum MedTech Pharma e.V., Nürnberg) betonte. U.a. stelle auch die ungeklärte Haftungsfrage bei Anwendung von KI-Systemen eine große Herausforderung dar. Dem gegenüber stehe ein sehr breites Anwendungspotenzial: von der Unterstützung von Ärzten bei OP und Diagnostik durch Entscheidungsunterstützung oder automatisierte Bilderkennung über die Personalisierung von Medikamenten durch Gendiagnostik bis hin zu KI-gestützten Robotern zur Entlastung von Pflegekräften.

Prof. Dr. Remmele erläuterte, die Zahl der wissenschaftlichen Veröffentlichungen im Bereich KI in der medizinischen Bildverarbeitung und Bildgebung sei nahezu explodiert. Der Großteil beschäftige sich allerdings mit der Bildsegmentierung, die in der Diagnose bislang wenig Einsatz findet. Maschinell lernende Bildbefundungslösungen erreichen zwar laut fundierten wissenschaftlichen Studien bereits menschliches Entscheidungsvermögen, sind aber bisher in der Radiologie noch kaum angekommen. Dies, obwohl gerade die Radiologie sehr stark digitalisiert und der Wunsch nach Workflow-Unterstützung und Automatisierung stark ausgeprägt sei. Möglicherweise auch, weil noch nicht geklärt ist, inwieweit sich die Performance von Algorithmen, die auf den Daten einer bestimmten Einrichtung trainiert wurden, auf andere Einrichtungen übertragen lässt. Dies sei aber Grundvoraussetzung für KI-Lösungen.

Einsatz von intelligenten Technolgien als Hilfestellung

Intelligente Lösungen in der Operationsplanung und -Operationsunterstützung stellte Jens Schmaler (Brainlab AG, München) vor. Das Unternehmen hat sich früh auf Softwarelösungen für die Führung minimalinvasiver Interventionen spezialisiert, auch hierfür werden radiologische Aufnahmen verwendet. Dazu werden dem Operateur auf einem parallelen Bildschirm in Echtzeit ein 3D-Modell der Anatomie und die genaue Position  z.B. des Operationsbestecks im Inneren des Körpers, dargestellt, um so die Navigation zu erleichtern. In der medizinischen Realität würden bisher Systeme eingesetzt, die auf klassischen Algorithmen basieren. Über KI/Deep Learning könnte die Präzision und Genauigkeit gesteigert werden. Auch könnten mit Augmented/Mixed Reality über Datenbrillen automatisch erfasste Daten und Informationen während der Operation in Echtzeit eingeblendet werden. Es lohne sich, zu überlegen, wie bestehende Systeme zusammen mit KI-Lösungen eingesetzt werden könnten, um Ärzte optimal zu unterstützen.

Doch nicht nur Diagnose und Therapie können durch intelligente Systeme unterstützt werden, auch bei strategischen Entscheidungen eines Krankenhauses können sie eine wertvolle Hilfestellung bieten. Dies zeigte Dr. Hannes Dahnke (Vebeto GmbH, Hamburg) in einer Live-Demo eines selbst entwickelten, auf offenen Daten beruhenden, Analysesystems für das Krankenhausmanagement. U.a. durch den Vergleich der Fallzahlen unterschiedlicher Behandlungen und Operationen in Krankenhäusern, die mit Bevölkerungsdaten korreliert werden können, schaffe das System Entscheidungshilfen für strategische Entscheidungen zum Beispiel bei Investitionen und der Identifikation von Versorgungsengpässen.

Wie die vielfältigen heute verfügbaren Sensordaten über KI genutzt werden könnten, um Ärzte gerade in der Diagnose zu unterstützen, zeigte Dr. Thomas Wittenberg (Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS, Erlangen). Beispielsweise könne man bereits heute mit automatischer Bilderkennung 75 Prozent aller Polypen bei einer Darmspiegelung finden und läge dabei gleichauf mit Ärzten. Im Bereich der Pathologie könnten mit KI auf digitalisierten Bildern Zellkerne eingefärbt oder auch Gewebe klassifiziert werden. Von grundlegender Bedeutung sei hier eine größere Anzahl von qualifizierten Daten.

Rahmenbedingungen anpassen, um Chancen nutzen zu können

Auch die aus dem Umfeld der Medizintechnik stammenden Teilnehmer der Veranstaltung gaben in einer Plenumsumfrage Datenschutz und Validierung als größte Herausforderungen, Automatisierung und verbesserte Qualität als größte Chance durch den Einsatz von KI in der Medizintechnik an. Diese Meinung teilten auch die Referenten noch einmal in der anschließenden Podiumsdiskussion. Zusätzlich betonte Prof. Dr. med. Johannes Schmidt, Ärztlicher Direktor Krankenhaus Landshut-Achdorf, die große Diskrepanz von dem, was technisch möglich sei, und was in Krankenhäusern mit Regelversorgung durch fehlende personelle und finanzielle Ressourcen tatsächlich eigesetzt werden könne.

Großer Resonanz erfreute sich auch die begleitende Posterausstellung, in der Studierende Ergebnisse von Projektarbeiten im Rahmen des Bachelor-Studiengangs „Biomedizinischen Technik“ und des Masters „Elektrotechnik und Informationstechnik“ präsentierten. Studierende zeigten auch hier maschinell lernende Systeme, zum einen in Form einer tragbaren (USB) Lösung für die automatische radiologische Bildanalyse (BMT) und zum anderen in Form einer Smartphone App zur Muttermalsklassifizierung (EIT). Daneben wurden aber auch viele andere spannende Projekte aus dem Bereich der Medizintechnik präsentiert. Die BMT-Studierenden zeigten eine Augmented Reality App zur Simulation einer Röntgenröhre, Konzepte zur Dichtigkeitsprüfung von Kunststofftuben für die Firma Minitüb GmbH, Gedanken (EEG)-gesteuerte PC-Animationen und eine MRT-Spule für das Mini-MRT des Medizintechniklabors. Die Master-EIT Studierenden demonstrierten außerdem ein multi-parametrisches Biofeedback-System und ein selbstgebautes Blutdruckmessgerät.