Einführung von agilen Projektmanagement-Methoden bei der Produktentwicklung

Netzwerkforum an der Hochschule Landshut zeigte Lösungswege und Erfahrungsbericht aus der Praxis

Das mittlerweile 3. Netzwerkforum Projektmanagement am 10. Oktober 2019 an der Hochschule Landshut befasste sich mit Agilität im Projektmanagement von Technologie- bzw. Produktentwicklung. Einen Lösungsansatz bietet das Forschungsprojekt HyValue der Hochschule Landshut, dessen Inhalte ebenso vorgestellt wurden wie ein Praxisbeispiel: Die Einführung von agilen Kanban-Methoden bei der Schott AG.

Das Thema Projektmanagement sei in der Industrie von großer Bedeutung und spiele deshalb auch in nahezu allen Studiengängen der Hochschule Landshut, besonders aber im berufsbegleitenden MBA-Studiengang System and Project Management, eine wichtige Rolle. Außerdem ist es auch in der Forschung des Instituts für Projektmanagement und Informationsmodellierung (IPIM) an der Hochschule verankert, wie Hochschulpräsident Prof. Dr. Karl Stoffel bei der Begrüßung der rund 80 Experten/innen erklärte.

Gerade im Entwicklungsprozess sind Flexibilität und Kreativität, kompetente Teams und ein optimales Arbeitsumfeld gefordert. Dies innerhalb eines Unternehmens über Bereichs- und Ländergrenzen hinaus sicherzustellen, ist schon eine Herausforderung für sich. Besonders schwierig wird es aber bei der Zusammenarbeit mehrerer Unternehmen mit unterschiedlicher Unternehmenskultur, wie Prof. Dr. Holger Timinger, Co-Gründes des Instituts IPIM, erläuterte. Dies stellt Unternehmens- und Projektleitung vor Herausforderungen, die einerseits ein agiles (Projekt-)Management wünschen, aber auch Zeitdruck, Dokumentationspflicht und Qualitätssicherung berücksichtigen müssen. Im Bereich der Automobilunternehmen sorgt der technologische und gesellschaftliche Wandel zusätzlich für hohen Innovationsdruck.

Bereichs- und unternehmensübergreifendes Projektmanagement erforderlich

Wie das Projektmanagement in der Technologieentwicklung der Automobilindustrie aussehen kann, zeigte der erste Vortrag des Abends. Markus Schmidtner, wissenschaftlicher Mitarbeiter am IPIM, stellte das mit Bundes- und EU-Mitteln geförderte Forschungsprojekt „HyValue - Hybridisierung in der Value Chain: Vom Systemlieferanten zum Kollaborationsexperten“ vor. Das Projekt wird gemeinsam mit Forschungs- und Industriepartnern durchgeführt. Im Vortrag erläuterte der Referent die Komplexität des Entwicklungsprozesses im Automobilbau. Als Beispiel nannte er BMW, das im Jahr 2018 nahezu jeden Monat ein neues Modell vorstellte, was einen enormen Planungsaufwand bedeutete. Die kürzeren Zyklen bei anderen technischen Entwicklungen, wie der Smartphone-Integration, erfordern ebenso wie die verstärkt bei Zulieferunternehmen stattfindende Wertschöpfung eine hohe Flexibilität bzw. Agilität und eine unternehmensübergreifende Projektplanung und -steuerung. Da die Kosten um Fehler zu beheben oder Probleme zu beseitigen enorm steigen, je später sie bemerkt werden, müssen über den gesamten Entwicklungsprozess hinweg immer wieder Feedback-Schleifen in den Prozess integriert werden.

Für das Projekt HyValue habe man die unterschiedlichen Vorgehensweisen der Automobilhersteller im Produktentstehungsprozess analysiert und relevante Schritte von der Produktdefinition über die Entwicklung digitaler Prototypen und die Vorserienfertigung bis hin zum Serienanlauf definiert. Zuerst müssen auf der funktionalen Ebene Ansprüche definiert werden, ehe in einer zweiten Prozessebene je nach zu bewältigender Aufgabe überlegt wird, wie diese umgesetzt und das richtige Projektmanagement aussehen kann. Dies könnte Elemente des klassischen Wasserfall-Modells, in dem Aufgaben schrittweise nacheinander erledigt werden, im V-Modell, das jeder Funktion eine Test- bzw. Qualitätsprüfung gegenüberstellt oder auch im flexiblen Scrum erfolgen, in dem sowohl Planung als auch Produktentstehung iterativ erfolgen.

HighValue erstellt Lösungskonzept für die Automobilindustrie

Das Ziel von HyValue lautet, ein Konzept für „kollaborative Dienstleistungsarbeit“ zu erarbeiten und darauf aufbauend mit dem „hybriden Kollaborationsexperten“ ein neues Modell zu entwickeln. Als Ergebnisse entstehen ein Gestaltungskonzept für eine Kollaborationsplattform, ein Kompetenzatlas mit tätigkeitsbezogenen Rollen- und Kompetenzprofilen, Leitfäden für lernförderliche Arbeit sowie ein hybrides Referenzmodell für die Projektsteuerung.

Um die Beschäftigten zur Kollaboration auf allen beteiligten Ebenen zu befähigen, werden die Erfahrungen und Anforderungen der Nutzer in diese Plattform integriert, Spielregeln für die Zusammenarbeit erarbeitet und die unterschiedlichen Arbeitsweisen zusammengebracht. Zur Nutzung virtueller Projekträume wird zudem eine cloudbasierte Software entwickelt. So können neue Arbeitsformen, bis hin zur Zusammenarbeit in Echtzeit, entstehen, die den Beteiligten die Kolaboration erheblich erleichtern. Nur so können Fehler in der Produktentstehung frühzeitig und partnerschaftlich erkannt, vermieden oder behoben werden, anstatt diese erst spät im Prozess teuer korrigieren zu müssen.

Von klassischen zu hybriden oder agilen Methoden in der Praxis

Einen Erfahrungsbericht über die Einführung von agilen Elementen im Projektmanagement bei der Schott AG bot Dr. Christian Mix. Das Unternehmen stellt Hardware wie z.B. Durchführungen beim Abgasstrang, Airbagzünder oder auch Batteriedeckel her. Flexibilität sei nötig, um auf Anforderungsänderungen schnell reagieren oder um Produkte in neuen Themenfeldern entwickeln zu können. Zwar gäbe es gerade im Bereich der Automobilindustrie viele Standards und einen hohen Dokumentationsaufwand zur Absicherung, Vorgaben für das Projektmanagement seien dagegen nicht vorhanden. Man habe sich aber am APQP-Prozess (Advanced Product Quality Planning) orientiert, der ein strukturiertes Verfahren zur Definition und Ausführung in der Qualitätsvorausplanung bereitstellt.

Ursprünglich wurden klassische Methoden eingesetzt, einmal pro Woche habe man ein Projektmeeting abgehalten, Aufgaben und Verantwortlichkeiten genau definiert und mit einem klassischem Wasserfallmodell und Meilensteinen gearbeitet. Gerade bei der technischen Produktentwicklung seien starre Prozesse aber wenig geeignet. Man habe sich deshalb mit agilen Methoden befasst, Basis bildete eine Kooperation mit der Hochschule Landshut. Eine erste Stärken- Schwächen-Analyse habe gezeigt, dass bei höherer Auslastung der Teammitglieder – sie werden oft durch dringende parallele oder zusätzliche Aufgaben oder Termine gebunden - das Management eines Projektes vernachlässigt wird und die Gefahr steigt, den Überblick zu verlieren.   

Positive Erfahrungen bei der Einführungen von Kanban-Boards

Man habe sich entschlossen agile Projektplanungsmethoden einzusetzen, habe dabei die im Scrum vorgesehenen Sprints als weniger passend eingeschätzt und auf Kanban gesetzt. Dabei habe man sich auf Vorgehensweisen geeinigt, Meetings sollten z.B. nicht mehr als 2,5 Stunden pro Woche in Anspruch nehmen, Treffen zur Gesamtplanung nach Bedarf abgehalten werden. Eingeführt wurden Kanban-Taskboards, bei denen die Aufgaben per Hand in der Poolplanung definiert werden und je nach Bearbeitungsstatus in die Spalten „Work in Progress WiP“ oder „Done“ geschoben werden können.

Seit rund einem Jahr wird die Methode eingesetzt, die Erfahrungen seien durchwegs positiv. Das System biete eine gute Übersichtlichkeit, die Transparenz sei hoch und eine Retrospektive möglich. Allerdings habe es rund ein halbes Jahr gedauert, bis die täglichen Stand-Up-Meetings effektiv durchgeführt wurden. Änderungen sind täglich möglich, können vom Mitarbeiter selbst am Board vorgenommen werden. Dies habe zu einer höheren Mitarbeitermotivation geführt, insgesamt sei das System auch von ihnen positiv bewertet worden. Auch eine Eskalation von Aufgaben sei möglich, wenn diese zu lange nicht erledigt werden. Es wurde eine "Notfallspur" mit erhöhter Priorität gegenüber anderen Aufgaben oder Projekten eingeführt. Im Hintergrund sei allerdings nach wie vor ein klassischer Projektplaner im Einsatz, für den das System gerade in der Einführungsphase einen deutlichen Mehraufwand bedeute.

Mit der Veranstaltungsreihe „Netzwerkforum Projektmanagement“, initiiert von Prof. Dr. Holger Timinger und dem IPIM-Institut der Hochschule Landshut, sollen einmal pro Semester aktuelle Entwicklungen der Disziplin aufgezeigt und das Netzwerk von am Thema Interessierten gestärkt werden. Sowohl Entscheider/-innen und Mitarbeiter/-innen von Unternehmen, Dienstleistern und Forschungseinrichtungen, die sich mit modernen Methoden des Projektmanagements befassen, als auch Studierende und Absolventen/-innen des Studiengangs MBA Systems and Project Management sind zum Informationsaustausch und zum Networken eingeladen. Die nächste Veranstaltung der Reihe wird im Sommersemester 2020 stattfinden, aktuelle Informationen immer unter www.haw-landshut.de/netzwerkforum-pm.