Fake-News mit Transparenz und Medienmündigkeit bekämpfen

In der jüngsten Veranstaltung der Reihe Wissenswerk Landshut befasste sich der Medienwissenschaftler Prof. Dr. Bernhard Pörksen (Universität Tübingen) am 27. Mai 2019 an der Hochschule Landshut kritisch mit Fragen der (Des-)Information im digitalen Zeitalter.

Im digitalen Zeitalter könne jeder Informationen weltweit veröffentlichen. Fake-News, Desinformation oder auch Hasskampagnen hätten zu einer spürbaren Wahrheits- und Vertrauenskrise geführt. In seinem Vortrag mit dem Thema „Die neue Macht der Lüge – was wir wissen müssen und tun sollten." plädiert er für die eine zu schaffende Medienmündigkeit der Bürger, höchste Transparenz gerade für die sozialen Medien sowie qualitativen Journalismus, um den Wahrheitsgehalt von Informationen bewerten zu können.

Die Macht der digitalen Medien erlebe man täglich, wie Hochschulpräsident Prof. Dr. Karl Stoffel bei seiner Begrüßung der rund 200 Gäste erklärte. Dies hätten erst kürzlich das Youtube-Video des Influencers Rezo und der Umgang der CDU damit sowie das Skandalvideo und der Sturz der österreichischen Regierung gezeigt. Prof. Dr. Pörksen betrachtet mit dem digitalen Zeitalter entstandene Erscheinungen wie z.B. Fake-Nes, Hasskampagnen oder auch die Welt der Desinformation als „Superlativ der Seltsamkeit“  

Tektonische Verschiebung im Kommunikationssystem

Die Digitalisierung bedeute nicht weniger als eine tektonische Verschiebung der Kommunikationsarchitektur, eine Neukonstruktion der Informationswirklichkeit, in dem jeder nahezu alles über digitale Kanäle einspeisen kann. Durch die digitalen Informationskanäle seien neue Manipulationsmöglichkeiten entstanden. Jeder ist auch zum Sender geworden, kann manipulierte, retuschierte Fotos oder Filme online stellen oder auch Fake-Identitäten annehmen. Trolle, Social Bots mit Fake-News-Meldungen seien in der Lage, Meinungsmehrheiten zu simulieren.

Als Beispiel für Desinformation nennt der Professor für Medienwissenschaft u.a. einen der bestbezahlten US-Radiomacher: Rush Limbaugh hatte die Warnungen vor dem Hurrikan Irma, der 2017 in Florida immense Schäden anrichtete, als eine Kampagne der Klima-Wandel-Befürworter betrachtete, die eine Agenda durchzusetzen wollten. Er bestritt die Wetterprognosen und blieb seiner Meinung treu, bis er selbst evakuieren musste.

Im Zusammenhang mit Fake-News oder auch Desinformation stellte Prof. Dr. Pörksen die Frage nach der Realität, nach dem, was Wirklichkeit ist. Eine geeignete Definition habe der US-amerikanischen Scienc-Fiction-Autor Philip K. Dick geliefert, für den Realität das ist, was nicht weggeht, auch wenn man nicht daran glaubt. Doch mit dem häufig verwendeten Begriff des postfaktischen Zeitalters hat Pörksen seine Probleme: zu häufig würden die Epochen-Begriffe gewechselt, auch würde postfaktisch implementieren, dass es ein faktisches Zeitalter gegeben habe.

Rasante Geschwindigkeit und Ungewissheit

Das Digitale Zeitalter und Neue Medien bedeuten eine neue rasante mediale Geschwindigkeit unter vernetzten Bedingungen. Noch während man politische Verhandlungen führe, werde schon über den Stimmungszustand der Teilnehmer berichtet und damit sofort für jedermann bekannt. Doch gerade im Journalismus stelle sich der Grundkonflikt zwischen Schnelligkeit und Genauigkeit bzw. Faktenorientierung. Qualitätsjournalismus, der sich durch Genauigkeit der Recherche, Überprüfen von Fakten etc. auszeichne, bleibe dabei häufig auf der Strecke.

Dies schaffe auch eine neu Ungewissheit, da man nicht genau weiß, was man glauben soll und was nicht. In früheren Zeiten habe gegolten, dass mehr Informationen uns klüger machen. Unter den heutigen medialen Bedingungen „wird durch mehr Information die Chance zur Desinformation erhöht“, so Prof. Dr. Pörksen. Dies zeige auch der Amoklauf im Münchner Olympia-Einkaufszentrum: Bis zu 300 Tweets pro Minute seien abgesetzt worden. Eine massive Ungewissheit, die sich mit Scheingewissheit gefüllt und so zu einer steigenden Panik geführt habe, sei die Folge gewesen. „Extremereignisse sind die große Stunde für Falschmeldungen“, erklärt der Referent.

Neues Kommunikationsklima, immens gesteigerte Transparenz

Das Netz schaffe Hypes, Superlativen, sei eine riesenhafte Datenbank der auslesbaren Interessen und Faszinationen. Für den Journalismus bedeute das, dass das früher vorherrschende Prinzip der Relevanz jetzt im Kampf mit der Popularität stehe. Das Kommunikationsklima habe sich geändert. verzichte man auf eine Geschichte, verzichte man u.U. auch auf Einnahmen.  Dies führe zu einer Überhitzung, zu Spektakeln sowie Hypes.

Wir würden aktuell auch eine neue Sichtbarkeit erleben. Manches werde sofort, manches wie aktuell in Österreich plötzlich nach eineinhalb Jahren sichtbar. Mit den Smartphones trägt jeder die Instrumente bei sich, mit denen sofort Sichtbarkeit hergestellt werden kann. Die für 2020 geschätzten 4 Mrd. Smartphones bedeuten „eine Wahrnehmungsrevolution, eine fast totalitär anmutende Transparenz“. Vom US-amerikanischen Präsidenten Roosevelt hätten während seiner Amtszeit nur 3 sehr unbekannte Fotos existiert, die ihn in im Rollstuhl gezeigt hätten; in der breiten Öffentlichkeit habe kaum jemand gewusst, dass er auf einen solchen angewiesen war - eine vollkommen andere Medienepoche. Heute wissen wir sofort alles, auch das, was wir gar nicht wissen wollen, z.B. was dem US-Präsidenten um 5 Uhr morgens einfalle, wie Prof. Dr. Pörksen betont.

Mit Bildung und Transparenz zur Medienmündigkeit

Obwohl man täglich vom Informationsreichtum der digitalen Medien und der Vernetzung profitiere, könne man auf der anderen Seite schockiert über die negativen Auswüchse sein. Aber wie solle man auf diese reagieren, sie bekämpfen? Die Lösung liegt für Pörksen in einer zu schaffenden Medienmündigkeit und in Bildung. Diese müsse mit einem eigenen Schulfach beginnen, das Themen wie Mediengeschichte, Machtanalyse der Medien, Medienpraxis oder angewandte Irrtumswissenschaft aufgreifen könnte. So könnte der Geist der Jungen für ein Öffentlichkeitsbewusstsein gewappnet werden.

Auf dem Weg zu einer sog. redaktionellen Gesellschaft müsste sich auch der Journalismus ändern. Er müsse sich auf seine Qualitäten besinnen aber auch auf die neuen Herausforderungen reagieren. Er müsse dialogisch sein und mit den vernetzten Vielen den Austausch suchen, er müsse transparent sein und erklären, wie Nachrichtenströme funktionieren. Der Qualitätsjournalismus stecke in einer finanziellen und einer Vertrauenskrise. Dies, obwohl die klassischen Massenmedien als Diskussionsmedien auch für die Demokratie von großer Bedeutung seien. Das Publikum müsse aber auch bereit sein, für ihre Inhalte zu zahlen.

Besonders stellt sich für Prof. Dr. Pörksen auch die Frage, wie man die großen sozialen Plattformen regulieren soll. Technischen Lösungen wie Upload-Filtern erteilt er eine Absage, da dahinter Algorithmen stecken, die nicht mit der Ungewissheit der Wahrheit umgehen können. Er plädiert für einen Zwang zur Transparenz dieser Plattformen, eine smarte Plattformregulierung. Funktionen müssten offengelegt und gezeigt werden, welche Informationen wie entstanden sind und wo sie auftauchen. Digitale Informationen müssten einschätzungsfähig werden, dazu brauche man eine andere Form der Transparenz. Er plädiert für eine neuartige Institution, einen Plattformrat, in dem alle Beteiligten verpflichtende Spielregeln festlegen.

Früher seien wir alle nur Publikum gewesen. Im digitalen Zeitalter „müssen wir medienmündig werden, weil wir alle auch medienmächtig sind“, wie Prof. Dr. Pörksen erklärte. Die Demokratie lebe von unterschiedlichen Meinungen und dem Diskurs, deshalb sei eine kollektive Übereinkunft darüber, was wahre Infos sind, von grundlegender  Bedeutung.

Die Veranstaltungsreihe Wissenswerk Landshut wird in Kooperation zwischen Hochschulgemeinde, BMW Group Werk Landshut und der Hochschule Landshut durchgeführt. Einmal pro Semester befassen sich renommierte Referenten aus unterschiedlichen wissenschaftlichen Perspektiven mit Fragen des Wissens.