Projekt MagFest

"Betriebsfestigkeitsanalyse für Leichtbaustrukturen aus Magnesiumknetlegierungen"

Projektinhalte und Ergebnis

Projektziel war die Bestimmung und Beschreibung der quasi-statischen und zyklischen mechanischen Eigenschaften von Magnesiumknetlegierungen sowie die Entwicklung eines Lebens­dauermodells für eine numerische Betriebsfestigkeitsrechnung. Für die meisten Unter­suchungen wurden Bleche aus den Magnesiumknetlegierungen AM50, AZ31B und ME21 verwendet. Diese sind gießgewalzte AM50 und AZ31B Bleche mit einer Blechdicke von 1,2 mm, bereitgestellt von der Magnesium Flachprodukte GmbH, und stranggepresstes ME21 mit einer Blechdicke von 1,5 mm von der Stolfig GmbH.

An Blechen aus den Magnesiumknetlegierungen wurden zur Charakterisierung der Mikrostruktur und Textur Mikrostrukturuntersuchungen durchgeführt. Zudem wurden Lichtmikroskopaufnahmen an plastisch verformten AM50-Proben durchgeführt. Die durchschnittliche Korngröße auf der Proben­ober­fläche der Ausgangsbleche beträgt 5 µm für AM50 und AZ31B und 20 µm für ME21. Der Unterschied der Korngröße zwischen der Walz- bzw. Extrusionsrichtung und quer zur Walz- bzw. Extrusionsrichtung ist vernachlässigbar. Die Korngröße von AM50 betrug in alle drei senkrechten Raumrichtungen 5 µm. Alle drei Legierungen weisen eine starke basale Textur mit hohen Intensitätsleveln der Polfigur-Maxima auf. Bei den Legierungen AM50 und AZ31B ist an der Stelle der höchsten Intensität der Polfigur die c-Achse um einen Winkel von ca. 5° bzgl. der Blech-Normalenrichtung in die Walzrichtung gekippt. Bei ME21 weist die Kippung einen Winkel von ca. 20° bzgl. der Blech-Normalenrichtung in Extrusionsrichtung auf.

Alle Versuche wurden bei Raumtemperatur durchgeführt. Für alle drei Legierungen wurden quasi-statische Versuche in Walz- bzw. Extrusionsrichtung und quer zu diesen Richtungen durchgeführt. Neben den quasi-statischen Zugversuchen wurden auch quasi-statische Druckversuche durchgeführt. Für die Druckversuche wurden Druckstützen verwendet um Stabili­täts­pro­ble­me zu vermeiden. An Proben aus ME21 und AZ31B wurden spannungskontrollierte und dehnungskontrollierte zyklische Versuche unter rein wechselnder Belastung in Walz- bzw. Extrusionsrichtung durchgeführt. An Proben aus AM50 wurden ca. 230 zyklische Versuche unter verschiedensten Versuchsbedingungen durchgeführt. Diese Versuchsbedingungen sind:

 

·          Versuche bei verschiedenen Spannungs- und Dehnungsverhältnissen

·          Spannungs- und dehnungskontrollierte Versuche

·          Versuche mit konstanter und variabler Lastamplitude

·          Versuche in Walzrichtung und quer zur Walzrichtung

 

Die starke basale Textur der drei Legierungen ist die Ursache für die anisotropen und asymmetrischen mechanischen Eigenschaften. Die Druckfließgrenze beträgt nur 40 – 70 % der Zugfließgrenze. Die vorhandene Polexzentrizität der {0002}-Ebene ermöglicht zudem <a> Prismengleiten in Walz- bzw. Extrusionsrichtung, aber nicht quer zu diesen Richtungen. Deshalb beträgt auch die Zugbruch­deh­nung quer zur Walz- bzw. Extrusionsrichtung nur 25 – 54 % der Zugbruchdehnung in Walz- bzw. Ex­tru­sions­richtung.

Es zeigte sich, dass die quasi-statischen und zyklischen Eigenschaften von AM50 und AZ31B sehr ähnlich sind. Verursacht durch die vierfach größere Korngröße von ME21 sind die Zug- und Druckfließgrenzen von ME21 deutlich kleiner als die von AM50 und AZ31B. Zudem zeigen Proben aus ME21 bereits bei sehr kleinen Spannungen knapp über 0 MPa eine plastische Deformation. Aus dieser plastischen Deformation bei sehr kleinen Spannungen folgt eine geringere Steifigkeit der ME21-Legierung.

Im Bereich von 5 – 10 % plastischer Dehnung wird die plastische Zugdehnung durch <a> Basisgleiten und zusätzlich <a> Prismengleiten in Walz- bzw. Extrusionsrichtung hervorgerufen. Die plastische Druck­dehnung resultiert aus {1012}<1011> Zwillingsbildung. Nach dem Überschreiten der Druckfließgrenze wurde bei allen drei Legierungen eine Verfestigungsrate von nahezu null beobach­tet, bis der gesamte Prüfbereich eine hohe Zwillingsdichte aufweist. Bei dehnungs­kontrol­lierten Versu­chen wurde während der plastischen Deformation in Druckrichtung die Bildung von Zwillingsbändern beobachtet. Diese fast parallelen makroskopischen Bänder erstrecken sich über die gesamte Proben­breite und führen zu einer ungleichmäßigen Dehnungsverteilung in Proben­längsrichtung.

Die Richtungsabhängigkeit der Zwillingsbildung führt bei zyklischen Versuchen im elasto-plastischen Bereich zu unsymmetrischen s-förmigen Hystereseschleifen. Zudem wurde bei allen drei Legierungen pseudoelastische Deformation beobachtet. Bei wechseln­den dehnungskontrollierten Versuchen hängt die Hystereseform nur geringfügig vom Dehnungsverhältnis ab. Im Gegensatz da­zu hängt die Hystereseform bei wechselnden spannungskontrollierten Versuchen stark vom gewählten Spannungsverhältnis ab. Bei diesen Versuchen stellt sich nach Überschreiten der Druckfließgrenze sofort eine sehr große Mitteldehnung ein, was durch die schlagartige Zwillingsbildung im gesamten Prüfbereich verursacht wird. Für dehnungskontrollierte Versuche mit variabler Amplitude wurde festgestellt, dass die Hüllhysterese eines Versuchs mit variabler Amplitude sehr ähnlich zu Hysteresen aus Ver­suchen mit konstanter und gleicher Dehnungsamplitude ist. Die Hystereseformen der innen liegenden Hysteresen unterscheiden sich deutlich von Versuchen mit konstanter Amplitude und hängen stark von der Mitteldehnung und Mittelspannung ab. Die ge­messenen Hystereseformen unterscheiden sich deutlich von Hysterese­formen, welche mit dem Masing-Modell abgebildet wer­den können, weshalb sich das Masing-Modell für die Darstellung der Hysteresen von Magnesiumknetlegierungen nicht eignet.

Für die numerische Betriebsfestigkeitsanalyse ist eine Beschreibung der Spannungs-Dehnungs-Hyste­resen von Magnesiumknetlegierungen notwendig. Zu diesem Zweck wurde in diesem Projekt ein einachsiges phänomenologisches Werkstoffmodell entwickelt und erprobt. Das Werkstoffmodell basiert auf einer Gleichung, bei der die Gesamtdehnung aus einem elastischen, einem pseudoelastischen und einem plastischen Dehnungsanteil besteht. Für die ge­mes­sene Hysteresen von Proben aus AM50, AZ31B und ME21 sowie weiteren Hysteresen anderer Legie­rungen aus der Literatur erzielt das neu entwickelte Werkstoffmodell eine hohe Überein­stimmung. Für das Werkstoffmodell sind acht Materialkonstanten erforderlich, welche mit Hilfe von Versuchen bestimmt werden können. Das Werkstoffmodell setzt einen stabili­sierten Materialzustand voraus und berücksichtigt daher keine zyklische Verfestigung, zyklische Ent­festigung und zyklische Spannungsrelaxation. Durch das Nachbilden von Spannungs-Dehnungs-Hyste­­resen ist das Werkstoffmodell in der Lage, Größen wie Spannungen, Dehnungen oder Dehnungsenergiedichten für Schädigungsparameter bereitzustellen.

Analog zu den quasi-statischen mechanischen Eigenschaften ist das Ermüdungsverhalten von AM50 und AZ31B sehr ähnlich. Proben aus ME21 ermüden bei gleicher äußerer Last früher als Proben aus AM50 und AZ31B. Anhand von zyklischen Versuchen an AM50 in Walzrichtung und quer zur Walzrichtung konnte festgestellt werden, dass die Ermüdungsfestigkeit quer zur Walzrichtung deutlich geringer ist als die Ermüdungsfestigkeit in Walzrichtung.

Verschiedene bekannte auf Spannungen, Dehnungen und Dehnungsenergiedichten basierende Schä­digungsparameter wurden für die Lebensdauerberechnung für AM50 in Walzrichtung getestet. Dabei wurden zwischen der Lebensdauerberechnung und den experimentell bestimmten Werten deutliche Abweichungen festgestellt, weshalb ein neuer Schädigungsparameter für Magne­sium­­knet­legie­rungen definiert wurde. Dieser Schädigungsparameter wird „kombinierte Dehnungs­energiedichte pro Zyklus“ genannt und ist definiert als die Summe der plastischen und der gewichteten positiven elastischen Dehnungsenergiedichte pro Zyklus. Eine Gewichtung der positiven elastischen Dehnungsenergiedichte pro Zyklus mit 25 % repräsentiert die materialspezifische Mittelspannungsempfindlichkeit am besten. Bei Verwendung der „kombinierten Dehnungsenergiedichte pro Zyklus“ liegen die Werte der meisten untersuchten Proben innerhalb eines ±2x Streubandes. Es zeigte sich, dass für alle drei untersuchten Legierungen die Lebensdauer mit Hilfe des Schädigungsparameters „kombinierte Dehnungsenergiedichte pro Zyklus“ mit nur einer bilinearen Ausgleichsfunktion dargestellt werden kann. Die Lebensdauer für eine Beanspruchung quer zur Walzrichtung muss jedoch mit einer weiteren bilinearen Ausgleichsfunktion beschrieben werden, da Versuche an AM50 quer zur Walzrichtung zeigten, dass für diesen Fall die Lebensdauer deutlich geringer ist als bei Versuchen mit einer Beanspruchung in Walzrichtung.

Die Schädigungsparameter „Smith-Watson-Topper Schädigungsparameter“, „kombinierte Dehnungs­energie­dichte pro Zyklus ohne Gewichtung“ und „kombinierte Dehnungsenergiedichte pro Zyklus“ wurden auf die Ver­suchsergebnisse aus 22 Versuchen mit variablen Amplituden und Mittelwerten an­gewendet. Die berechneten Lebens­dauern wurden anhand von mit dem phänomenologischen Werkstoffmodell nachgebildeten Hystere­sen bestimmt. Die größte Übereinstimmung zwischen berechneten und gemessenen Hysteresen wird mit dem Schädigungsparameter „kombinierte Dehnungsenergiedichte pro Zyklus“ erreicht. Für diesen Schädigungsparameter wurden die Parameter der Schädigungs­­parameter-Wöhlerlinien für AM50, AZ31B und ME21 in Walz- bzw. Extrusionsrichtung und quer zur Walz- bzw. Extrusionsrichtung er­mittelt. Mit Hilfe der Schädigungsparameter-Wöhlerlinien und der Materialkonstanten für das ent­wickelte phänomenologische Werkstoffmodell kann die numerische Betriebsfestig­keits­analyse für einachsige Beanspruchungszustände bei beliebigen Belastungs-Zeit-Funktionen durchge­führt werden.

Für die Betriebsfestigkeitsanalyse nach dem örtlichen Konzept unter Berücksichtigung variabler Ampli­tuden und Mittelwerte sowie der Plastizitätskorrektur nach Neuber wurde ein Python-Programm entwickelt und an ungekerbten sowie gekerbten Proben und einem Bauteil getestet. Im Rahmen dieses Projekts wurden nur wenige Versuche mit gekerbten Proben durchgeführt. Die angewendete Plastizitätskorrekur stützt sich daher auf noch wenig fundierte Erkenntnisse. Anhand von Bauteilversuchen wurde gezeigt, dass eine Batteriehalterung aus Magne­sium im Ver­gleich zur nicht optimierten Standard-Stahlvariante um 68,3 % leichter gebaut werden kann, bei gleich­­zeitiger errechneter Steigerung der Lebensdauer um den Faktor 2,58. Somit bieten Struktur­bau­teile aus Magnesiumknetlegierungen ein hohes Leichtbaupotential. Durch Vergleich von experi­mentell ermittelter Lebensdauer eines Bauteils und der zugehörigen Lebensdauerberechnung wurde nachgewiesen, dass die Ergebnisse aus der entwickelten Berechnungsmethode grundsätzlich in der Nähe der tatsächlichen Le­bens­dauer und im konservativen Bereich liegen.

Für die Überprüfung der Verwendung des entwickelten phänomenologischen Werkstoffmodells in Kombination mit einer Plastizitätskorrektur sind weitere Unter­suchungen erforderlich. In weiterführenden Arbeiten wird der Schwerpunkt auf die Erfassung und Beschreibung des Ermüdungs­verhaltens unter Berücksichtigung von Spannungsgradienten und mehraxialen Spannungszuständen über Versuche gelegt. Es müssen die Kerbempfindlichkeit und der Einfluss von Zwillingsbändern am Kerbgrund analysiert werden um genauere Ergeb­nisse zu erzielen und das Anwendungsspektrum zu erweitern.

 

 

Kooperationspartner

Kompetenzzentrum Leichtbau der Hochschule Landshut (LLK)

An der Hochschule Landshut erfolgt die Koordination des Forschungsprojektes. Der wissenschaftliche Mitarbeiter und technische Projektleiter Dipl.-Ing. (FH) Johannes Dallmeier führt die analytischen, numerischen und experimentellen Untersuchungen durch und wertet diese aus. Herr Dallmeier betreut in Zusammenarbeit mit den Professoren H. Saage und O. Huber die internen und die bei den Partnerunternehmen durchzuführenden Abschluss- und Projektarbeiten. Prof. Dr.-Ing. O. Huber übernimmt die Gesamtprojektleitung des Forschungsvorhabens.

Adam Opel AG

Die Adam Opel AG liefert zu Beginn des Projektes stranggepresste Feinbleche aus der Legierung ME21. In einem weiteren Schritt wird unter Federführung der Adam Opel AG in Zusammenarbeit mit der CADFEM GmbH und dem LLK eine Leichtbaustruktur entwickelt und berechnet. Die Adam Opel AG übernimmt die Fertigung von Prototypen. Die Adam Opel AG führt außerdem eine herkömmliche FEM-basierte Betriebsfestigkeitsanalyse an gekerbten Flachproben mit unterschiedlichen Beanspruchungs-Zeit-Funktionen als Vergleich zum neuen Verfahren durch. Die Adam Opel AG übernimmt zudem Korrosionsuntersuchungen.

CADFEM GmbH

Die CADFEM GmbH bringt ihre Kompetenz auf dem Gebiet der FEM-basierten Betriebsfestigkeitsrechnung mittels der Software ANSYS nCode DesignLife ein. Die CADFEM GmbH übernimmt in Zusammenarbeit mit der Adam Opel AG und dem LLK sowohl die Umsetzung der am LLK entwickelten Vorgehensweise für eine Betriebsfestigkeitsrechnung als auch eine Vergleichsrechnung an der in diesem Vorhaben entwickelten Leichtbaustruktur.

Magnesium Flachprodukte GmbH

Die Magnesium Flachprodukte GmbH wird ihren Beitrag im Bereich des Gießwalzens von Magnesiumfeinblechen leisten. In Zusammenarbeit mit einem Studierenden der Hochschule Landshut und dem Gießereiinstitut der TU Freiberg soll der Gießwalzprozess hinsichtlich einer Verbesserung der zyklischen Verformungs- und Festigkeitseigenschaften der Feinbleche optimiert werden.

Technische Universität Bergakademie Freiberg

Die Technische Universität Bergakademie Freiberg (Gießereiinstitut) unterstützt das LLK bzw. die Magnesium Flachprodukte GmbH bei der Bewertung und Optimierung des Gießwalzprozesses. Außerdem hat sich Prof. Dr.-Ing. K. Eigenfeld bereit erklärt, ein kooperatives Promotionsverfahren seitens der Technischen Universität Bergakademie Freiberg zu betreuen.

Daten & Fakten

ProjektnameMagFest – Betriebsfestigkeitsanalyse für Leichtbaustrukturen aus Magnesiumknetlegierungen
TechnologiefeldBetriebsfestigkeit, zyklische Festigkeit, mechanische Eigenschaften, Leichtmetalle, Leichtbauwerkstoffe, Magnesiumknetlegierungen, Leichtbaumechanik, Leichtbaukonstruktion, numerische Simulation
Projektlaufzeit3 Jahre (07.2012 bis 06.2015)
Projektvolumen373.800 EUR
Fördersumme311.600 EUR
FörderprogrammBMBF-Förderprogramm „profUnt - Forschung an Fachhochschulen mit Unternehmen"
ProjektträgerJülich (PTJ)
Wissenschaftlicher Mitarbeiter / Technische ProjektleitungDipl.-Ing. (FH) Johannes Dallmeier
GesamtprojektleitungProf. Dr.-Ing. Otto Huber