Projekt LeitHyb (abgeschlossen 09.2014)

"Leichtbau-Hybridstruktur für das Chassis von Reisemobilen" Projektinhalte und Ergebnisse

Zellulare Verbundwerkstoffe sind syntaktische Schäume, bei denen zellulares Granulat in einer Kunststoffmatrix eingebettet ist. Bei geeigneter Kombination von Granulat und Matrixmaterial können die mechanischen Eigenschaften des Verbundwerkstoffes gegenüber dem gewichtsgleichen zellularen Matrixmaterial deutlich verbessert werden. Es existieren Werkstoffmodelle für die Vorhersage der mechanischen Eigenschaften von zellularen Verbundwerkstoffen aus den Eigenschaften der Grundmaterialien. Die Anwendung von analytischen und numerischen Homogenisierungstheorien im elastischen Bereich wurde bereits untersucht. Darüber hinaus existiert ein phänomenologisches Materialgesetz für große Verzerrungen und hohe Dehnraten. Zellulare Verbundwerkstoffe besitzen ein großes Leichtbaupotenzial als Kernmaterial in Sandwichstrukturen oder als Stützmaterial in beulgefährdeten Strukturen sowie als Kern in Deformationselementen. Eine Anwendung zellularer Verbundwerkstoffe als hohle Stützkerne für Verstärkungen in Rahmenstrukturen sowie der Einfluss der Verbindung zwischen Stützkern und Blechhülle auf die Steifigkeit, Festigkeit und Energieabsorption wurden bisher noch nicht untersucht.

Das Ziel des Vorhabens war die Entwicklung und Auslegung einer hybriden Leichtbaustruktur als Chassis für Reisemobile mit deutlich verbessertem Insassenschutz im Fondbereich. Eine signifikante Erhöhung des Leichtbaugrades wurde durch den Einsatz von dünnwandigen geschlossenen höherfesten Stahlprofilen (Hut-Profile) erreicht, welche in den steifigkeitsbestimmenden und beulgefährdeten Bereichen durch hohle Stützkerne aus zellularem Verbundwerkstoff (Glasschaumgranulat in Epoxidharz-Matrix mit fester Anbindung zwischen Granulat und Matrix) lokal ausgesteift werden. Die dünnwandigen Profile ermöglichen in Kombination mit dem zellularen Verbundwerkstoff ein verbessertes Steifigkeitsverhalten und eine Erhöhung der kritischen Beullasten bei gleichzeitig geringerem Gewicht. Darüber hinaus konnte im Bereich der Fondpassagiere auch ein verbesserter Insassenschutz durch eine hybride Deformationsstruktur unter Verwendung eines zellularen Verbundwerkstoffs mit Polyurethan-Matrix entwickelt werden.
Der Konstruktionsprozess wurde nach der Methodik des leichtbaugerechten Konstruierens, in Anlehnung an die VDI-Richtlinien 2221 und 2222, unter konsequenter Einbeziehung der Systemanalyse und -synthese sowie des Stoff-, Form- und Fertigungsleichtbaus im Rahmen des Systemleichtbaus durchgeführt. Um eine weitest gehende Funktionsintegration (u.a. Steifigkeit, Festigkeit und Energieabsorption) zu erreichen, wurde der Aufbauboden durch eine feste Verbindung mit den Stahlprofilen zur Steifigkeit und Festigkeit der Gesamtstruktur mit herangezogen. Bei der Verwendung von hochfesten Stählen (DOCOL 800 DP) konnten bei Ausnutzung des verfügbaren Bauraums die Wandstärken so weit abgesenkt werden, dass als erste Versagensart Beulen auftritt. Dieser Stabilitätsverlust kann durch die lokale Integration von spezifisch leichten zellularen Verbundwerkstoffen mit EP-Matrix zu höheren Beanspruchungswerten verschoben werden. Mit Hilfe von linearen und nichtlinearen FEM-Analysen (Gesamtfahrzeug- und Ausschnittsmodelle) und einer servohydraulischen Versuchseinrichtung (quasi-statische Beanspruchung der Rahmenstrukturen) konnten die Steifigkeit, Festigkeit und die Erhöhung des Leichtbaugrads verifiziert werden. Es wurde eine Gewichtsreduktion von 29 % (50 kg) im Rahmen-Bodenbereich bei gleichbleibender statischer Steifigkeit und Festigkeit erreicht.
Die im Fahrbetrieb auftretenden zyklischen mechanischen Beanspruchungen erfordern einen Betriebsfestigkeitsnachweis und damit die Untersuchung des Ermüdungsverhaltens der zellularen Verbundwerkstoffe sowie der hybriden Strukturen. Dazu wurde der zellulare Verbundwerkstoff bezüglich des statischen und zyklischen Werkstoffverhaltens bei Raumtemperatur charakterisiert. Für die Modellierung des Ermüdungsverhaltens wurden einaxiale kontinuumsmechanische Schädigungsmodelle für die statische und zyklische Schädigung entwickelt und anhand von experimentellen Ergebnissen verifiziert. Damit können mit einem deutlich verringerten Versuchsaufwand Werkstoff-Wöhlerlinien und Lebensdauerlinien für variable Beanspruchungs-Zeitfunktionen erstellt werden.
Aus Gründen der Wirtschaftlichkeit sind für die Rahmenstruktur zellulare Verbundwerkstoffe mit Schaumgranulaten aus Recycling-Glas (ca. 0,6 €/kg, Dichte = 0,2-0,3 kg/l) und EP-Matrix eingesetzt worden. Die Stützkerne wurden in einem serientauglichen Niederdruck-Gießverfahren mit Epoxidharz, welche eine feste Verbindung mit den Schaumgranulaten ermöglichen, hergestellt. Die vorgefertigten Stützkerne werden mittels Kleben in die Stahlstrukturen integriert.
Das hohe spezifische Energieabsorptionsvermögen und die hohe Energieabsorptionseffizienz von Hybridstrukturen mit höherfesten Stahlhohlprofilen aus DP 600 und Stützkernen aus zellularen Verbundwerkstoffen mit PU-Matrix tragen erheblich zur Verbesserung des Crashverhaltens der Gesamtstruktur bei. Für den Insassenschutz gibt es in den zutreffenden Bau- und Prüfvorschriften (EG-Richtlinie 70/156 EWG und 2007/46 EG) nur Prüfkriterien für eine quasi-statische Zugprüfung am Sitzgestell. Um den Insassenschutz deutlich zu erhöhen, wurde in Anlehnung an die Richtlinie ECE-R 95 ein geeigneter Crashersatzlastfall für den seitlichen Aufprall eines PKWs im Bereich der hinteren Sitzplätze definiert und numerisch untersucht. Mit Hilfe eines FEM-Gesamtfahrzeugmodells konnte durch die entwickelte hybride Deformationsstruktur eine Reduzierung der Eindringtiefe der Crashbarriere auf ein Viertel des Wertes des Referenzfahrzeugs ohne Deformationsstruktur aufgezeigt werden.
Die im Projekt LeitHyb erarbeiteten Ergebnisse für Hybridstrukturen aus höherfesten Stahlblechen und zellularen Verbundwerkstoffen zeigen ein hohes Leichtbaupotenzial bzgl. Steifigkeit und Festigkeit der Rahmen-Bodenstruktur. Zudem eignen sich die betrachteten Hybridstrukturen sehr gut als Deformationsstruktur für den Seitenaufprall. In diesem Projekt konnten grundlegende Erkenntnisse gewonnen werden, bei welchen Material- und Wandstärkekombinationen große Leichtbauvorteile zu realisieren sind. Außerdem wurden Erfahrungen über Urform-, Umform- und Verbindungstechniken bei der Fertigung von hybriden Leichtbauprofilen und der Rahmen-Bodenstruktur gesammelt. Es konnten Werkzeuge für die Entwicklung und Herstellung von Hybridkonstruktionen mit zellularen Verbundwerkstoffen sowie ein bzgl. Steifigkeit, statischer und zyklischer Festigkeit und eines Crashlastfalls dimensionierter Prototyp eines Leichtbau-Chassis-Segments bereitgestellt werden. Die entwickelten Technologien können auch auf andere Fahrzeugkonzepte, wie z.B. Kleintransporter und PKW, transferiert werden.

Kooperationspartner

Kompetenzzentrum Leichtbau der Hochschule Landshut

Am Kompetenzzentrum Leichtbau der Hochschule Landshut erfolgte die Koordination des Forschungsprojektes. Der wissenschaftliche Mitarbeiter und technische Projektleiter Dipl.-Ing. (FH) Sergej Diel übernahm die Durchführung und Auswertung der experimentellen und numerischen Untersuchungen im Bereich der Charakterisierung und Modellierung des zellularen Verbundwerkstoffs sowie im Bereich von Hybrid-Strukturbauteilen. In der Entwicklungs- und Konstruktionsphase unterstützte Herr Diel die beteiligten Industrieunternehmen auf dem Gebiet der Leichtbaukonstruktion von Hybrid-Strukturbauteilen und führte die dazu notwendigen FEM-Simulationen durch. Prof. Dr.-Ing. Otto Huber übernahm die Gesamtprojektleitung bei der Durchführung des Forschungsvorhabens.

ALOIS KOBER GmbH

Die ALOIS KOBER GmbH brachte ihre Erfahrungen auf dem Gebiet des Fahrzeugbaus leichter Nutzfahrzeuge ein und führte die entsprechenden Aufgaben in der Entwicklungs- und Konstruktionsphase federführend aus. Das Unternehmen entwickelte die dazugehörigen Fertigungsprozesse sowie Prototypen von Hybrid- Strukturbauteilen und fertigte das Chassis.

Altendorfer Kunststofftechnik e. K.

Die Fa. Altendorfer Kunststofftechnik unterstützte das Forschungsvorhaben durch die Entwicklung eines Fertigungsprozesses für zellulare Stützkerne und fertigte entsprechende Prototypen für die Fertigung von Hybrid-Strukturbauteilen und Chassis sowie Werkstoffproben für die mechanischen Werkstoffuntersuchungen an der Hochschule Landshut.

CADFEM GmbH

Die CADFEM GmbH brachte ihre Kompetenz auf dem Gebiet der Energieabsorption mit teilausgefüllten, dünnwandigen Hohlprofilen ein und erweiterte die Kompetenz anhand der numerischen Simulationen von Crashtests an Hybrid-Strukturbauteilen. CADFEM übernahm die Simulation des Seitenaufpralls.

Knaus Tabbert GmbH

Die Knaus Tabbert GmbH leistete ihren Beitrag in der Erbringung von Entwicklungs- und Konstruktionsleistungen im Bereich der Bodenplatte, Unterstützung bei der Definition von Anforderungen und Randbedingungen sowie in der Herstellung von Prototypen (Bodenplatte und Gesamtchassis).

Universität Erlangen-Nürnberg

Die Universität Erlangen-Nürnberg (Lehrstuhl für Technische Mechanik) unterstützte die Hochschule Landshut bei der Erarbeitung und Validierung von Schädigungsmodellen sowie deren Implementierung in FE-Programme.

Daten & Fakten

ProjektnameLeitHyb – Leichtbau-Hybridstruktur für das Chassis von Reisemobilen
TechnologiefeldLeichtbauwerkstoffe, Leichtbaumechanik, Leichtbaukonstruktion, Konstruktionsmethodik, Fertigung von Leichtbaustrukturen / Hybridstrukturen, Sandwichtechnologie, Werkstoffmechanik, numerische Simulation
Projektlaufzeit3 Jahre (10.2011 bis 09.2014)
Projektvolumen367.000 EUR
Fördersumme286.000 EUR
FörderprogrammBMBF-Förderprogramm „profUnt - Forschung an Fachhochschulen mit Unternehmen"
ProjektträgerAiF
Wissenschaftlicher Mitarbeiter / Technische ProjektleitungDipl.-Ing. (FH) Sergej Diel
GesamtprojektleitungProf. Dr.-Ing. Otto Huber