Leichtbauprojekt - Reisemobile vom "Nutzfahrzeug" zum PKW

Das neue Verbund-Forschungsprojekt "LeitHyb" an der Hochschule Landshut hat sich zum Ziel gesetzt, das Gewicht von Reisemobilen des Herstellers Knaus-Tabbert GmbH (Jandelsbrunn) zu reduzieren und gleichzeitig die Sicherheit zu erhöhen. Das Gewicht der Nutzfahrzeuge soll so weit sinken, dass sie als PKW eingestuft werden können. Das Projektvolumen beträgt 286.000 Euro, gefördert wird das Vorhaben durch das Bundesforschungsministerium.

Vertreter der beteiligten vier Unternehmen und zwei wissenschaftliche Einrichtungen trafen sich zum Start des Forschungsprojektes zur Entwicklung einer „Leichtbau-Hybridstruktur für das Chassis von Reisemobilen LeitHyb“ an der Hochschule Landshut.  Gefördert wird das Projekt für drei Jahre vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) durch das Forschungsprogramm „FHprofUnt“, das anwendungsorientierte Forschung an Fachhochschulen mit Unternehmen unterstützt. Technischer Projektleiter ist Herr Dipl.-Ing. (FH) Sergej Diel, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Hochschule Landshut. Neben Knaus Tabbert sind weiterhin beteiligt: ALOIS KOBER GmbH (Kötz), Altendorfer Kunststofftechnik (KMU, Gsenget/Neureichenau), CADFEM GmbH (Grafing) sowie die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Die wissenschatliche Projektleitung übernimmt Herr Prof. Dr.-Ing. Otto Huber, Leiter des Kompetenzzentrums Leichtbau der Hochschule Landshut (LLK).

Gewicht unter 3,5 Tonnen - Fahrerlaubnis mit Klasse B

Ein familientaugliches Reisemobil besitzt 4 bis 6 Sitzplätze. Ein Fahrzeug dieser Kategorie weist bei einer Länge von etwa 7 m unter Berücksichtigung einer angemessenen Zuladungskapazität aktuell eine zulässige Gesamtmasse von mehr als 3,5 t aus. Die ersten Besitzer des EU-Führerscheines der Klasse B sind bereits in einem Alter von Ende 20 bis Anfang 30 und stellen einen wichtigen Kundenkreis dar. Wer aber diese Fahrerlaubnis besitzt, darf nur Fahrzeuge bis maximal 3,5 Tonnen führen, was  den Kundenkreis stark einschränkt. Darüber hinaus werden Fahrzeuge dieser Gewichtsklasse vom Gesetzgeber als LKW eingestuft und unterliegen dadurch einer deutlich höheren Betriebskostenstruktur.

Das Ziel des Verbundvorhabens ist deshalb die Entwicklung und Auslegung einer hybriden Leichtbaustruktur als Chassis für Reisemobile mit deutlich verbessertem Insassenschutz im Fondbereich. Eine signifikante Erhöhung des Leichtbaugrades soll durch den Einsatz von dünnwandigen geschlossenen höherfesten Stahlprofilen (z.B. Hut-Profile) erreicht werden, welche in den steifigkeitsbestimmenden und beulgefährdeten Bereichen (u.a. Knotenbereiche) durch hohle Stützkerne aus zellularem Verbundwerkstoff (syntaktischer Schaum aus Glasschaumgranulaten in Polymermatrix) lokal ausgesteift werden.

Bei der Verwendung von hochfesten Stählen können die Wandstärken so weit abgesenkt werden, dass als erste auftretende Versagensart Beulen auftritt, was durch die lokale Integration von spezifisch leichten zellularen Verbundwerkstoffen unterdrückbar ist. Die dünnwandigen Profile ermöglichen in Kombination mit dem zellularen Verbundwerkstoff ein verbessertes Steifigkeitsverhalten (Erhöhung der Beullasten) und insbesondere im Bereich der Fondspassagiere auch einen verbesserten Insassenschutz bei gleichzeitig geringerem Gewicht. Um eine weitestgehende Funktionsintegration (u.a. Steifigkeit, Festigkeit, Energieabsorption, Wärmeisolation) zu erreichen, wird der Aufbauboden durch eine feste Verbindung mit den Stahlprofilen mit zur Steifigkeit und Festigkeit der Gesamtstruktur herangezogen. So soll eine deutliche Gewichtsreduktion erreicht werden.

Kostengünstige zellulare Verbundwerkstoffe aus Recycling-Glas

Aus Gründen der Wirtschaftlichkeit ist der Einsatz von zellularen Verbundwerkstoffen mit Schaumgranulaten aus Recycling-Glas (Kosten ca. 0,5€/kg, Dichte ? = 0,2-0,3kg/l) vorgesehen. Es wird ein Gleichteilekonzept angestrebt, bei dem unterschiedliche Rahmenstrukturen aus wenigen unterschiedlichen Elementen montiert werden können. Durch diese modulare Bauweise sollen die Flexibilität in der Fertigung gesteigert und die Fertigungskosten gesenkt werden. 

Die im Fahrbetrieb auftretenden zyklischen mechanischen und thermischen Beanspruchungen erfordern einen Betriebsfestigkeitsnachweis und damit die Untersuchung des Schädigungsverhaltens der zellularen Verbundwerkstoffe sowie der Hybridstrukturen. Zur Charakterisierung des zyklischen Ermüdungsverhaltens der zellularen Verbundwerkstoffe soll ein Schädigungsmodell für den High Cycle Fatigue-Bereich (HCF) entwickelt werden, das mit einem deutlich verringerten Versuchsaufwand die Erstellung von Werkstoff- und Bauteilwöhlerlinien ermöglicht. Neben einem rechnerischen Betriebsfestigkeitsnachweis werden im Kompetenzzentrum Leichtbau auch Betriebsfestigkeitsversuche mit Hilfe einer servohydraulischen Versuchseinrichtung durchgeführt.

Produktionsweise auch für andere Fahrzeugtypen vorgesehen

Am Projektende werden Werkzeuge für die Entwicklung und Herstellung von Hybridkonstruktionen mit zellularen Verbundwerkstoffen sowie ein Prototyp eines Leichtbau-Chassis-Segments bereit stehen. Die entwickelte Technologie soll auch auf andere Fahrzeugkonzepte, wie z.B. Kleintransporter und PKW, transferierbar sein. Ein weiterer mittelfristiger Aspekt für die Leichtbauziele ist die Möglichkeit, neuartige  Antriebskonzepte in einem solchen Leichtbaufahrzeug zu integrieren. Dieses können Hybridantriebe sein, die auch rein elektrisch betrieben auf Grund der Gewichtsreduzierung im Gesamtfahrzeug bei moderaten Batteriekapazitäten eine hohe Reichweite aufweisen.

Die Verbundpartner sehen ein großes Marktpotenzial für den Einsatz der zellularen Verbundwerkstoffe als Konstruktionswerkstoff in Tragstrukturen sowie crash-relevanten Strukturbauteilen im Fahrzeug- und Nutzfahrzeugbau. Die im Projekt zu erarbeitende Technologieplattform „LeitHyb“ stellt die Grundlage für die produktspezifische Entwicklungskette dar. Das Forschungsprojekt bietet darüber hinaus die Möglichkeit zur Promotion eines wissenschaftlichen Mitarbeiters in Kooperation mit der Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg.