Auf dem Weg zur Smart Factory – Digitalisieren, wo es Sinn macht

Veranstaltung aus der Reihe Digitalisierung und Transformation befasste sich mit dem Weg in die digitale Fabrik

Digitalisierung, Industrie 4.0 und veränderte Arbeitswelt bieten für Unternehmen und ihre Geschäftsmodelle enorme Herausforderungen aber auch Chancen. Die Veranstaltungsreihe „Digitalisierung und Transformation“ der Hochschule Landshut bietet in diesem Themenfeld Best Practice aus Sicht von Wissenschaft und Unternehmen. „Auf dem Weg zur digitalen Fabrik“ lautete das Thema der Veranstaltung am 12.06.2018, mehr als 100 Teilnehmer/innen zeigten die große Bedeutung, die Unternehmen der Digitalisierung beimessen. Vorträge von Prof. Dr. Jürgen Welter (Hochschule Landshut) und Jürgen Kramer (Siemens AG - Siemens Deutschland - Digital Factory) boten Einblicke in die Möglichkeiten der Digitalisierung bzw. Industrie 4.0 und den aktuellen Stand der Umsetzung in den Unternehmen.

Über die große Resonanz der Veranstaltung freute sich auch Hochschulpräsident Prof. Dr. Stoffel. In seiner Begrüßung hob er die Bedeutung der Themen Digitalisierung und Industrie 4.0 hervor, sie hätten eine Transformation der Wirtschaft, der Technik und der Arbeitswelt zur Folge und seien deshalb auch für die Hochschule Landshut besonders wichtig. Die aktuelle Veranstaltungsreihe, aber u.a. auch das Innovationslabor IoT (Internet of Things), das Technologiezentrum Produktion und Logistik (TZ PULS) der Hochschule oder auch geförderte hochschulübergreifende Projekte zeigen, dass sich die Hochschule intensiv in Lehre, Forschung und Transfer damit auseinandersetze.

Prof. Dr. Christian Seel, wissenschaftlicher Leiter der Veranstaltungsreihe, die vom Institut für technologiebasierte Zusammenarbeit der Hochschule organisiert wird, betonte das Potenzial der Digitalisierung aber auch die Frage nach der richtigen Herangehensweise. So habe die Fackelmann GmbH & Co. KG, Hersteller von Haushaltsartikeln und Badezimmermöbeln, seine Produktion im Zuge der Digitalisierung von China wieder nach Deutschland zurückverlagert, da sie sich durch den Einsatz von Robotern Kostenvorteile verspricht. Eine wichtige Frage sei, wo und in welchem Grade man die Digitalisierung umsetze. Tesla habe mittlerweile erkannt, dass eine zu hohe Automatisierung einer der Gründe für die Produktionsprobleme darstellt. „Man kann auch überdigitalisieren“, ist Prof. Dr. Seel überzeugt.

Sinnvollen Weg in die Digitalisierung finden

Dass sich je nach Unternehmen die Antwort auf die Frage nach Art und Grad der Einführung von Industrie 4.0 unterscheide, betonte auch Prof. Dr. Welter in seinem Vortrag "Digitale Produktionstechnik im Kontext von Industrie 4.0". Für einen Automobilhersteller mit hohen Stückzahlen werde die optimale Lösung anders aussehen, als bei Unternehmen mit weniger komplexen Produkten oder geringeren Stückzahlen. Unternehmen müssten zwischen den beiden Extremen klassischer analoger Produktionsablauf und Smart Factory, in der von vernetzten Maschinen in der Produktion über die Prozess- und Betriebsleitebene bis zur Unternehmensleitung alle Bereiche digitalisiert sind, einen sinnvollen Weg finden. Es sei eine wahre „Industrie 4.0-Panik“ entstanden, obwohl viele Zwischenschritte in Unternehmen bereits umgesetzt seien.

Das Ziel müsse gerade für KMUs lauten, den Menschen durch automatisierte Systeme zu unterstützen. Als in Unternehmen erprobte Beispiele nennt Prof. Dr. Welter z.B. eine gesteigerte Transparenz durch eine automatisierte, stets aktuelle Übersicht, welche Aufgaben in der Produktion bereits abgeschlossen oder noch in Arbeit sind. Dies ist auch auf den Wareneingang und die im Lager verfügbaren Rohstoffe anwendbar. Durch eine Ortung von Werkzeugen und Bauteilen könne die Zeitverschwendung für die Suche vermieden werden. Bei den genannten Beispielen könnte man mit Industrie 4.0-Lösungen schnell eine Effizienzsteigerung erreichen, die sich bereits in drei bis vier Jahren amortisiere.

Im Rahmen von Industrie 4.0 komme der Erzeugung von Daten, deren konsistenten Speicherung und effizienten Verknüpfung natürlich eine ganz besondere Bedeutung zu. Die externe Speicherung von Daten über Cloud-Dienstleister stelle eine einfache Möglichkeit mit wenig Aufwand dar. Allerdings sollten hier keine zeitkritischen, für die Produktion relevanten Daten gespeichert werden, da eine Unterbrechung der Datenverbindung einen Produktionsstopp zur Folge hätte. Auch müsse höchster Wert auf Sicherheit gelegt werden. Bei sensiblen Daten empfiehlt er, diese im Unternehmen zu belassen, beispielsweise über eine interne Automation Cloud-Lösung. Eine Grundlage für die herstellerunabhängige Vernetzung von Maschinen biete der neue Standard OPC UA (Open Platform Communications Unified Architecture). 

Digitalisierung verändert gesamte Wertschöpfungskette

Gerade bei älteren Maschinenanlagen in den Unternehmen ist die Generierung von Daten allerdings nicht vorgesehen, wie Jürgen Kramer in seinem Vortrag „Mit vernetzten Daten zur Smart Factory und neuen Geschäftsideen“, ausführte. Aktuell seien weniger als fünf Prozent der Anlagen und Maschinen in den Unternehmen in der Lage, Daten so zur Verfügung zu stellen, dass sie genutzt werden können. Die Digitalisierung befinde sich noch in einer frühen Phase, allerdings werde sie nicht nur die Produktion, sondern alle Lebensbereiche verändern. Er ruft die Unternehmen dazu auf, sich dem Thema zu stellen. Die Digitalisierung biete riesige Chancen, habe aber auch einen disruptiven Charakter: seit dem Jahr 2000 sei die Hälfte der damals weltweit größten Unternehmen verschwunden. Wesentlich schnellere Innovationszyklen bei gleichzeitigem Anspruch an hohe Flexibilität, Qualität und Effizienz stellen hohe Ansprüche an die Unternehmen. Dies bedeute nicht, mit aller Gewalt Industrie 4.0 in allen Bereichen einzuführen. Man dürfe nicht den Kopf in den Sand stecken, sondern müsse sich die Möglichkeiten anschauen und genau überlegen, was Sinn macht.

Trends wie intelligente Automatisierung, fortschrittliche Robotik oder additive Fertigung verwandeln die Industrie. Über Generatives Design oder intelligente Modelle, Wissensautomatisierung oder Analytik großer Datenmengen können auch Produkte auf neue Art und Weise zum Leben erweckt und weiterentwickelt werden. Unternehmen müssten die bereits vorhandenen Möglichkeiten nutzen und anfangen, sich entlang der gesamten Wertschöpfungskette in digitale Unternehmen zu verwandeln. Dies z.B. vom ersten Design von Maschinen über das Generieren von SPS-Codes und deren Validierung in der virtuellen Welt, über die Abbildung der Produktion bis hin zu den Services. Über einen „digitalen Zwilling“ könnten Informationen über die gesamte Kette ständig zurückgespiegelt und zur Qualitätssteigerung und Optimierung genutzt werden.

Siemens biete mit der Kollaborations-Plattform MindSphere ein cloudbasiertes offenes IoT-Betriebssystem, das die Verbindung der Maschinen und der physischen Infrastruktur zur digitalen Welt ermöglicht und so eine Vernetzung über das gesamte Unternehmen hinweg ermöglicht. Nicht vernetzte Insellösungen in der Produktion werden von den Unternehmen nicht mehr nachgefragt werden, die Hersteller müssten um ihre Anlagen auch künftig vertreiben zu können für Vernetzungsmöglichkeiten und die Nutzung von Standards sorgen. Hier biete die Digitalisierung auch enorme Chancen für neue Geschäftsmodelle. Dies z.B. im Bereich der „predictive maintenance“, die eine Wartung von Maschinen bei Bedarf und nicht nach festgelegten Zyklen erlaubt. „Verschlagen Sie die Digitalisierung nicht, nutzen Sie ihr Potenzial“, fordert er die Besucher auf. 

Die vielen Fragen aus dem Publikum im Anschluss an die Vorträge sowie die lebhaften Diskussionen beim abschließenden get together zeigten deutlich das große Interesse und den erkannten Handlungsbedarf der Unternehmen auf dem Weg in die Digitalisierung. Die nächste Veranstaltung der Reihe Digitalisierung und Transformation ist für den 13. November 2018 geplant und wird das wichtige Thema Datensicherheit aufgreifen. Aktuelle Informationen zur Reihe immer unter www.haw-landshut.de/digitalisierung.