Zusammenspiel Mensch-Roboter als komplexe Herausforderung

Neue Veranstaltungsreihe „Digitalisierung und Transformation“ der Hochschule Landshut erfolgreich gestartet

In einer neuen Veranstaltungsreihe greift die Hochschule Landshut einmal pro Semester das wichtige Thema „Digitalisierung und Transformation“ auf. Bei der Auftaktveranstaltung zum Thema „Mensch-Roboter Kollaboration“ am 8. November 2017 zeigten die Referenten Prof. Dr. Mareczek (Hochschule Landshut) und Dr. Breitenbach (EDAG Production Solutions GmbH & Co. KG, Fulda) die vielfältigen Möglichkeiten einer neuen Generation von Leichtbaurobotern in direkter Zusammenarbeit mit dem Menschen. Sie verdeutlichten aber auch die schwierige Suche nach Einsatzgebieten in der Produktion, die gerade wegen der erforderlichen hohen und nicht klar definierten Sicherheitsstandards aufwändig sei.

Hochschulpräsident Prof. Dr. Stoffel betonte die große Bedeutung des Themas Digitalisierung für die Wirtschaft und Gesellschaft und damit auch für die Hochschule Landshut. Vor rund eineinhalb Jahren habe man eine Digitalisierungsstrategie erarbeitet, in der neben Lehre und Forschung besonders auch der Technologie- und Wissenstransfer in die Unternehmen der Region, aber auch von diesen in die Hochschule, eine große Rolle spiele. Die neue Veranstaltungsreihe, in der sowohl die Sicht der Wissenschaft als auch der Praxis in Unternehmen beleuchtet werde, sei ein zusätzliches wichtiges Instrument, wie die rund 80 Teilnehmer zumeist aus Unternehmen zeigten, den Kontakt von Hochschule und Unternehmen zu stärken.

„Sie machen alle schon Digitalisierung, sie nennen es nur nicht so“, erklärte der wissenschaftliche Leiter der Veranstaltung, Prof. Dr. Christian Seel (Fakultät Informatik, Hochschule Landshut), in seiner Themeneinführung. Seit Jahren verwende man digitale Anwendungen, gerade in den letzten Jahren habe das Thema aber enorm an Fahrt aufgenommen. „Sie können sich dem Thema nicht mehr entziehen, aber es aktiv gestalten“, plädiert er an die Teilnehmer. Anwendungsfelder wie robotergesteuerte Prozessautomatisierung, beispielsweise führen Softwareroboter bei der Technikhotline automatisierte Sachbearbeiteraufgaben durch, oder der „Postbot“-Roboter, der Briefzusteller begleitet, zeigen für Prof. Dr. Seel, dass digitale Hilfsmittel für Routineaufgaben schon recht gut funktionieren.

Es reiche aber nicht, sich einmal mit dem Thema auseinanderzusetzen, es seien ständig Neuentwicklungen und neue Herausforderungen zu berücksichtigen. Die Digitalisierung dringe in immer mehr Lebensbereiche vor, gerade die Interaktion Mensch-Roboter biete der Wirtschaft vielfältige Möglichkeiten.

Leichtbau-Roboter können Fähigkeitslücken der Menschen schließen

Die Absatzzahlen von Industrieroboter steigen seit den 90er Jahren. Diese großen, meist in der Serienfertigung eingesetzten Roboter, führen ihre Aufgaben aus Sicherheitsgründen in vom Menschen abgeschotteten Zellen durch. Erst neueste Entwicklungen im Rahmen der Digitalisierung haben eine neue Art von Leichtbaurobotern ermöglicht, die die direkte Zusammenarbeit (Kollaboration) von Mensch und Roboter erlauben, wie Prof. Dr. Jörg Mareczek (Hochschule Landshut) in seinem Vortrag „Einsatz von Leichtbau-Roboterarmen zur Mensch-Roboter Kollaboration“ erläuterte. Die Basis bildeten eine verbesserte Motortechnologie bzw. -steuerung, die Leichtbauoptimierung per Finite Elemente Methode (FEM), der Einsatz von Leichtbauwerkstoffen wie CFK sowie die Verbesserung der Wiederholgenauigkeit durch verbesserte Mechatronik und Regelungsverfahren.

Stärken der bisherigen Industrieroboter seien schnell wiederholte Tätigkeiten mit hoher Präzision, durchgehende Einsatz- und genaue Taktzeiten. Für den erfolgreichen Einsatz der neuen Leichtbau-Roboter entscheide die Wirtschaftlichkeit, es sei wichtig hier Nischen zu finden, in denen eine Automatisierung bisher nicht möglich oder wirtschaftlich nicht abbildbar war. Die Lösung sieht er in hybriden Fertigungszellen, in denen „Kollaborative Roboter“ (CoBots) die Fähigkeitslücken der Werker schließen und in denen Mensch und Roboter zusammenarbeiten.

Vorteile dieser Roboter seien das geringe Gewicht, eine hohe Nutzlast bei geringem Eigengewicht, kleiner Bauraum und einfache Energieversorgung sowie eine 7. Gelenkachse bzw. Freiheitsgrad. Dieser erlauben ein Bauteil unbewegt zu lassen, während die anderen Achsen ihre Position verändern, beispielsweise wenn der Roboterarm vom Werker weggedrückt wird. Sie können damit flexibel eingesetzt werden und für Menschen ergonomisch herausfordernde oder auch langweilige Tätigkeiten ausführen. Auch können die Verteilung der Arbeitsgaben zwischen CoBot und Mitarbeiter stufenlos verändert werden. Neben der industriellen Fertigung seine zahlreiche Einsatzmöglichkeiten denkbar, dies von Service Robotern, die Hol- und Bring-Dienste in Pflegestationen ausführen, bis hin zu Master-Slave-Systemen, in denen Menschen aus der Entfernung einen Roboter vor Ort bedienen, geeignet beispielsweise zum Rückbau von Atomanlagen.

Industrieller Einsatz komplexe Herausforderung

Doch schafft die Zusammenarbeit von Mensch und Roboter auch neue Herausforderungen: Dies bei der Sicherheit des Menschen, die bei der Kollaboration mit den neuen Roboter das wichtigste Gebot darstelle. Auch müsse die Arbeitsgeschwindigkeit der Roboter auf den Menschen angepasst werden und nicht umgekehrt, um ein effizientes Miteinander zu ermöglichen. Welches zusätzliche Potenzial der Einsatz von künstlicher Intelligenz diesen Systemen bieten werden, sei eine spannende Frage für die Zukunft.
Dr. Frank Breitenbach (EDAG Production Solutions GmbH & Co. KG, Fulda) betonte in seinem Vortrag „MRK – eine geniale Lösung sucht ihr Problem“ das Potenzial aber auch Komplexität des Themas MRK bzw. des industriellen Einsatzes von CoBots. Technologische Entwicklung schaffe neue Möglichkeiten, die man in der Industrie aber nur einsetze, „wenn es Sinn macht“. Gerade aus ergonomischen Gründen, z.B. beim Arbeiten über Kopf, bei abfallender Qualität durch stumpfsinnige Tätigkeiten oder aus Platzersparnisgründen, könne es sinnvoll sein, auf die neuen Leichtbau-Roboter zu setzen. Besonders die Montage biete ein interessantes Anwendungsfeld für CoBots, umgesetzt habe man z.B. den Einsatz in der Getriebevormontage oder das Setzen von Stopfen.

Die richtigen Anwendungsfelder zu finden, hänge von zahlreichen Faktoren ab: Dazu gehören die Schwierigkeit der Aufgaben, Stückzahlen oder die durch die Beteiligung des Menschen erforderliche verlangsamte Produktionsgeschwindigkeit. Neben technischen Herausforderungen wie feine Sensorik, Drehmomentsteuerung usw. stellen besonders die erforderliche Sicherheitsanalyse und ein Sicherheitskonzept eine große Herausforderung dar. Diese seien zwingend erforderlich, um die Sicherheit bei der Zusammenarbeit zwischen Mensch und Roboter gewährleisten zu können.

Speziell den Sicherheitsaspekt beleuchtete Sebastian Häring, Absolvent des Masterstudiengangs Wirtschaftsingenieurwesen der Hochschule Landshut, der sich in seiner Abschlussarbeit für EDAG u.a. mit dieser Problematik auseinandergesetzt hatte. Schon die Normenlage sei schwierig, einzig die ISO/TS 15066 regle MRK-Sicherheitsanforderungen, biete biomechanische Grenzwerte für die Kollisionen zwischen Roboter und Personen. Für verschiedene Körperregionen - eine Kollision mit Hals oder Kopf müsse grundsätzlich ausgeschlossen sein - seien erlaubte Kraft-Drucke festgelegt. Das Modell erlaube zwar, die maximale Robotergeschwindigkeit zu ermitteln, gehe aber von unrealistischen homogenen Druckverteilungen aus und berücksichtige die Geschwindigkeit des Menschen nicht. Erst mit einem existierenden CoRob-System könne man die entsprechenden aufwändigen Tests durchführen. Bei der Konstruktion der Systeme müsse auch die Bewegungsbahn der Roboter im Zusammenspiel mit dem Operator sowie der gesamten Arbeitsplatz mit einbezogen werden. Die Werkstücke müssten MRK-gerecht konstruiert und deren Gewicht berücksichtigt werden, da es Auswirkungen auf die Robotergeschwindigkeit und damit die Arbeitssicherheit habe.

Insgesamt sei die Komplexität bei der Entwicklung von MRK-Systemen hoch und damit kostenintensiv. Die beiden EDAG-Referenten, der im Bereich Ingenieurdienstleistungen tätiger Konzern gilt als weltweit größter unabhängiger Entwicklungspartner der Automobil- und Luftfahrtindustrie, betonten aber das große Potenzial der Zusammenarbeit von Roboter und Mensch, das sich wie viele Technologien weiterentwickeln und durchsetzen werde.