Mit Innovationen zu Nachhaltigkeit und „Zukunftskunst“

Abschließende Veranstaltung der Reihe Technologie- und Innovationsmanagement befasste sich mit der dringend notwendigen Nachhaltigkeit in Industrie und Gesellschaft.

Einmal im Semester befasst sich seit 2014 eine Veranstaltungsreihe an der Hochschule Landshut mit dem für Unternehmen wichtigen Technologie- und Innovationsmanagement. In der zehnten und letzten Veranstaltung der Reihe am 17. Oktober 2018 lautete das Thema „Nachhaltigkeit als Innovationschance“. Vorträge von Sarah Schwellinger (DRÄXLMAIER Group) und Prof. Dr. Markus Schmitt (Hochschule Landshut) zeigten, dass Nachhaltigkeit und Innovationen sich gegenseitig bedingen und ein Umdenken der Wirtschaft nötig aber auch möglich ist, um auch kommenden Generationen die Chance auf Bedürfnisbefriedigung zu erhalten.

Interdisziplinarität sei ein Merkmal der Hochschule Landshut, aber auch eine Voraussetzung für Nachhaltigkeit, wie Vizepräsidentin Prof. Dr. Petra Tippmann-Krayer in ihrer Begrüßung erklärte. Sie freute sich besonders, unter den rund 70 Gästen viele Unternehmensvertreter, aber auch Studierende begrüßen zu können. Prof. Dr. Schmitt, wissenschaftlicher Leiter der Veranstaltung gab einen kurzen Rückblick über die zehn Veranstaltungen der Vortragsreihe rund um das Thema Innovation und bedankte sich bei den Partnern Deutsche Gesellschaft für Qualität (DGQ) und Verband Deutscher Wirtschaftsingenieure e.V. (VWI) sowie allen Beteiligten. Gerade das abschließende Thema Nachhaltigkeit ist ihm ein Anliegen: Denn zwar hätten Innovationen zum heutigen Wohlstand geführt, allerdings sei dieser nicht nachhaltig und müsse deshalb durch neues Denken und Handeln neu erarbeitet werden.

Nachhaltigkeit entlang der gesamten Lieferkette

Wie komplex die Herausforderungen einer nachhaltigen Produktion sind, aber auch ein positives Beispiel aus dem Unternehmen, zeigte Nachhaltigkeitsmanagerin Sarah Schwellinger in ihrem Vortrag „Innovationen, die die Welt (nicht) braucht: Von den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen zur betrieblichen Umsetzung“. Darin betonte sie, dass Innovationen nachhaltig sein sollten, umgekehrt aber Nachhaltigkeit dringend Innovationen brauche. Nur durch nachhaltige Innovationen könne das Ziel, die Erderwärmung unter zwei Grad zu halten, eingehalten werden.  Für die Wirtschaft könne das wirtschaftliche Potenzial, das auf 12 Billiarden US-Dollar geschätzt werde, eine Motivation sein, nachhaltiges Denken zu forcieren.  

Am Beispiel der Türinnenverkleidung des BMW i3 zeigte sie ein positives Beispiel aber auch die Komplexität der Aufgabe Nachhaltigkeit. Die Verkleidung wird aus der Kenaf-Faser, gewonnen aus einer Jutepflanze, die überdurchschnittlich viel CO2 in Sauerstoff umwandelt, unter Berücksichtigung der gesamten Lieferkette produziert. In einem zwei Jahre laufenden Projekt wurde die Lieferkette - von den produzierenden Landwirten in Bangladesch über sämtliche Zwischenhändler bis hin zur Produktion - analysiert und hinterfragt. Beispielsweise seien die Qualitätsanforderungen mit den Landwirten besprochen worden, diese hätten daraufhin den Anbau verändert, konnten so höherqualitative Fasern liefern und damit mehr Geld verdienen.  

Die UN hat beim Nachhaltigkeitsgipfel 2015 in der „Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung“ 17 Nachhaltigkeitsziele (SDGs) festgelegt, diese umfassen grundlegende Verbesserungen der Lebensverhältnisse aller Menschen heute und in künftigen Generationen sowie den Schutz des Planeten Erde. Und hier wird die Komplexität der Herausforderung deutlich: Das Beispiel der Türverkleidung aus nachwachsenden Rohstoffen habe durch Ressourceneffizienz, Gewichtsreduzierung, CO2-Einsparung sowie den Beitrag zur E-Mobility positive Auswirkungen auf einige Ziele, könnte aber vielen anderen wiedersprechen, wenn man den Nachhaltigkeitsgedanken nicht konsequent verfolgt. „Wir müssen genauer hinschauen, das ist anstrengend und unbequem“, ist sie überzeugt. Grundlegend seien die Betrachtung der gesamten Lieferkette sowie neue Kooperationsformen und der Aufbau von neuen Kompetenzen. Und sie gibt zu bedenken, dass selbst, wenn es der Industrie gelinge, alle siebzehn Ziele im Auge zu behalten, ein Miteinander von Wissenschaft, Bildungseinrichtungen, Industrie und Gesellschaft ebenso wie ein Umdenken des Einzelnen und seines Konsumverhaltens nötig seien, um Nachhaltigkeit erreichen zu können.

Nachhaltigkeit durch die Zusammarbeit aller Kräfte und das Verhalten des Einzelnen

Die Bedeutung einer nachhaltigen Produktion verdeutlichte auch Prof. Dr. Markus Schmitt in seinem Vortrag „Doughnut, Budget und Zukunftskunst: Warum uns Nachhaltigkeit so schwer fällt – und Lösungsansätze“. Nachhaltigkeit bedeute: Die Menschheit lebt wirtschaftlich effizient, sozial gerecht sowie ökologisch verträglich – und dies auch für künftige Generationen. Zwar fuße der aktuelle Wohlstand auf einem enormen Wachstum, dies aber auf Kosten von Rohstoffen und der Natur, insbesondere des Klimas. Auch die Einkommen seien weltweit extrem ungleich verteilt, fast jeder zehnte Mensch lebe unterhalb der Grenze absoluter Armut. Ein Umdenken sei dringend erforderlich, gerade, um auch kommenden Generationen ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen und um das Klimaziel von weniger als zwei Grad Erderwärmung schaffen zu können.

Die CO2-Emissionen hätten sich von 1950 bis 2015 etwa vervierfacht, von rund 10 Gigatonnen (Gt) auf knapp 40 Gt jährlich. Um das Klimaziel erreichen zu können, müsste der CO2-Ausstoß ab 2020 alle 10 Jahre halbiert werden. Wissenschaftler hätten neun planetare Grenzen und zwölf soziale Errungenschaften definiert, die in einem ringförmigen Bild veranschaulicht werden, ähnlich der Form eines „Doughnut“. Nur wenn man sich innerhalb dieses Doughnut bewege, sei ein materiell sicheres und sozial gerechtes Leben der Menschen auf dem Planeten nicht gefährdet. Der Grenzwert für die CO2-Konzentration in der Atmosphäre, die die Erdtemperatur wesentlich mitbestimmt, ist nur eine der planetaren Grenzen, die bereits heute bei weitem überschritten werden, z.B. seien auch schon 40 Prozent des weltweiten Waldes abgeholzt, es hätten aber nicht mehr als 25 Prozent sein sollen.

Nachhaltigkeit erfordere viele Innovationen, aber auch staatliches Handeln. Dies vom EU-Emissionshandel über den Entfall der Subventionen für fossile Brennstoffe bis hin zu einer Strategie für reduzierten Lebensmittelabfall und Fleischkonsum. Auch er plädiert für ein Zusammenwirken aller Kräfte aus Zivilgesellschaft, Politik, Unternehmen, Wissenschaft und Individuen, um gemeinsam Lösungen zu finden.  Große Bedeutung habe das Verhalten des Einzelnen, eine Art „Zukunftskunst“ müsse entwickelt werden. Eine Wende sei in den Bereichen Energie, Mobilität, Wohlstand und Konsum, Ressourcen, Ernährung, Industrie und auch Urbanität gefordert.

Prof. Dr. Schmitt stellte Innovationschancen vor, die sich aus den Nachhaltigkeitsanforderungen ergeben, und zeigte dazu Beispiele von Unternehmen sowie neuere Wirtschaftsmodelle: Dies vom  optimierten Ressourceneinsatz bis hin zur Kreislaufwirtschaft, einer veränderten Kundenbeziehung, die beispielsweise Funktion statt Eigentum liefert, über eine Postwachstumswirtschaft bis hin zum geänderten Selbstverständnis und einer Gemeinwohlökonomie. Die beiden Referenten sind sich einig, dass der Weg in die Nachhaltigkeit und ein Umdenken schwierig aber möglich sind. Es beginne beim Verhalten des Einzelnen und erfordere die Zusammenarbeit aller, um die nötigen Innnovationen und Nachhaltigkeit schaffen zu können.