Familien in neuen Formen stehen vor vielen Herausforderungen

Diskussionsreihe „Ortswechsel“ der Hochschule Landshut gestartet

Unter dem Motto „Richtig beieinander? – Familien in neuen Formen“ startete am Mittwoch im Landshuter Salzstadel die Diskussionsreihe Ortswechsel. Der Name Ortswechsel steht für die Idee, die Hochschule in die Stadt zu bringen und ist in der Kooperation von Hochschule Landshut und den Gleichstellungsbeauftragten von Stadt und Landkreis Landshut begründet. Der gegenwärtige Wandel in Gesellschaft und Ökonomie zeigt sich in Familie, Arbeitswelt, Wirtschaft und Kultur. Die Auswirkungen dieses Wandels zu beleuchten, hat sich die Veranstaltungsreihe Ortswechsel zum Ziel gesetzt.

Präsident Prof. Dr. Karl Stoffel präsentierte die Hochschule als positiven Impulsgeber für die Region, der mit der Veranstaltungsreihe für Begegnungen und Kontroversen zwischen Wissenschaft, Politik und Praxis sorgen möchte. Die Auftaktveranstaltung beleuchtete neue Familienformen und welche Veränderungen für Familien und deren Alltag aus dem Wandel resultieren. Das Thema Familienfreundlichkeit bekomme zunehmend Bedeutung, sagte Prof. Dr. Stoffel. „Die Hochschule hat sich der Vereinbarkeit von Familie und Beruf verpflichtet und sich 2009 als familiengerechte Hochschule zertifizieren lassen, im März dieses Jahres wurde das Zertifikat bestätigt.“

Familie im Wandel

Moderatorin Prof. Dr. Barbara Thiessen aus der Fakultät Soziale Arbeit der Hochschule Landshut führte ins Thema der Auftaktdiskussion „richtig beieinander – Familie in neuen Formen“ ein und stellte die Referenten vor. Die entscheidende Frage in der Diskussion um die neuen Formen mit gleichgeschlechtlichen Eltern, Ein-Eltern- und Patchwork-Familien müsse sein, „wie es dem Kind dabei geht“, sagte Andrea Buschner vom Staatsinstitut für Familienforschung an der Universität Bamberg. „Vielfalt in Lebens- und Familienformen hat es immer gegeben. Nur warum diese entstehen, ist heute anders“. Früher habe es mehr Verwitwete und deshalb Stiefpartner gegeben, heute seien viele nach Trennungen Alleinerziehend oder bildeten mit neuen Partnern eine Patchwork-Familie. Ihre Untersuchungsergebnisse zeigen keinen Zusammenhang zwischen Familienform und dem Wohlergehen von Kindern.

„Familien tun sich schwer, sich dem gesellschaftlichen Wandel anzupassen“, sagte Prof. Dr. Johannes Schröter, Vorsitzender des Landesverbandes Bayern des Familienbundes der Katholiken. Er stellte die Rollenmodelle auf den Prüfstand. Der Wandel von der Agrar- zur Industriegesellschaft habe die Rollen der Geschlechter, das Klima, die Demographie, die Gesellschaft verändert. „Unsere Rollenmodelle haben Jahrzehnte überlebt, machen aber in der Gesellschaft heute nicht unbedingt Sinn“, sagte Schröter.

Immer mehr Unsicherheit in der Erziehung

Die Familienbildung zu fördern und zu unterstützen, hat sich der Verein Menschenskinder e.V. Landshut zum Ziel gesetzt. Seit 13 Jahren arbeitet Heidi Walter mit Familien und hat festgestellt, dass vor allem Familien mit sehr kleinen Kindern meist in herkömmlichen Bindungen lebten. Die Rahmenbedingungen hätten sich jedoch verändert. „Die Eltern sind heute älter, zwischen 30 und 40 Jahre, es gibt mehr Eltern ohne Trauschein“. Eltern beschäftige die Frage, wie sie ihr Kind optimal fördern können, sie seien unglaublich belesen, aber auch extrem unsicher in der Erziehung. „Das Bauchgefühl fehlt“, sagte Heidi Walter.

Über das Familienrecht sprach die Frauenbeauftragte der Hochschule Landshut, Prof. Dr. Bettina Kühbeck. Ehe und Familie stehen laut Gesetz unter besonderem Schutz der öffentlichen Ordnung. In die Gestaltung von Ehe und Familie dürfe der Staat nicht eingreifen. „Jedoch ist im Grundgesetz nicht definiert, was Familie bedeutet, diese Lücke muss das Bundesverfassungsgericht schließen“. Familie ist demnach nicht mehr abhängig von besonderen Lebensformen, sondern ist dort wo Kinder leben.

Neue Begrifflichkeiten für neue Familienformen

Allen Referenten der Ortswechsel-Auftaktveranstaltung fehlten Begrifflichkeiten für die neuen Familien- und Lebensformen. „In Schulbüchern findet man keine „richtige“ Oma, den Halbbruder oder Stiefvater. Die Begrifflichkeiten fehlen und damit auch die Orientierung“, sagte Andrea Buschner. Auch Heidi Walter hörte bisher keine neuen Worte, die etwas über das Zustandekommen der Familie aussagten. „Die zweite Oma, die neue Partnerin des Papas, wer hat was zu sagen, wer redet mit, - da stellen wir neue Schwierigkeiten fest“. Gemeinsam mit dem interessierten Publikum diskutierten die Teilnehmer am Podium Fragen, wie viel Mütter arbeiten können, sollen und wollen, wie Kindererziehung und Hausarbeit aufgeteilt sind und welche Möglichkeiten Wirtschaft, Politik und Gesellschaft zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf tatsächlich anbieten.

Zum Schluss einer angeregten Diskussion fragte Prof. Dr. Barbara Thiessen nach den Zukunftserwartungen der Referenten. Heidi Walter hofft, dass Familien mehr Stabilität und Zuversicht gewinnen. Zeit sei der entscheidende Faktor. „Eltern dürfen für die Zeit, die sie in Kinder investieren, nicht immer draufzahlen.“

Prof. Dr. Bettina Kühbeck betonte, dass auf keinen Fall mehr Gesetze gebraucht würden, um den Schutz der Familie zu verbessern. „Das Recht muss die verschiedenen Familienformen besser beachten und Begrifflichkeiten finden“.
Für Prof. Dr. Johannes Schröter sind Achtung und Bild des Menschen entscheidend. „Ist der Mensch ein Rädchen im Getriebe mit einem wirtschaftlichen Nutzen oder Ziel des ganzen?“ Auch Andrea Buschner glaubt, dass die Verbindlichkeit eines bestimmten Familienleitbildes bröckeln und es verschiedene neue Modelle geben wird, die Familie ausmachen.

Die Veranstaltungsreihe „Ortswechsel“ beleuchtet als nächstes das Thema „geschlechtergerecht unterwegs?“ – Mobilität und Regionalentwicklung. Die Podiumsdiskussion findet am 11. Dezember um 19 Uhr im Salzstadel Landshut statt.