Fachtag "Kinderrechte im Kontext freiheitsentziehender Maßnahmen"

Freiheitsentziehende und -beschränkende Maßnahmen sind keine Pädagogik - Kontroverse Diskussionen auf einer Fachtagung an der Hochschule Landshut

Landshut, 22.06.2018 Neue gesetzliche Regelungen, die seit Herbst 2017 für Einrichtungen in Kraft gesetzt wurden, die mit jungen Menschen mit Behinderung oder einem erzieherischen Bedarf arbeiten, waren das Thema eines Fachtags an der Hochschule Landshut. Der Einladung waren über 100 Fachkräfte, Einrichtungsleitun-gen und VertreterInnen aus zuständigen Behörden aus ganz Bayern gefolgt, die Vorträge aus der Schweiz und der Region, aber auch streitbare Diskussionen erlebten. Uneins war man sich darüber, wie die Umsetzung der Neuregelungen und die damit beabsichtigte Reduzierung von freiheitsentziehenden oder freiheitseinschränkenden Maßnahmen nun bewerkstelligt werden kann: durch die Verbesserung von Ressourcen in den Einrichtungen, durch die Änderung professioneller Haltungen, die konse-quente Umsetzung von Beschwerde- und Beteiligungsmöglichkeiten oder durch ein-richtungsspezifische Schutzkonzepte für Kinder und Jugendliche.
Eingeladen zum Fachtag hatte neben der Fakultät Soziale Arbeit auch die Regierung von Niederbayern; das Bayerische Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales förderte die Tagung finanziell. Der Betreuungsrichter Dr. Sebastian Kirsch vom Amtsgericht Garmisch-Partenkirchen stellte zu Beginn die neuen gesetzlichen Rege-lungen im BGB vor, die dann Anwendung finden, wenn freiheitsentziehende Maß-nahmen in Einrichtungen aufgrund von Fremd- oder Selbstgefährdung eingesetzt werden sollen. Hier bedarf es nunmehr immer einer Beantragung und fachlichen Be-gründung für derartige Maßnahmen seitens der Einrichtungen. Zudem ist ein richter-licher Beschluss notwendig, zumal es um die Einschränkung eines Grundrechts geht. Gründe für diese gesetzliche Neuregelung waren u.a. entlarvende Medienberichte über den ungerechtfertigten Ein- bzw. Wegschluss von besonders herausfordernden Kindern und Jugendlichen in Räumen bzw. deren Fixierung und eine damit einher-gehende scharfe Kritik von Kinderrechtlern mit Rückgriff auf die Behindertenrechts-konvention. Dr. Kirsch berichtete auch über den sogenannten „Werdenfelser Weg“, ein regionales Modell aus Garmisch-Partenkirchen, wo Richter, EinrichtungsvertreterInnen und sog. Verfahrensbeistände miteinander kooperieren und gemeinsame Standards in der Sache entwickeln. Der Verfahrensbeistand Ralph Bärthlein be-schrieb seine Aufgabe, die Wünsche des Betroffenen und seine besonderen Bedürf-nislagen herauszuarbeiten und diese dem bestellenden Richter zu erläutern. Ab-schließend berichteten zwei Einrichtungsleiter über ihre Positionen zu freiheitsentziehenden und einschränkenden Maßnahmen, die für weitere Kontroversen sorgten. „Die Hochschule ist der Ort, an dem wir Raum schaffen für derartige herausfordernde Themen und Diskussionen, auch wenn man sich nicht immer einigen kann“, so Prof. Mechthild Wolff, die Mitorganisatorin und Moderatorin der Tagung.

Kontakt: Prof. Dr. Mechthild Wolff - HAW- Landshut - 0871-506-439