Was ist Digitalisierung?

Am Donnerstag startete die Ringvorlesung an der Hochschule Landshut zur Digitalisierung. Die Referenten spannten den Bogen von den technischen Grundlagen bis zu ethischen Fragen. Ein besonders diskutiertes Thema: autonomes Fahren.

„Sie werden heute mit mehr Fragen rausgehen als Sie Antworten bekommen“, versprach Johannes Krosch zu Beginn der Veranstaltung. Der Koordinator für Studium Generale an der Hochschule führte durch die erste Ringvorlesung über Digitalisierung, die auch simultan in Gebärdensprache übersetzt wurde. „Die Digitalisierung wird unsere Gesellschaft und unser Leben maßgeblich verändern“, fasste Krosch zusammen. Die Hochschule Landshut hat dem Thema sogar das ganze Semester gewidmet: Auch andere Veranstaltungen wie die Gründernacht und der Tag der Lehre werden sich damit auseinandersetzen, sagte Hochschulpräsident Prof. Dr. Karl Stoffel in seiner Begrüßung.

Warum digitalisieren wir eigentlich Daten, wo liegen die Vorteile? „Digitale Daten verschleißen nicht, indem man sie benutzt, kopiert oder aufbewahrt“, beschrieb Prof. Dr. Dieter Nazareth, Dekan der Fakultät Informatik. „Ein eReader zum Beispiel bekommt keine Eselsohren oder Fettflecken wie ein Buch.“ Dafür nimmt man in Kauf, dass digitale Daten weniger Informationen enthalten als analoge. Nazareths Beispiel: ein Quecksilberthermometer. Die Temperatur ließe sich darauf theoretisch unendlich genau ablesen. Ein digitales Thermometer dagegen beschränkt sich auf eine Stelle nach dem Komma. „Wir schränken unsere unendliche Welt ein, weil ein Computer nur einen endlichen Speicher besitzt“, fasst Nazareth zusammen. „Details werfen wir einfach weg.“

Seit 2002: digital überwiegt analog

Als Meilenstein nannte er das Jahr 2002: Seitdem gibt es mehr digitale als analoge Daten auf der Welt. Einen Weg zurück gebe es nicht. Wer die digitale Revolution verpasst, geht unter, meinte die zweite Referentin, Informatikerin Prof. Dr. Gudrun Schiedermeier. Als Beispiel nannte sie die Insolvenz des Quelle-Versandhauses: „Das Geschäftsmodell ähnelte dem von Amazon. Aber Quelle setzte eben noch auf den Katalog, nicht auf digitale Medien“, so Schiedermeier.

Mittlerweile muss man nicht mehr selbst bestellen. Smart Devices denken für den Menschen mit: Ein smarter Kühlschrank schlägt vielleicht ein Rezept vor, spielt das Kochvideo ab und bestellt die Zutaten online. Doch die Sicherheitsanforderungen müssten sich an den technischen Fortschritt anpassen, so Schiedermier: „Hier gibt es für Informatiker noch viel zu tun.“ Aber auch für die Gesellschaft: „Es gibt Überlegungen, dass Roboter in Zukunft Steuern zahlen könnten und so Menschen ein Einkommen ermöglichen.“

Welche Rolle spielt der Mensch überhaupt in der digitalisierten Welt? Mit dieser Frage ergänzte Theologe und Hochschulseelsorger Dr. Alfons Hämmerl die technische Seite der Vorträge. „Die Kommunikation wird immer interaktiver. Jeder kann jeden immer erreichen, das ist mittlerweile normal“, beschrieb Hämmerl. Das beeinflusse, wie die Menschen Privatsphäre definieren oder ihre Work-Life-Balance gestalten. Auch politische Teilhabe und Diskussion verändern sich – als Beispiel nannte Hämmerl, wie sich Menschen während des Arabischen Frühlings online vernetzten, um Aufstände und Revolutionen gegen autoritäre und korrupte Regime zu organisieren.

Wie wird die digitale Welt menschenwürdig?

Einen Nerv traf der Theologe, als er das autonome Fahren ansprach: „Wie soll ein Auto entscheiden, wenn es zum Beispiel die Wahl hat, einen oder drei Menschen zu überfahren?“ Das Urteil muss in den Algorithmen der Autosoftware verankert sein. Darauf stellte ein Student die Gegenfrage: „Sollen Softwareentwickler ihre ethischen Werte auf Maschinen übertragen?“ Das stieß ganz unterschiedliche Gedankengänge bei den rund 70 Zuhörern an. Wie kann man ethische Werte, Entscheidungen und Algorithmen demokratisch und gesetzlich festlegen? Bremst das Auto auch für eine Katze – und wenn es das Haustier des Fahrers ist?

Mehr Fragen als Antworten – der Moderator Krosch hat mit seiner anfänglichen Aussage Recht behalten. Doch vielleicht lassen sich einige in den weiteren fünf Vorlesungen klären:
27. Oktober: Big Data: Gefahr für Freiheit und Privatsphäre?
10. November: Die Roboter und Wir. Wo bleibt der Mensch?
17. November: Humanisierung in der Digitalisierung: Technik erleben und gestalten
24. November: Neue Anforderungen an das Controlling durch Industrie 4.0
8. Dezember: Kommunikation im Zeitalter der Digitalisierung