Digitalisierung für intelligente Arbeitswelt 4.0 nutzen

Podiumsdiskussion an der Hochschule Landshut befasste sich mit der Zukunft der Arbeit

Die Arbeitswelt steht vor enormen Veränderungen. In der Podiumsdiskussion „Arbeit 4.0: Zukunft der Arbeit im Zeichen der Digitalisierung“ an der Hochschule Landshut am 19. April 2018 befassten sich drei Personal-Experten mit der Frage, welche Veränderungen in den Unternehmen bereits Einzug gehalten haben und wie sich die Arbeit in Zukunft verändern wird bzw. soll.

Die Hochschule Landshut feiert aktuell ihr 40-jähriges Jubiläum, ein Teil der Feierlichkeiten bildet die Projektwoche „Zukunft der Arbeit“, in dessen Rahmen auch die Podiumsdiskussion, organisiert vom Institut für technologiebasierte Arbeit, stattfand. Die Digitalisierung wird die Arbeitswelt erheblich verändern, viele Arbeitsplätze werden wegfallen, viele hinzukommen und viele werden sich verändern, wie Hochschulpräsident Prof. Dr. Karls Stoffel in seiner Begrüßung erläuterte. Er freute sich ebenso wie die Initiatorin und Moderatorin der Veranstaltung, Prof. Dr. Valentina Speidel (Fakultät Betriebswirtschaft), über die trotz des schönen Wetters rund 120 Teilnehmer bei der Veranstaltung.

Die Arbeitswelt 4.0 sei durch die drei Faktoren Digitalisierung, Globalisierung und Individualisierung gerade der Generationen Y und Z bestimmt, wie Prof. Dr. Speidel in ihrer Themeneinführung erklärte. Dies habe Auswirkungen auf die Arbeitsorganisation, die zukunftsfähig gestaltet werden und z.B. flexible Arbeitszeitmodelle und eine Entkopplung von Arbeitsorten berücksichtigen müsse. Auch die Bereitschaft zur Weiterbildung werde immer wichtiger, mobile Learning-Anwendungen oder digitale Lernplattformen böten hier Potenzial. Für die Unternehmensleitung sei die Ambidextrie (Beidhändigkeit) eine besondere Herausforderung, einerseits müsse der laufende Geschäftsbetrieb sichergestellt, aber gleichzeitig das „alte“ Geschäftsmodell in Frage gestellt und in Richtung Digitalisierung erneuert werden. Dies mit einer immer heterogener werdenden Belegschaft.

Automobilindustrie vor besonderen Herausforderungen

Digitalisierung und Industrie 4.0 führen zu einer enormen Veränderung der Arbeitswelt, da waren sind sich Experten der Podiumsdiskussion einig. Dies treffe ganz besonders auch die Automobilindustrie, die sich bei Themen wie Autonomes Fahren, E-Mobility oder auch die Dieseldebatte in einem historischen Wandel befände, wie Barbara Burghardt (Leiterin Personalmanagement Einkaufsressort BMW Group und Personalleitung BMW Werk Landshut) erklärte. BMW baue gerade neue Kompetenzzentren auf, in denen die Rahmendbedingungen für „Neues Arbeiten“ geschaffen werden sollen. Dies reiche von wechselnden Arbeitsplätzen, der Chef müsse sich ebenso einen Schreibtisch suchen, wie die Mitarbeiter, bis hin zur Architektur von Gebäuden, die auch Auswirkungen auf Menschen habe. Sie ruft dazu auf, vor dem Hintergrund einer volativen Welt den Fokus auf das Wesentliche zu legen, sich zu überlegen, wo ein Unternehmen hin will und dabei ein Silodenken abzuschaffen und Bereiche aufzubrechen - hin zu agilen Strukturen. Moderne Arbeitswelten mit vernetzten Technologien, Mensch-Roboter Kollaboration werden Innovationen schaffen und verlangen auch andere Qualifikationen der Mitarbeiter. Wichtig ist ihr dabei besonders, dass Veränderung nur durch einen Kulturwandel möglich ist, Werte wie Verantwortung, Transparenz und Vertrauen seien grundlegend, um die Mitarbeiter mitzunehmen und die Geschäftsziele erreichen zu können.

Für Roland Polte (Geschäftsführer Human Resources, Dräxlmaier Group, Vilsbiburg) werden besonders die Themen connected, autonomes Fahren, car-sharing und E-Mobility enorme Auswirkungen auf die künftige Arbeitswelt im Automobilsektor haben. Eine besondere Herausforderung sei, dass unterschiedliche Generationen mit verschiedenen Wertvorstellungen im Gesamtsystem zusammenarbeiten müssen. Positiver Aspekt der Digitalisierung sei, dass der durch die demografische Entwicklung verursachte Schwund an Mitarbeitern/innen aufgefangen werden könne. Trotz aller technischer Veränderungen und Herausforderungen durch Industrie 4.0 müsse der Mensch aber Dirigent der Wertschöpfung bleiben. Die Digitalisierung werde in kleinen Schritten Peu á Peu Einzug halten. Die Veränderungen stellen Anforderungen sowohl an technische und fachliche Kompetenzen als auch an soziale Fähigkeiten und Methodenkenntnisse und haben damit große Auswirkungen auf das Recruiting von neuen Mitarbeitern/innen. 

Flexible Arbeitsmodelle nutzen wo es Sinn macht

Als Geschäftsführer des Beratungsunternehmens nextpractice und des nextpractice-Institutes für Komplexität und Wandel (Bremen), befasst sich Andreas Greve in vielen Projekten seit langem mit den Veränderungen durch Industrie 4.0 und in der Arbeitswelt. Für ihn liegt der Schwerpunkt in einer veränderten Kultur: „Kultur ist in der Lage, Strategie zum Frühstück zu essen“ ist er überzeugt. Für ihn ist es wichtig, differenziert zu betrachten, wo Digitalisierung Gewinn bringend eingesetzt werden kann, ein schlechter Prozess bleibe auch als digitalisierter Prozess schlecht. Für ihn spielt nicht nur die Unterscheidung in ältere Generationen und Generation X oder Y eine Rolle. Eine Studie habe gezeigt, dass es bei der Frage, wie Arbeit sein solle, sieben unterschiedliche Gruppen mit einer Vielfalt von Wertemustern gäbe, die Berücksichtigt werden müssten.

Die Digitalisierung schafft neue Möglichkeiten für flexible Arbeitszeitmodelle und Home-Office. Bereits jeder zehnte Mitarbeiter nutze bei Dräxlmaier flexible Arbeitszeitmodelle bzw. Home-Office, wie Polte erklärte. Eine Kontrolle im Home-Office sei nicht möglich und auch nicht gewünscht, denn wer am Arbeitsplatz effektiv arbeite, und das könnten die Führungskräfte einschätzen, werde auch zu Hause gut arbeiten. Gerade im Home-Office sei ein sehr kreatives Arbeiten möglich und die Abwesenheit am Arbeitsplatz durch die technischen Möglichkeiten nicht mehr zu bemerken, manche Führungskräfte stünden diesem Modell allerdings weniger offen gegenüber, wie Barbara Burghardt ihre Sicht erläuterte. In der Produktion gäbe es für flexible Modelle Grenzen, auch erfordern sie einen hohen Planungsaufwand. Andreas Greve gibt zusätzlich zu bedenken, dass Home-Office auch nicht von allen Mittarbeiter/innen gewünscht werde, nur 30 Prozent, so das Ergebnis einer Studie, wünschen sich einen Heimarbeitsplatz.

Gemeinsam mit Mitarbeitern/innen Innovationen schaffen

Insgesamt werden sich die Anforderungen an Mitarbeiter/innen von morgen ändern. Schlüsselkompetenzen seien soziale Skills, Offenheit und Internationalität, um in übergreifenden, örtlich nicht mehr gebundenen Teams arbeiten zu können, wie Burghardt erklärt. In kleinen kreativen Zellen könne man Themen vorantrieben, gestalten und viel für die Zukunft lernen. Digitale Fähigkeiten würden überall eine wichtige Rolle spielen. Dem stimmt auch Roland Polte zu: früher seien interkulturelle Trainings für Auslandsmitarbeiter ausreichend gewesen, heute sei die Frage in den Fokus gerückt, wie die unterschiedlichen Generationen ticken und wie sie zusammenarbeiten können. Man müsse eine Kultur schaffen, bei der alle Verantwortung übernehmen wollen.

Auch Graeve spricht sich dafür aus, den Mitarbeitern/innen mehr zuzutrauen, denn diese wollen gestalten. Allerdings muss für ihn die Diskussion über die Zukunft der Arbeit insgesamt neu konfiguriert werden. Deutschland gönne sich einen „Realitätsverlust“, sie blende wichtige Arbeitsbereiche aus. Es müsste auch die Frage nach Pflegepersonal oder Mitarbeitern auf dem Bau- oder im Handwerk gestellt werden, die auch in Zukunft dringend benötigt werden. Die Frage lautet für ihn, wie können wir digitale Tools in der Zusammenarbeit mit dem Menschen nutzen und dadurch Intelligenz zum Einsatz bringen. Gemeinsam müssten Ideen für die Zukunft entwickelt aus ausgewählt werden. Er lädt alle Teilnehmer ein, sich auf der Plattform www.nextpractice-forum.de mit diesen Themen zu befassen.