Reverse Engineering: Vom Datensatz zum digitalen Modell

Mit Reverse Engineering, zu deutsch Rückwärtsentwicklung, bezeichnet man die Nachkonstruktion eines bereits bestehenden Produktes.

Meist wird ein Produkt in seine Einzelteile zerlegt, um zu ermitteln, wie es zusammengesetzt wurde. Das Verfahren ermöglicht einem Unternehmen zum Beispiel, ein Produkt neu zu konstruieren. Typische Einsatzbereiche gibt es im Maschinenbau und in der Informationstechnik.

Wie groß das Anwendungsspektrum von Reverse Engineering ist, zeigt die Bachelorarbeit von Leopold Jagmann. Sein Thema: „Reverse Engineering am Beispiel eines historischen Dieseltriebzuges“. Hier wendet er das Verfahren auf einen Paradezug der Deutschen Bundesbahn an. Eisenbahnkenner wissen genau, was sich hinter dem Stichwort Baureihe VT 11.5 verbirgt. Es ist ein Dieseltriebzug der Deutschen Bundesbahn – die epochale Entwicklung auf dem Gebiet des deutschen Schienenfahrzeugbaus der 1950er Jahre. Damit stammt er aus einer Zeit, in der man noch ohne digitale Dokumente und Modelle arbeitete. Wenn für solche Anlagen ein Modell mit modernen Methoden nachgefertigt wird, dann ist das ein Fall für Handarbeit – oder aber für Reverse Engineering auf Basis von 3D-Messungen mit optischen Technologien und Software, mit der aus den Messdaten ein digitales Modell erstellt werden kann.

Genau hier setzte Jagmann an: Die vorliegenden 2D-Zeichnungsdaten des Maschinen- und eines Mittelwagens wandelte er anhand der Originaldaten maßstabsgetreu 1:20 in einen 3D-CAD-Datensatz um. „Das Ziel war es, die Daten so aufzubereiten, dass zum Abschluss ein 3D-Druckmodell sowohl des Triebwagens als auch eines Mittelwagens erzeugt werden konnte“, erläutert der Betreuer der Arbeit, Prof. Dr. Norbert Babel von der Fakultät Maschinenbau. Prof. Dr. Stefan-Alexander Arlt von der Fakultät Elektrotechnik und Wirtschaftsingenieurwesen, ein Kenner und Liebhaber alter Eisenbahnen, betreute die Arbeit als Zweitprüfer. Arlt ist Professor für Energietechnik an der Fakultät Elektrotechnik und Wirtschaftsingenieurwesen. „Die Aufgabe erforderte eine sehr strukturierte Vorgehensweise bei der Einzelmodell- und Baugruppenerstellung sowie genaue Überlegungen in Bezug auf die Verwendung zielführender Geometriefeatures unter Abwägung aller Vor- und Nachteile“, beschreibt er das aufwendige Vorgehen bei dieser Abschlussarbeit.

Wie gut Jagmann gearbeitet hat, konnte man an dem Ergebnis sehen, das der 3-D-Drucker hervorbrachte. Am Ende konnten alle drei, Jagmann und seine beiden Betreuer, das originalgetreue Modell des Paradezugs in den Händen halten.