Für passendes hybrides Projektmanagement auch Sales-Phase berücksichtigen

Netzwerkforum befasst sich mit der Entscheidung für das jeweils passende Projektmanagementvorgehen und zeigt Projektergebnisse sowie Praxiseinblicke.

„Mit modernem Projektmanagement zu besseren Ergebnissen“ lautete der Titel des Netzwerkforums Projektmanagement der Hochschule Landshut am 28. Oktober 2020. Mehr als 70 Teilnehmer/innen, darunter viele Absolventinnen und Absolventen des MBA-Weiterbildungsstudiengangs Systems and Projectmanagement, konnte Vizepräsident Prof. Dr. Holger Timinger, gleichzeitig Gründer und Leiter des Institute for Data and Process Science IDP, begrüßen. In seiner Eröffnung erläuterte er, dass bereits vor der aktuellen COVID19-Pandemie viele Managerinnen und Manager das eigene Umfeld und Geschäftsmodell als unsicher und wenig vorhersehbar bewertet hätten. Gründe hierfür sind laut entsprechenden Studien die Digitalisierung, Start-ups mit neuen Produkten und Vertriebskanälen und sich ändernde Werte in einer sich wandelnden Gesellschaft. Mit Corona sei eine neue Dimension an Unsicherheit hinzugekommen. „Gutes Projektmanagement kann helfen, Voraussetzungen zu schaffen, uns zukunftssicherer aufzustellen und schnell auf Veränderungen zu reagieren“ ist er überzeugt.

Im ersten Vortrag des Abends zeigte Martina Königbauer (wissenschaftliche Mitarbeiterin IDP, Coach und Dozentin) unter dem Thema „Hybrides Projektmanagement - was es ist und was es kann“ Ergebnisse aus dem Forschungsprojekt PRAGUE sowie aus ihrer praktischen Erfahrung. Gegenstand des Projektes PRAGUE (Self-Service Konfiguration von Projektmanagementmethode und -werkzeug) ist ein digitaler Assistent, der Unternehmen bei der Zusammenstellung eines passenden individuellen traditionellen und/oder agilen Vorgehens im Projektmanagement unterstützen soll. Gefördert wird das Projekt vom Bundesministerium für Bildung und Forschung.

Scrum und Kanban am häufigsten im Einsatz

In ihrem Projekt werden Vorgehensweisen und eine Software entwickelt, die Praktikerinnen und Praktiker dabei unterstützen soll, zum jeweils perfekten Vorgehensmodell zu kommen, wie Königbauer erklärt. Dabei müsse man sich anhand vieler Parameter analysieren, welche Denkmodelle, agil, traditionell oder hybrid, optimal passen. Hybrides Projektmanagement werde oft als Kombination von agil und traditionell verstanden, doch auch zwei agile oder zwei traditionelle Ansätze könnten kombiniert werden. Je nach Aufgabe könne die Kombination parallel, sequenziell oder integriert stattfinden.

Für das Projekt PRAGUE hat Königbauer eine Studie durchgeführt, bei der Expertinnen und Experten aus unterschiedlichen Bereichen und Branchen befragt wurden. Scrum und Kanban wurden dabei als am häufigsten genutzte und auch als am häufigsten miteinander kombinierte Vorgehensmodelle genannt. Die meisten hybriden Vorgehensmodelle funktionieren gut, so ein weiteres Ergebnis der Befragung. Die Kombination aus rein agilen Vorgehensmodellen könne ebenso wie die von agil-traditionellen funktionieren. Wichtig bei der Kombination mehrerer Vorgehensmodelle ist eine klare Rollenklärung und ein gutes, zu den Vorgehensmodellen passendes Führungsverständnis. Auch sollten Prozesse möglichst früh definiert und Trainings für das Projektmanagement zeitig durchgeführt werden. Als Risiken bei hybriden Vorgehensmodellen wurden insbesondere mangelnde Qualifikation und Erfahrung genannt. Auch sei es im traditionellen Reporting häufig nicht möglich, agile Daten zu bearbeiten.

Um das richtige hybride Vorgehensmodell zu finden, müsse man laut Königbauer erst die Projektphilosophie, dann Vorgehensmodelle und im Anschluss Methoden bestimmen. Insgesamt müsse man sich bei der Suche nach dem richtigen hybriden Modell in der Praxis die Frage nach dem Nutzwert für alle Beteiligten stellen: wer hat etwas davon und wer nicht? Königbauer warnt davor, nur deshalb agil zu arbeiten, weil es im Trend sei. Wichtig sei es, zu beachten, dass die Einführung neuer Modelle viel Zeit in Anspruch nähme, und auch, ob Vorgesetzte bereit seien, vom traditionellen hierarchischen und autoritären Führungsstil hin zu einem Servant Leader zu wechseln, der als Coach z.B. als Scrum-Master fungiert und so das Projektteam unterstützt.  

Risikomanagment beginnt bereits in der Sales-Phase

Mit „Risikomanagement als Erfolgsfaktor und Vertriebs-Asset für Projekte“ befasste sich anschließend David Schell, Gründer und Leiter des House of Projects in Deggendorf, im zweiten Vortrag des Abends. Risikomanagement in Projekten bedeute, sich erst einmal hinzusetzen und Risiken zu identifizieren, zu bewerten und Gegenmaßnahmen festzulegen. Er betonte, wie wichtig es sei, dies schon vor Projektbeginn in der Sales-Phase durchzuführen. Dadurch können Vertragslücken identifiziert und mögliche Auswirkungen bewertet und minimiert werden.

Checklisten oder EDV-Tools, wie z.B. Risk Register, könnten beim Risikomanagement wertvolle Unterstützung leisten. Schell stellte unter anderem ein sogenanntes Risk Sheet mit 112 Einzelrisiken, gruppiert in 19 Rubriken, vor, das Punkte wie „Managementunterstützung“ oder „Werkzeug fehlt“, enthält, an die man vielleicht nicht gedacht habe. Buzzwords wie „technische Probleme“ etc. seien hierbei wenig hilfreich. „Viele machen den Fehler, Risiken, Ursachen und Auswirkungen nicht klar voneinander zu trennen. Damit ist dann keine angemessene Reaktion auf mögliche Risiken möglich“, so Schell. Seiner Erfahrung nach sollten Risiken qualitativ bewertet werden, beispielsweise in Kategorien von small bis x-Large. Nach der Risikobewertung müssten alternative Risikostrategien entwickelt werden. Mögliche Lösungsansätze seien, die Risiken zu akzeptieren, Auswirkungen oder Eintrittswahrscheinlichkeiten zu reduzieren oder das Risiko durch den Abschluss von Versicherungen zu transferieren. Die schlechteste Risikostrategie sei, Risiken zu ignorieren.

Ehrlich währt am längsten

Viele Ursachen seien schon vor Projektbeginn während der Sales-Phase erkennbar, diese würden aber kaum systematisch aufgegriffen. Zu wenig Erfahrung des Projektteams, Restriktionen in der Zusammenarbeit oder auch fehlende Absprachen über Abnahme und Rollenverteilung: Mit je mehr Unklarheiten man starte, desto schwieriger werde das Projektmanagement. „Sales-Phase ist Risikovermeidungsphase“ erklärt Schell.

Für ihn gehört das Risikomanagement zu den wichtigsten Projektmanagementkompetenzen überhaupt. Anhand eines praktischen Beispiels zeigt er, wie dieses als wertvolles Vertriebs-Asset eingesetzt werden kann. Verknüpft mit einer ehrlichen Kommunikation kann ein gutes Risikomanagement die Basis für eine langwährende vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer sein. „Ehrlich währt am längsten“, ist Schell überzeugt, und ruft dazu auf, sich mit dem Thema Risikomanagement professionell auseinanderzusetzen.

Das Netzwerkforum Projektmanagement ist eine Vortrags- und Diskussionsreihe des Institutes for Data and Process Science (IDP) der Hochschule Landshut. Es findet einmal pro Semester statt und verknüpft die Aktivitäten im Bereich des Projektmanagements am IDP mit der unternehmerischen Praxis. Das nächste Netzwerkforum Projektmanagement ist für den 17. Juni 2021 vorgesehen. Aktuelle Informationen unter www.haw-landshut.de/netzwerkforum-pm.