Die Eurokrise aus Sicht eines Börsenexperten – oder: unangenehme Wahrheiten über die Eurokrise

Praxiswissen aus erster Hand erhielten die Studierenden des Bachelor Energiewirtschaft und Automobilwirtschaft und -technik sowie des Masters Wirtschaftsingenieurwesen bei einem Vortrag über die Eurokrise. Der Lehrbeauftragte Oliver Brockmann hatte den Diplom Politologen Tobias Karow eingeladen, der Verlagsleiter bei dem auf Stiftungswesen und Vermögensverwaltung spezialisierten Magazin "Die Stiftung". Er ist ferner unabhängiger Vermögensverwalter aus München. Vor über 100 Studenten/innen erläuterte der Referent viele interessante Aspekte und Hintergründe zu den Ursachen der Eurokrise. Zu Beginn warf der Referent kurz einen kritischen Blick auf die momentane politische Schelte gegen die Europeripheriestaaten. Dabei zeigte er auf, dass der griechische Staat in den letzten 150 Jahren zwar drei Mal Insolvenz anmelden musste, Deutschland aber sogar sieben Mal pleite war.

"Die ganze Welt lebt seit den 1980er Jahren über ihre Verhältnisse". Damit brachte der Referent die Zuhörer/innen zum Nachdenken und kam dabei direkt auf den Kern seines Vortrages: Den tieferliegenden Ursachen der aktuellen Krise. Karow zeigte auf, dass schon seit den 1960er Jahren in Japan und seit den 1990er Jahren in den USA versucht wurde, durch einen künstlichen Immobilienboom (durch niedrige Zinsen, Deregulierung der Finanzmärkte) die Wirtschaft anzukurbeln und Wachstum zu erzeugen. Viele Südstaaten in Europa haben bedingt durch die Konvergenz ihrer Zinsen auf ein günstiges deutsches Niveau seit der Euroeinführung, ebenfalls einen gigantischen Immobilienboom erlebt, der Mitte des letzten Jahrzehntes rasant zu Ende ging. Leider hat sich dieser Boom weltweit als künstlich und - wie zu erwarten war - als nicht nachhaltig erwiesen. "Immer wenn der Staat und die Zentralbanken in den Markt eingreifen und die Geldmenge und die Zinsen künstlich manipulieren kommt es langfristig zu einer Katastrophe". Vom Boom übrig geblieben sind leere Wohnungen, massive Verwerfungen der Realwirtschaft und ein gigantischer privater und staatlicher Schuldenberg. "Der positive Wohlstandseffekt hat sich massiv ins Negative verkehrt".

Karow verwies als Gegenmodell zur europäischen und amerikanischen Wirtschaftspolitik, die wie gezeigt vor allem auf einen schuldenfinanzierten privaten und staatlichen Konsum setzt, auf das Modell Chinas. Bei einer kürzlich durchgeführten Reise konnte sich Karow von den starken Anstrengungen des Reichs der Mitte wieder einmal vor Ort überzeugen, wie durch den Aufbau einer modernen Infrastruktur langfristig Wachstum und Wohlstand geschaffen wird.

Für Griechenland sieht der Referent langfristig nur die Möglichkeit durch Industrialisierung und den Aufbau eines neuen Geschäftsmodells (Beispiel Solarenergie) einen nachhaltigen Wachstumspfad einzuschlagen. Die Bemühung der Europäischen Zentralbank, die Schuldenkrise mit frischen Schulden zu lösen, lehnte der Referent kategorisch ab und verwies darauf, dass dies einem "Feuerlöschen mit Benzin" gleichkomme.

Nachdem dieser schuldenfinanzierte Wachstumszyklus jäh zu Ende gegangen ist, müssen die Schäden beseitigt werden. "Es wird sehr teuer für uns alle", so Karow. Neben den Möglichkeiten der Schuldenzurückzahlung durch Sparen ("unwahrscheinlich") und einem harten Schuldenschnitt ("Dann haben wir Bürgerkrieg") sieht Karow den einzigen Ausweg in einer sog. "finanziellen Repression". Dabei entschuldet der Staat sich auf Kosten der Bürger durch negative Realzinsen und dem Schließen von finanziellen Ausweichmöglichkeiten. Sparer werden so schleichend enteignet, gleichzeitig schmelzen aber die Staatsschulden ab.

In der anschließenden Fragerunde ging der Referent noch mal auf das grundsätzliche Projekt Euro ein." Es war von Beginn an ein politisches Projekt, welches jeglicher ökonomischer Vernunft widersprach. Sie können so verschiedene Länder nicht unter einer Zentralwährung vereinen".

Mut macht Karow der Ausspruch von Eugen von Böhm-Bawerk, einem Ökonomen der Österreichischen Schule der Ökonomie: "Politischer Wille vermag das ökonomische Gesetz niemals (dauerhaft) außer Kraft zu setzen".