Was tun bei häuslicher Gewalt

Podiumsdiskussion „ortswechsel“ der Hochschule Landshut im Salzstadel

Jede vierte Frau in Deutschland erlebt Gewalt in Ehe oder Partnerschaft. Ist das Privatsache oder wer ist hier zuständig? Reichen die Angebote, die Kommunen und freie Träger zur Verfügung stellen, sind die Schutzgesetze ausreichend? Diese Fragen standen im Mittelpunkt der dritten und letzten Veranstaltung in der Reihe „ortswechsel: Begegnungen und Kontroversen zwischen Wissenschaft, Politik und Praxis“ im Landshuter Salzstadel.

In seiner Begrüßung zeigte Bürgermeister Thomas Keyssner die Angebote der Stadt Landshut für Gewaltopfer auf. Er benannte aber auch die noch bestehenden Probleme, wie die chronische Überbelegung in den Frauenhäusern, die nicht nur den hohen Bedarf spiegelt, sondern auch aus der Wohnungsnot in Landshut resultiert.

Angebote weiter ausweiten

Prof. Dr. Sibylla Flügge von der Hochschule Frankfurt, die als Juristin bereits seit 30 Jahren zum Thema Gewaltschutz forscht, erinnerte an die Anfänge in den 1970er Jahren, als Gewalt gegen Frauen tatsächlich noch als Privatsache galt und Hilfseinrichtungen von der Frauenbewegung erstritten wurden. Heute seien zumindest in Städten Anlaufstellen vorhanden. Aber vor allem Frauen auf dem Land oder Frauen mit Behinderungen sowie Asylbewerberinnen bleiben mit Gewalterfahrungen oft alleine. Eine neue EU-Konvention, die eine staatliche Verpflichtung zum Schutz vor häuslicher Gewalt vorsieht, setze nun jedoch neue Maßstäbe: Sie fordere etwa von Kommunen, ihre Angebote auszuweiten, und vom Gesetzgeber rechtliche Lücken zu schließen.

Nach Einschätzung von PD Dr. Elisabeth Mützel, Leiterin rechtsmedizinische Institut der LMU München, gibt es im Gesundheitsbereich noch einiges zu verbessern. Ihre Arbeit gilt dem Opferschutz. „Es sollen nicht nur die Wunden versorgt werden, sondern Verletzungen gerichtsfest dokumentiert werden, damit in späteren Strafverfahren die Täter ihre Schuld nicht bestreiten können.“ Dass diese Hilfe für alle niedergelassenen Hausärzte, Gynäkologen, Zahnärzte und für die Klinikambulanzen selbstverständlich wird, wird von ihr durch ausgearbeitete und erprobte Dokumentationsbögen sowie der Öffentlichkeitsarbeit vorangebracht. Das Entscheidende ist aus ihrer Sicht, dass Fachleute im Gesundheitswesen ihre Scheu verlören, den Gewalthintergrund von Verletzungen anzusprechen und den Betroffenen kompetent helfen zu können.

Justiz kämpft mit Hürden

Häusliche Gewalt gehört auch am Familiengericht zum Alltag. Allein im letzten Jahr wurden in Landshut 120 Verfahren im Kontext häusliche Gewalt bearbeitet. Dabei steht das Gericht, wie Friedrich Walther, Richter am Familiengericht Landshut, kenntnisreich berichtete, häufig vor dem Dilemma angemessene Entscheidungen treffen zu können, wenn die Angaben der Geschädigten ungenau oder nicht nachweisbar sind. Ein weiteres Problem ist die Grundausrichtung im Familienrecht, das auf Einvernehmen der Eltern zielt. Im Falle häuslicher Gewalt kann diese Ausrichtung jedoch zur Zumutung betroffener Mütter werden.

Seit sieben Jahren berät die Sozialpädagogin und Psychotraumatologin Christiane Mendler-Härtl von der Landshuter Interventionsstelle bei häuslicher und sexualisierter Gewalt in Landshut Opfer häuslicher Gewalt. Ganz überwiegend sind dies Frauen, zunehmend auch Jugendliche. Ihrer Erfahrung nach funktioniert der Gewaltschutz bei körperlicher Gewalt. Bei psychischer Gewalt jedoch, die Betroffene oft noch tiefer verletzt und verstört, ist wegen der schwierigen Beweislage gerade vor Gericht häufig kein Schutz gegeben. Ebenso sei auch Fachleuten im Jugendamt oder dem Amtsgericht oft nicht klar, dass auch das Miterleben von häuslicher Gewalt für Kinder selbsterlebter Gewalt gleich kommt.

Betroffene äußern sich

Die Diskussion mit dem interessierten Publikum, darunter auch Abgeordnete aus dem Landtag, dem Kreistag und Stadtrat, zeigte, dass die Zeiten, in denen häusliche Gewalt Privatsache war, vorbei sind. Dennoch gibt es noch Sicherheitslücken und Bedarf nach Unterstützung. Besonders deutlich wurde fehlendes Fachwissen über die psychischen Auswirkungen von Gewalt auf Betroffene, die dann häufig nicht wie vom Gesetzgeber vorgesehen, selbstbewusst und präzise Schutzrechte einfordern können. Hier braucht es Verständigung und Übersetzung zwischen den beteiligten Professionen. Beiträge aus dem Publikum von betroffenen Frauen machten sehr deutlich, wie wichtige solche öffentlichen Diskussionen zu so einem schwierigen Thema sind.

Die Veranstalterinnen der Reihe planen daher schon eine Fortsetzung im Wintersemester 2015/16. Dies sind die Hochschulfrauenbeauftragte Prof. Dr. Bettina Kühbeck und Prof. Dr. Barbara Thiessen von der Fakultät Soziale Arbeit, sowie die Gleichstellungsbeauftragten der Stadt Landshut, Margarete Paintner, und der des Landkreises Landshut, Karin Boerboom.