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Zirngibl: „Kommune ist Keimzelle der Energiewende“

Bürgermeister der Gemeinde Ascha präsentiert auf 2. Regionalkonferenz zur Energiewende Wege, wie Bürger vom Energiesparen überzeugt werden

Von Ariane P. Freier
Ruhstorf

. „Die Energiewende findet in den Kommunen des ländlichen Raums statt“, bringen Niederbayerns Regierungspräsident Heinz Grunwald und Prof. Karl Stoffel, Präsident der Hochschule Landshut, die Kernbotschaft der 2. Regionalkonferenz Niederbayern „Energie-Innovativ“ in Ruhstorf (Lkr. Passau) auf den Punkt. In der Tat werde in den Gemeinden ein großer Teil der Treibhausgasemissionen erzeugt, bestätigt Prof. Petra Denk vom Institut für Systemische Energieberatung der Hochschule Landshut (ISE). Andererseits
lägen gerade vor Ort Potenziale zur Energieeinsparung, Effizienzsteigerung und zum Ausbau der erneuerbaren Energien. So haben kommunale Vertreter gestern von Experten des Technologiezentrums Energie (TZE), der Regierung von Niederbayern und der Bayerischen Verwaltungsschule München (BVS) konkrete Infos zur Umsetzung der Energiewende bekommen. „Pragmatisch und im engen Miteinander mit Bürgern und Behörden“, so BVS-Vorstand Michael Werner, dessen Haus Verwaltungsfachkräfte zu kommunalen Energiewirten qualifiziert. Ergiebig war der Beitrag Wolfgang Zirngibls, 1. Bürgermeister der 1500-Einwohner-Gemeinde Ascha (Lkr. Straubing-Bogen). Ascha spart seit 1993 konsequent Energie ? mit kabellosen Solar-Straßenleuchten, Siedlungen aus Plus-Energie-Häusern und Wärme aus Kompost. Den Bürgern soll so langfristig bezahlbare Energie zur Verfügung gestellt werden. „Die Kommune ist die Keimzelle der Energiewende. Unsere Generation stellt die Weichen“, appelliert Zirngibl, der jedes Gebäude in Ascha energieautark machen will. Um die Bürger zu aktivieren, teste seine Kommune vorab alle Wege zur Energieeinsparung ? von der Photovoltaikanlage über Biomasseheizkraftwerke und Elektroroller bis zu Dachwindrädern. Aus Fehlern wie dem zu langen Netz für die Verteilung von Hackschnitzel-Nahwärme werde gelernt. Positives würde mit finanziellen Anreizen an Bürger weitergegeben. Ein Bildungszentrum für nachwachsende
Rohstoffe im einstigen Wirtshaus vermittle Know-how. In der Folge habe Ascha ein Zukunftsforum mit unabhängig agierenden Bürgern und eine Solargemeinschaft gegründet. Ein Stromsparwettbewerb wurde ins Leben
gerufen, bei dem jährlich 50 bis 500 Euro ausgeschüttet werden. Zirngibl: „Das geht so weit, dass die Nachbarn ihre Rechnungen vergleichen und Ölheizungen verpönt sind. Einige Unternehmen bieten gar keine mehr zum Verkauf an.“
In zwei Jahren soll Ascha heizölfrei sein. Ja, die Bürger seien willig, aber sie wollten nicht draufzahlen. Selbst der Nachwuchs sei per „fifty-fifty“-Wettbewerb eingebunden, bei dem Schüler und Lehrer als Schalter- oder Lüftungsbeauftragte um die Wette Energie sparen. Zirngibl: „Die Kinder sind dabei die besten Lehrmeister ihrer Eltern.“ Im Ergebnis verbraucht Ascha seit 2001 stolze 44 Prozentweniger Energie, erzeugt heute über 90 Prozent des elektrischen und thermischen Wärmebedarfs aus Solar und Biomasse und gewinnt 62 Prozent des Wärmebedarfs aus nachwachsenden Rohstoffen. 2011 habe die Gemeinde mit 6,16 kWh/a fast 150 Prozent Stromerzeugt, der Verbrauch lag nur bei 4,1 kWh/a. Was jedoch nicht nur Wolfgang Zirngibl Sorgen bereitet, sind die politischen Rahmenbedingungen, das Verschwinden wirksamer Instrumente wie des EEG. „Wir beobachten zudem eine verwirrende Inflationierung der Förderprogramme und -richtlinien“, sagt Dr. Jürgen Weber, Regierung von Niederbayern. Weil Vorgaben von heute schon morgen Schnee von gestern sein können, empfiehlt er den Kommunen dringend, erst ein Energiekonzept auszuarbeiten und sich dann über geeignete Fördermittel beraten zu lassen. Solche individuell zugeschnittenen Energie- und Klimaschutzkonzepte erstellt das ISE. „Wir stellen ein koordiniertes und effizientes Vorgehen sicher“, betont Prof. Petra Denk, die das Prozedere von Potenzialanalyse über Leitbilder, Maßnahmen und Projektsteuerung bis zur Öffentlichkeitsarbeit exemplarisch erläuterte. Dass ein Energiekonzept vor dem Flächennutzungsplan stehen müsse, betonte Dr. Franz Dirnberger vom Bayerischen Gemeindetag. Er verschaffte Klarheit, was die Bauleitplanung für die Energiewende vor Ort leisten kann. Bisher seien Flächennutzungs- und Bebauungspläne nicht miteinander verzahnt. Um einen wirksamen Mix erneuerbarer Energien in der Kommune zu gewährleisten, bedürfte es eines Energieleitplans. Dessen Einführung als Planungsinstrument sei aber im Bundesrat abgeschmettert worden ? mit dem harten Argument, dass viele „Gemeinden zu dumm dafür seien“. Dirnberger kritisierte auch den „unlogischen rechtlichen Umgang mit den Privilegien für erneuerbare Energien“. Überraschend klar sei hingegen das Ziel der Staatsregierung formuliert, bis 2021 in Bayern 1000 neue Biomasse- und 1500 Windkraftanlagen zu bauen und 15 000 Hektar für Photovoltaik zur Verfügung zu stellen. Damit soll die Hälfte des erforderlichen Stroms in Bayern erzeugt werden. Ascha verlässt sich darauf nicht.