Werkstoffe grundlegend für Anwendungsfelder der additiven Fertigung

Materialien im Fokus des Praxisforums 3D-Druck an der Hochschule Landshut

Die additiven Fertigungsverfahren und die dabei eingesetzten Werkstoffe bieten so vielfältige Anwendungsmöglichkeiten wie nie zuvor. Rund 60 Experten nutzten das mittlerweile 4. Praxisforum 3D-Druck an der Hochschule Landshut, um sich mit dem Thema „Werkstoffe und deren Anwendungsfelder in der additiven Fertigung“ zu befassen.

Der 3D-Druck und seine vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten zeigen die schnelle technologische Entwicklung gerade im Rahmen der Digitalisierung. „Diese werden Unternehmen revolutionieren“, ist Prof. Dr. Stoffel in seiner Begrüßung überzeugt. Umso wichtiger seien Plattformen wie das Praxisforum 3D-Druck, in dem sich Wissenschaft und Unternehmen austauschen. Die Möglichkeiten der Additiven Fertigung wachsen stetig, erklärt Prof. Dr. Norbert Babel in seiner Themeneinführung. Ob Pizza, Organe, Zahnersatz oder Turnschuhe: Es stünden immer mehr Werkstoffe, neue Füllstoffe für optische und haptische Effekte für den 3D-Druck zur Verfügung. Auch Nano-Strukturen, die Gecko- oder Lotuseffekte ermöglichen, sowie Glas könne mittlerweile gedruckt werden. Besonders der Druck mit Endlosfasern wie Kohle-, Glas- oder Kevlarfasern, eingebettet in eine Kunststoffmatrix, die ein Optimum an Festigkeit und Steifigkeit ermöglichen, sowie der Druck von Silikonen bieten der Industrie interessante Einsatzmöglichkeiten.

Doch nur, wenn die Auswahl des geeigneten Druckverfahrens, das richtige Material sowie eine 3D-Druck gerechte Konstruktion, unter Einbeziehung von modernen Simulationsverfahren, wie der Topologieoptimierung in Kombination mit der Finiten Elemente Methode, optimal zusammenspielen, könne das Potenzial der Additiven Fertigung richtig genutzt werden. Babel sieht große Zukunftschancen u.a. im Druck kompletter Funktionseinheiten, da dadurch Montageschritte wegfallen können. Auch hybride Fertigungsstrukturen, die Kombination von unterschiedlichen Materialien, biete ein großes Potenzial. Vor allem die Automobilindustrie werde dazu beitragen den 3D-Druck in der Serienfertigung zu forcieren.

3D-Druck auf dem Weg in die Serienproduktion

Dass sich das Additive Manufacturing schon längst auf dem Weg zur automobilen Serienproduktion befindet, beleuchtete Julius Riedelbauch von der BMW Group (Additive Manufacturing Center, München) in seinem Vortrag. BWM habe in Infrastruktur investiert, pro Jahr würden im 3D-Druck weit mehr als 100.000 Teile zentral gefertigt. Bereits 1989 habe man mit der ersten SLA-Anlage begonnen, das Segment sei kontinuierlich gewachsen und gerade in den letzten Jahren habe hier, durch neue Player und neue Technologien, eine starke Ausweitung stattgefunden. In Einsatz komme additive Fertigung vor allem im Protoypenbau, im After Sales bzw. Ersatzteilbereich bei geringen Stückzahlen.

Riedelbauch zeigte am Beispiel eines Wasserpumpenrads für die DTM, dass der 3D-Druck in der Kleinserie günstiger ist und den hohen Anforderungen sogar besser entspricht als das ursprüngliche Spritzguss-Teil. Auch bei Montagehilfsmitteln in der Produktion, wie z.B. zum Arretieren von Zahnrädern bei der Montage sowie bei individuell angepassten Daumenstützen, kommt die Additive Fertigung zum Einsatz. Neben der Kostenfrage stehen laut Riedelbauch die Reproduzierbarkeit und die Schaffung eines „added Values“ im Fokus. Besondere Chancen bieten dabei die Möglichkeiten der Individualisierung z.B. bei Premiumfahrzeugen durch individuell vom Kunden mitgestaltete Designteile. Besonders bei der Serienfertigung steigen die Materialanforderungen, hier sieht er noch Handlungsbedarf, es bestehe Bedarf an abgesicherten Werkstoffeigenschaften.

Im Design werde es weg von der Substitution, hin zu dezidiertem Design für die additive Fertigung gehen. Über die höheren Produktionsvolumina erwartet er ein Sinken der Materialpreise. Insgesamt seien bereits heute bei BMW viele verschiedenen AM-Technologien und -Produkte im Einsatz, dies werde sich aber in den nächsten Jahren noch deutlich erhöhen.

Qualitativ hochwertige Filamente für anspruchsvolle 3D-Druck-Produkte 

Als Spezialist für die Herstellung von Filamenten für das Additive Manufacturing betonte Sven Wohkittel (Rheneon Materials GmbH, Miellen), die Bedeutung von Kenntnissen über die eingesetzten Materialien und deren Eigenschaften. Diese seien grundlegend, um die 3D-Technologie weiter zu etablieren. Insgesamt müsste man gerade in der industriellen Produktion darauf achten, hochwertige Materialien zu verwenden. Dies beinhalte exzellente Farbmittel, die auch Ursache für die Schrumpfung und den Verzug von gedruckten Bauteilen sein können, hochwertige Polymere, eine hohe Lichtechtheit und UV-Stabilität. Zusätzlich müssten die Filamente eine gute Reproduzierbarkeit versprechen, einen geringen Wasseranteil aufweisen und natürlich den technischen Anforderungen entsprechen. Um optimale Ergebnisse erzielen zu können, sei die individuelle, auf die jeweiligen Anforderungen angepasste Verwendung bzw. Entwicklung von Filamenten notwendig.

Eine stark steigende Nachfrage stellt er für den Bereich der faserverstärkten Materialien fest. Für den 3D-Druck müssten andere Filamente als beim Spritzguss eingesetzt werden. Unter anderem sei die zu verarbeitende Füllstoff-Teilchengröße zu berücksichtigen und die Abnutzung der Anlagen infolge des Füllstoffeinsatzes müsse ebenfalls berücksichtigt werden. Ein Füllgrad von 20-40 Prozent CFK-Fasern sei möglich und bereits umgesetzt worden.

Im Verbund zwischen Forschung und Wirtschaft neue und besonders auch faserverstärkte Materialien für den 3D-Druck umzusetzen, hat sich das Kooperationsnetzwerk 3D-CP zum Ziel gesetzt, das Markus Kafara (Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung, Bayreuth) vorstellte. Gefördert durch das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand – ZIM, des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie, sollen speziell für den Einsatz bei KMUs neue Filamente entwickelt werden.

Weiterentwicklung der additiven Produktionsverfahren

Dr. Rainer Beccard vom Laseranlagenhersteller LUNOVU GmbH (Herzogenrath) präsentierte intelligente LMD-Maschinensysteme für das Additive Manufacturing. Der Vorteil der LMD-Methode liegt darin, dass die 3D-Werkstücke im industriellen Maßstab theoretisch überall erzeugt werden können, die Oberflächenqualität im Vergleich zu Pulverbett-Verfahren ist allerdings nicht so filigran. Ein Ziel des Unternehmens lautet, den Herstellprozess bzw. die Bedienung zu vereinfachen. In ihrer aktuellen Anlage für das Metallauftragsschweißen im industriellen Maßstab wurde die Prozesssteuerung mit einer Sensorik-Lösung vereinfacht, die Werkstückoberflächen per Scan erfasst, digitalisiert und automatisch die Bahnen für das Auftragsschweißen berechnet und generiert. Insgesamt stehe die sehr leistungsfähige LMD-Technik an der Schwelle zum Einsatz im industriellen AM; auch Multi-Material-Auftrag, bei scharfen Materialübergängen, ist möglich. Gerade für die Luftfahrtbranche, mit ihren kleinen Stückzahlen aber vielen Varianten, ist die Technik gut geeignet.

Den optimierten Prozess für die Ersatzteilversorgung mittels additiver Fertigung stellte Joachim Kleylein-Feuerstein (Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung, Bayreuth) vor. Am Beispiel einer Fernbedienung für Industrieroboter, bei der Teile nicht mehr lieferbar waren, zeigte er, von der Analyse des gewünschten Bauteils und der Optimierung bis zum 3D-Druck, die Vorgehensweise für das Refabrikation auf.

Wie mit 3D-Druck neue Geschäftsmodelle entstehen können, führte Prof. Dr. Thomas Lötzbeyer vom Institut für Lebensmitteltechnologie der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf vor. Er zeigte am Beispiel des 3D-Food Printing Systems Bocusini Pro die Entwicklung des vor 3 Jahren als Spin off der Hochschule gegründeten Unternehmens Print2Taste. Dabei skizzierte er von der ersten Idee, über die verschiedenen Evolutionsschritte, bis zur heutigen Generation des 3D-Food-Printers die Herausforderungen und Chancen der jungen Technologie zur Produktion von individualisierten Lebensmitteln. Bereits eingesetzt wird der Drucker in professionellen Küchen und bei Caterern für den Druck von Schokolade- und Marzipandesginelementen für die Erlebnisgastronomie. Außerdem werden dem Nutzer über eine Web-Plattform individuell gestaltete Vorlagen zur Verfügung gestellt. Entscheidend sei das Know-how im Lebensmittelbereich gewesen. Heute sind bereits, neben den schon genannten, 15 verschiedene Lebensmittel, wie z. B. verschiedenartige Pasta-, Fondant- und Cassisarten druckbar, die einfach per Kartusche in den Drucker eingelegt werden.