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Wer sind die aktiven Väter?

Podiumsdiskussion „ortswechsel“ der Hochschule Landshut begibt sich „auf die Suche nach neuen Männlichkeitsmustern“

Die Podiumteilnehmer kamen zum Schluss, dass Rollenbild aktiver Väter noch nicht so weit verbreitet ist wie gedacht
Die Podiumteilnehmer kamen zum Schluss, dass Rollenbild aktiver Väter noch nicht so weit verbreitet ist wie gedacht

Die Rolle der Väter hat sich seit den 90er Jahren deutlich gewandelt. Zunehmend mehr Männer möchten auch in der Erziehung aktiv ihren Beitrag leisten. Trotzdem belegen aktuelle Studien keine grundlegende Veränderung der traditionellen Arbeitseinteilung. Welche Hürden in Gesellschaft, Beziehung und Beruf also halten Väter davon ab? Mit den Ursachen und Lösungsmöglichkeiten aus Wissenschaft und Praxis beschäftigten sich Expertinnen und Experten am Dienstagabend. Dazu lud die Hochschule Landshut im Rahmen der Veranstaltungsreihe „ortswechsel“ zum Salzstadel in der Landshuter Altstadt ein. Dr. Johanna Possinger vom Deutschen Jugendinstitut in München konnte durch ihre Studie bestätigen, dass etwa 80 Prozent der Männer zwischen 20 und 39 Jahren ein Leitbild von aktiver Vaterschaft haben. Die Mehrheit der Männer denkt auch, dass man für das Kind beruflich zurücktreten sollte. Drei Viertel der sowohl Frauen als auch Männer sind sich sogar einig, dass eine rein mütterliche Erziehung dem Kind nicht zu Gute kommt. Zwar wird das Elterngeld mittlerweile von jedem dritten Vater in Anspruch genommen, doch meist nur für zwei Monate – zu groß ist die Angst vor beruflichen Nachteilen, so Possinger. Doch auch wirtschaftliche und innerfamiliäre Hürden hemmen den Anspruch der Väter, mehr Zeit mit den Kindern zu verbringen. So würden beispielsweise steuerliche Anreize wie das Ehegattensplitting und das „Revierverhalten“ von Müttern eine traditionelle Arbeitsaufteilung weiter fördern. Stattdessen plädiert Possinger für ein stärkeres Gegensteuern seitens der Wirtschaft und Politik.

Aktiv an Väter herantreten

Aus der Praxis berichtete der aus Berlin angereiste Kaz?m Erdo?an. Der Soziologe und Psychologe arbeitet seit August 2013 im psychosozialen Dienst Berlin-Neukölln und hat viele ehrenamtliche Projekte ins Leben gerufen, unter anderem die „Vätergruppe Neukölln“. Hier treffen sich Väter türkischer Herkunft und tauschen sich über Erziehung, Gewalt in der Ehe und den Begriff der „Ehre“ aus. Er bestätigte die große Bedeutung einer positiven Beziehung zum Vater: Viele Männer mit Migrationshintergrund, die kriminell werden oder sogar in den Dschihad in den Nahen Osten gehen, sind ohne Vater aufgewachsen. In der Vätergruppe könnten die Männer erstmals über ihre Probleme und Ängste sprechen, manch einem kämen dort zum ersten Mal Tränen, etwa wenn er von seinem eigenen Vater erzählt. Erdo?an, der für seine Arbeit das Bundesverdienstkreuz erhielt, fordert daher Vätergruppen in ganz Deutschland und bietet für Landshut seine Unterstützung an. Als wichtigstes Instrument um Väter für sein Projekt begeistern zu können nennt Erdo?an seine pro-aktive Art. Schriftliche Informationen und Flyer genügten ihm nicht, wichtiger sei es, die Väter direkt und mit einladender Stimme anzusprechen. Das würde die meisten Männer überzeugen. So waren anfangs nur wenige Väter bei den Treffen erschienen, mittlerweile zählt die Vätergruppe in Neukölln über 100 Mitglieder.

Großer Aufklärungsbedarf

Winfried Rauscheder vertrat als Vorstand des Väternetzwerkes München e.V. eine ganze Reihe unterschiedlicher Organisationen die Väter auf verschiedenen Ebenen fördern. Lange Zeit haben in München die Gruppen für Väter unabhängig voneinander gehandelt. Da lag es auf der Hand sich im Netzwerk zu bündeln und dem Projekt der Väterarbeit auch von außen eine bessere Stimme zu erteilen. So erlebten beispielsweise die Vätertage in München nach 15 Jahren wieder ein Revival, was die Stadt und die Medien auf das Netzwerk aufmerksam gemacht hat. Rauscheders Ansicht nach ist es trotzdem schwierig, Männer für die Veranstaltungen zu gewinnen, da ihnen oft die Zeit fehlt. Außerdem sieht er in vielen Städten zwar ein großes Angebot an Familienzentren, doch sind sie zu sehr auf Frauen ausgerichtet, was viele Männer abschreckt, zumal einige Mütter ihr „Revier“ verteidigen möchten. In der Diskussion wurde deutlich, wie groß der Bedarf ist Väterthemen zu behandeln. Das Fehlen einer „Väterbewegung“ sei vielen Faktoren geschuldet. Oft hapert es nur an Umsetzungsfehlern, bei denen die räumliche und zeitliche Gestaltung einer Vätergruppe nicht den Bedürfnissen der Männer angepasst worden ist. Doch es sind noch Ambivalenzen zu finden, so ist der Gedanke, dass der Vater den finanziellen Rückhalt darstellt, bei vielen Frauen immer noch nicht wegzudenken. Hier müsste es mehr Unterstützung seitens Gesellschaft und Politik geben, denn schon jetzt hat sich das Elterngeld für viele Väter als Türöffner in die nicht-traditionelle Rollenverteilung erwiesen.Veranstaltet wird die Reihe „ortswechsel“ von der Hochschulfrauenbeauftragten der Hochschule Landshut Prof. Dr. Bettina Kühbeck, gemeinsam mit Prof. Dr. Barbara Thiessen von der Fakultät Soziale Arbeit sowie der Gleichstellungsbeauftragten der Stadt Landshut Margarete Paintner und der Gleichstellungsbeauftragten des Landkreises Landshut Karin Boerboom. Die Reihe wird am 20. Januar 2016 fortgesetzt.

Die Podiumteilnehmer kamen zum Schluss, dass Rollenbild aktiver Väter noch nicht so weit verbreitet ist wie gedacht