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Wasserstoff einsetzen, wo es passt

Das Potenzial des Wasserstoffs für die Energiewende zeigte Prof. Dr. Josef Hofmann am 24. November 2022 beim Auftakt-Vortrag der Landshuter Energiegespräche der Hochschule Landshut in diesem Wintersemester.

Einen umfassenden Überblick zum Thema Wasserstoff bot der Vortrag von Prof. Dr. Josef Hofmann.
Einen umfassenden Überblick zum Thema Wasserstoff bot der Vortrag von Prof. Dr. Josef Hofmann.

Die Landshuter Energiegespräche wollen im Wintersemester 2022/2023 „Beiträge zur Nachhaltigkeit“ bieten. Der Klimaerwärmung entgegenzuwirken sei die wichtigste Aufgabe unserer Zeit - und Wasserstoff sei ein Thema, das einen Beitrag zur Energiewende leisten könne, wie Hans Stanglmair vom Kooperationspartner Solarfreunde Moosburg in seiner Themeneinführung erklärte. Gerade regenerative Energiequellen liefern häufig dann zu wenig Strom, wenn man ihn brauche. Deshalb seien Energiespeicher von enormer Bedeutung und hier biete die Wasserstofftechnologie großes Potenzial, erklärte Hochschulpräsident Prof. Dr. Fritz Pörnbacher in seiner Begrüßung der rund 40 in Präsenz und knapp 120 online zugeschalteten Teilnehmer/-innen. Das Thema Wasserstoff sei daher für die Hochschule in Lehre und Forschung enorm wichtig und erfahre durch das derzeit entstehende Wasserstofftechnologie-Anwenderzentrum (WTAZ) in Pfeffenhausen zusätzliche Bedeutung. Dr. Josef Hofmann, Chemiker und Professor für Energie- und Umwelttechnik sowie Sprecher des Forschungsschwerpunkts Energie der Hochschule Landshut, betonte die große Herausforderung, die der Klimawandel darstellt. Unbedingt notwendig seien die effiziente Nutzung und Einsparung von Energie sowie der verstärkte Einsatz von regenerativen Energiequellen. Das Risiko für einen flächendeckenden Blackout im deutschen Stromnetz habe sich leider mit dem Ukraine-Krieg und der daraus entstandenen Energiekrise deutlich erhöht. Das Klimaziel, die Erderwärmung auf 1,5 °C zu begrenzen, sei nicht mehr zu halten, wir steuern auf 2 °C zu, die Folgen seien kaum vorhersehbar. Aber in der Krise steckt auch immer eine Chance, gibt sich Prof. Dr. Hofmann optimistisch und hofft, dass so das Potenzial von Wasserstoff genutzt werden könnte.

Wasserstoff zur Energiespeicherung nutzen

Von großer Bedeutung seien bei einer Konversion zu einer hundertprozentigen regenerativen Energieversorgung Energiespeicher und damit der Wasserstoff. „Wenn wir regenerative Energien in Deutschland stemmen wollen, müssen wir die Erzeugung von Wasserstoff aus regenerativen Quellen und dessen Nutzung enorm ausbauen“, ist er überzeugt. Dass es aber nicht überall sinnvoll ist, auf Wasserstoff zu setzen, verdeutlicht er an einem Zitat von Energieexpertin Prof. Dr. Claudia Kemfert: „Wasserstoff ist der Champagner der Energie“. Ihn wie Wasser zu konsumieren, dafür sei er viel zu teuer. Wasserstoff ist ein Gas mit einem Siedepunkt von Minus 253 °C. Auf diese Temperatur müsse abgekühlt werden, um es verflüssigen und transportieren zu können.  Wasserstoff sei zwar explosionsgefährlich, dies sei aber technisch beherrschbar, die Zündtemperatur liege bei 585 °C. Für viele Produkte und die Industrie in Deutschland ist Wasserstoff eine notwendige Grundchemikalie, z.B. bei der Herstellung von Düngemitteln, Kunststoffen, Pharmazeutika, Solarzellen und Wafern für die Chipproduktion. In Deutschland würde derzeit eine Menge an Wasserstoff vergleichbar eines Energieinhalts von 50 Terrawattstunden erzeugt, der jährliche Gesamtstrombedarf in Deutschlang liegt zum Vergleich bei 580 Terrawattstunden.

Produktion von Grünem Wasserstoff

In der industriellen Anwendung werde meist mit Erdgas erzeugter sog. Grauer Wasserstoff genutzt, bei dessen Produktion klimaschädliches CO2 entstehe. Für eine positive Umweltbilanz solle man aber auf die Elektrolyse unter Einsatz von regenerativem Strom setzen und sogenannten „Grünen Wasserstoff“ erzeugen. Bei der Zerlegung von Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff sei viel Energie notwendig, der theoretische Strombedarf um ein Kilogramm Wasserstoff erzeugen zu können, liege bei 53 kWh. Bei großen Anlagen liege der Wirkungsgrad aktuell bei ca. 74 Prozent. Die Vergasung von Biomasse wäre ein weiterer Weg, Wasserstoff aus Biomasse könne aber in trockenen Sommern einen Engpass darstellen. Die Herstellung von Wasserstoff aus Biogas über die Vergasung mit Wasser sei energetisch unsinnig, besser sei es daher Biogas direkt zu nutzen. Spannend sei es, Wasserstoff auf Kläranlagen zu produzieren, da mit dem Sauerstoff ein für eine energieeffiziente Abwasserreinigung höchst interessantes Nebenprodukt entstehe. Wasserstoff sollte dort erzeugt werden, wo Strom aus regenerativen Energiequellen kostengünstig produziert werden kann. In Küstengebieten könne Strome über Windkraftanlagen für 4 Cent/kWh, in Bayern über Photovoltaik für 6 Cent/kWh hergestellt werden. Die tatsächlichen Kosten liegen aber wegen des teuren Stromtransport, der Anschaffung von Elektrolyseuren etc. wesentlich höher.

Speicherung und Transport von Wasserstoff

Um große Mengen Wasserstoff z.B. aus dem sonnenreichen Australien nach Deutschland transportieren zu können, müsse dieser auf unter -253°C abgekühlt werden. Dafür gingen rund 30 Prozent des Energieinhalts verloren, der Gesamtwirkungsgrad liegt bei der Verflüssigung nur noch bei ca. 50 Prozent. Eine andere Möglichkeit wäre es, Wasserstoff unter Druck zu speichern, was aber den Wirkungsgrad auch um ca. 15 Prozent senkt, und z.B. in Fahrzeugen mit Brennstoffzelle zu nutzen. Durch schnelle Betankung innerhalb weniger Minuten und eine Reichweite von mehr als 400 km wäre dies komfortabel. Die Kosten für die Infrastruktur und von Tankstellen mit entsprechender Sicherheitstechnik seien aber sehr hoch. Im sog. Power-to Gas-Verfahren kann aus Wasserstoff und CO2 Methan hergestellt werden, das sich bei -164°C zu flüssigem Methan (vergleichbar LNG) umwandeln lässt. Methan kann aber auch als Ersatz für Erdgas direkt ins Erdgasnetz eingespeichert werden. Eine zukunftsfähige Lösung sieht Hofmann darin, Wasserstoff als Flüssigkeit zu speichern, wo CO2 in hoher Konzentration (z.B. Biogas- und Klärgasanlagen) zur Verfügung steht. So könne man z.B. in Island zu Weltmarktpreisen Methanol aus regenerativem Wasserstoff und Kohlendioxid aus Vulkanismus produzieren und dieses als Flüssigkeit speichern. Methanol habe auch in der Handhabung Vorteile, es siedet erst bei 64,7 °C, die Zündtemperatur liegt bei 440 °C und es gäbe bereits eine langjährige Erprobung von Methanol als Treibstoff im Formel-1-Rennsport beim 24-Stunden-Rennen von Indianapolis. Eine drucklose Speicherung in Tanks sei möglich, Methanol ein gutes Speichermedium für Wasserstoff und so als dezentraler Energiespeicher einsetzbar. Auch sei Methanol als Kraftstoffersatz verwendbar, der in Ottomotoren direkt eingesetzt werden kann, wenn man diese umrüstet. Der Nachteil sei ein Energieverlust von ca. 25 Prozent bei der Methanol-Herstellung.

Grünen Wasserstoff einsetzen, wo es Sinn macht

Grundsätzlich sieht Hofmann viele Einsatzmöglichkeiten von Wasserstoff, wirklich Sinn mache er nur dort, wo der CO2-Ausstoß am meisten verringert werden kann und wo Strom aus erneuerbaren Quellen im Überschuss vorhanden ist. Wasserstoff sollte Treibhausgas-neutral hergestellt werden, heimische erneuerbare Energien wie PV, Windkraft, Biomasse oder auch Geothermie zu nutzen, sei notwendig, um Abhängigkeiten beim Import von Wasserstoff aus Ländern mit problematischer Menschenrechtssituation oder diktatorischen Regimen zu vermeiden. Ein groß angelegter Ausbau der Nutzung von erneuerbaren Energiequellen sei aber auf alle Fälle hier in Deutschland und in Bayern zwingend erforderlich. Die effiziente Nutzung von Energie und CO2-Einsparung sollten Vorrang haben. Wasserstoff sei ein umweltneutraler chemischer Langzeitenergiespeicher. Die Politik sollte sich den Mut nehmen, Bürokratie abzubauen und keine Denkverbote bei der Nutzung von Energiespeichersystemen wie etwa Methanol durch die Verfolgung von Ideologien im Energiebereich aussprechen. So könnten auch dezentrale Speicherstrukturen, z.B. mit Elektrolyseuren bei Kläranlagen, für resiliente kommunale Energiesysteme aufgebaut werden. Da Wasserstoffautos zwei bis dreimal so viel erneuerbaren Strom wie ein batterieelektrisches Auto benötigen, sei der Betrieb viel teurer. Im gewerblichen Bereich (LKW, Bus, als Kerosinersatz im Flugzeug) sei der Einsatz von Wasserstofffahrzeugen wegen deutlichen Vorteilen bei Tankzeiten, Nutzlast und Reichweite aber diskussionswürdig. Eine Idee laute auch, im Sommer mit Photovoltaik erzeugten Strom, mit Hilfe von grünem Wasserstoff für das Winterhalbjahr im Wohngebäudebereich zu speichern und unter Einsatz in Brennstoffzellen für die Strom- und Wärmeversorgung zu nutzen. Allerdings seien Elektrolyseure sowie Brennstoffzellen für diesen Anwendungsbereich derzeit noch zu teuer. Durch Fördermaßnahmen des Staates sei auch Photovoltaik in den Markt gekommen, das wäre evtl. auch in diesem Bereich wünschenswert und notwendig. Der nächste Vortrag im Rahmen der Landshuter Energiegespräche im Wintersemester 2022/2023 wird sich mit dem Einsatz von Wärmepumpen in Bestandsgebäuden befassen (12. Dezember 2022, 18.30 Uhr). Weitere Informationen und Anmeldung unter

www.haw-landshut.de/la-energiegespraeche.




Hochschulpräsident Prof. Dr. Fritz Pörnbacher begrüßte die Teilnehmer/-innen.
Einen umfassenden Überblick zum Thema Wasserstoff bot der Vortrag von Prof. Dr. Josef Hofmann.
Vom Grauen bis zum Grünen Wasserstoff - Prof. Dr. Josef Hofmann erläutert die Herstellung von Wasserstoff.