Vom westlichen zu einem kosmoplitischen Denken

Nur auf westliche Werte und unseren Wohlstand zu setzen, löst keine globalen Herausforderungen, wie ein Vortrag von Stefan Weidner in der Reihe Wissenswerk Landshut zeigte.

In der aktuellen Veranstaltung der Reihe Wissenswerk Landshut plädierte der Islamwissenschaftler Stefan Weidner für ein offenes, über den Westen hinausreichendes kosmopolitisches Denken, das die positiven Werte der unterschiedlichen Weltanschauungen und Religionen aufnimmt. Nur so sei es möglich, den globalen Krisen und Herausforderungen zu begegnen, wie er in seinem Vortrag „Jenseits des Westens. Für ein neues kosmopolitisches Denken.“ am 10. Dezember 2018 betonte.

Das Wissenswerk Landshut beleuchte seit mehr als 15 Jahren Themen rund um das Wissen über das Wissen aus unterschiedlichen Perspektiven, wie Prof. Dr. Karl Stoffel in seiner Begrüßung der rund 120 Teilnehmer betonte. Die Veranstaltungsreihe lebe damit Interdisziplinarität, die sich die Hochschule Landshut als Ziel gesetzt habe. Er bedankte sich bei der Hochschulgemeinde mit ihrem Initiator Dr. Alfons Hämmerl und bei der BMW Group Werk Landshut für ihre langjährige Unterstützung.

Der Westen lebt auf Kosten anderer

Die Eingriffe des Menschen in das Ökosystem des Planeten seien seit Beginn der Industrialisierung so groß, dass sogar ein Erdzeitalter danach benannt ist, das „Anthropozän“, wie Weidner in seinem Vortrag ausführt. Und die Welt sei zweigeteilt, in den wohlhabenden Westen und die restlichen Länder. Die Westliche Welt lebe klar über ihre Verhältnisse, auf Kosten anderer und der Natur sowie des Klimas. Und eine Änderung zeichne sich bisher nicht ab, im Gegenteil wollen viele ärmere Staaten dem Beispiel des Westens folgen, um auch am Wohlstand teilhaben zu können. Die derzeitige Globalisierung gleicht für Weidner einem Pokerspiel, mit dem Ziel eines maximalen Gewinns. Und solange Staaten hoffen, ihren Gewinn noch steigern zu können, sei auch keine Änderung der Spielregeln in Sicht. Die richtige Strategie sollte aber gerade im Hinblick auf Probleme wie Naturzerstörung, Klimaveränderung, soziale Ungleichheit, globale Migration oder auch Gewalt sein, so lange spielen zu können wie möglich.

Der Westen sei historisch betrachtet entscheidender Auslöser bzw. Verursacher der aktuellen Krisen, und stehe dabei am besten da. hätten die westlichen Länder die Entwicklung in den „armen“ Ländern stark geprägt; dies durch den Kolonialismus und z.B. die Idee von Nationalstaaten, die hier oft fremd war, und die Gründung von Ländern und Grenzen, die noch heute oft Ursache für Auseinandersetzungen sind.
„Doch wie definiert sich der Westen?“ fragt er. Eine geografische Definition mache keinen Sinn, weil je nach Standpunkt sich der Westen verschiebt. Mit einem Blick auf die Karte definiert Weidner die westlichen Länder als all jene, deren Einwohner in die Schweiz ohne Visum einreisen dürfen.

Welche Werte sind westlich?

Beliebt sei heute, von westlichen Werten und einer Wertegemeinschaft zu sprechen. Bis zum Zusammenbruch der Sowjetunion bedeutete dies, auf der einen Seite die kommunistischen und auf der anderen die kapitalistisch/demokratischen Länder. Der Politikwissenschaftler Francis Fukuyama sprach davon, dass die Geschichte an ihr Ende gekommen sei. Die westlich, kapitalistisch orientierten Staaten hätten den Wettbewerb der Systeme gewonnen, weil sie den menschlichen Bedürfnissen, der menschlichen Natur am besten entspräche.

Allerdings stelle sich die Frage, ob angesichts eines ständigen Verlangens nach Gleichheit genügend Freiheit bewahrt werden könne, um den nach Geltung, Anerkennung und Wettstreit strebenden Grundinstinkt des Menschen zu befriedigen. Dieser angebliche Grundinstinkt, der bei Platon Thymos genannt wird, was mit Mut, Ehrgeiz, Kühnheit, Selbstüberwindung übersetzt werden kann, stellt heute andere Weltanschauungen, z.B. den Kommunismus oder auch den Islam, als überlebt dar. Diese Sichtweise bestimmt laut Weidner die Politik des Westens seit 1989, er bezeichnet sie als Ideologie des Westens.

Die drei in Europa entstandenen Ideologien, Liberalismus, Kommunismus und auch Faschismus, deren Grundzüge auf die französische Revolution zurückgehen, hätten viele Gemeinsamkeiten, wie z.B. ein säkularisiertes Heilsversprechen: Statt der Erlösung im Jenseits hoffe man, das Paradies diesseits verwirklichen zu können. Die Maxime der französischen Revolution lautete Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. Diese Begriffe finden sich allerdings in ähnlicher  Formulierung auch in anderen Kulturen/Religionen u.a. auch bei der muslimischen Bruderschaft.

Mit einer kosmopolitischen Ethik zur Selbstbeschränkung

Naturwissenschaftliche und rationelle Erkenntnisse reichen für Weidner nicht aus, um „richtige“ Entscheidungen zu treffen und die Regeln zu ändern. Dies sei wie beim Rauchen: man wisse zwar, dass es ungesund ist, mache es aber trotz der Einsicht, dass es ein kürzeres Leben bedeuten könne. Es müssten zu den Erkenntnissen also eine Werteorientierung hinzukommen, bzw. übereinstimmende Werte aus unterschiedlichen Kulturen und auch Religionen. So würden z.B. alle Religionen eigentlich für Umweltschutz plädieren.   

Weidner fordert ein kosmopolitisches Denken, bei dem man aus verschiedenen Weltanschauungen und auch Religionen das Beste herausnimmt und als neue Leitlinien fixiert. Es werde sich nicht eine einzige Meinung durchsetzen können, andere Anschauungen dürfen nicht als schlechter eingeschätzt werden. Eine Entscheidungstoleranz im Sinne aller sei nötig. Er plädiert für eine Selbstbeschränkung aus Vernunft, eine kosmopolitische Ethik, um die richtigen Entscheidungen treffen zu können.