Landshut im Zentrum der „Transformationstechnologie“ Leichtbau

Organisiert vom Leichtbau-Cluster trafen sich an der Hochschule Landshut Leichtbau-Experten zum zweitägigen Colloquium, um neuste Erkenntnisse auszutauschen und so den Wissens- und Technologietransfer zwischen Wirtschaft und Wissenschaft zu stärken.

Rund 130 Experten*innen trafen sich am 01./02. März beim 11. Landshuter Leichtbau-Colloquium an der Hochschule Landshut, um neuste Forschungserkenntnisse und Entwicklungen aus dem Leichtbau vorzustellen und sich branchenübergreifend auszutauschen. Die hohe Bedeutung des Leichtbaus zeigt, dass auch die Bundesregierung den Leichtbau als „Transformationstechnologie“ im Blick hat und noch heuer eine übergreifende Leichtbaustrategie verabschieden will, die auf Klimaschutz, Ressourcenschonung und Kreislauffähigkeit ausgelegt ist.

In zwei Plenumsvorträgen und 32 Fachvorträgen in zwei parallelen Sessions sowie einer begleitenden Fachausstellung gaben Forschungseinrichtungen und Unternehmen Einblicke in aktuelle Forschungsprojekte und Entwicklungen– von der Materialforschung und Multimaterial-Design-Ansätzen über ressourcenschonende lastpfadgerechte Konstruktion und neue Produktionstechnologien in der Industrie bis hin zum Recycling. Im Fokus stand daneben das Netzwerken und der branchenübergreifende Austausch der Leichtbau-Experten*innen.

Hochschulpräsident Prof. Dr. Fritz Pörnbacher bedankte sich bei allen Beteiligten, die dazu beigetragen haben, wieder eine hervorragende Plattform zum Austausch zwischen Wissenschaft und Praxis zu schaffen. Das Leichtbau-Colloquium, in diesem Jahr lautete der Titel „Leichtbau – Werkstoffe, Konstruktionen, Fertigungstechnologien“, wird vom Leichtbau-Cluster der Hochschule Landshut seit 20 Jahren alle zwei Jahre an der Hochschule organisiert, die wissenschaftliche Leitung liegt bei Prof. Dr. Otto Huber.

Leichtbaustrategie der Bundesregierung initiiert

„Es braucht mehr Vernetzungsevents wie das Landshuter Leichtbau-Colloquium“, das mittlerweile Tradition sei, um die Transformationstechnologie Leichtbau zu forcieren, ist Michael Kellner, parlamentarischer Staatssekretär am Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) in seiner Videobotschaft überzeugt. Leichtbau habe für Klimaschutz, Ressourceneffizienz und Resilienz der Wirtschaft große Bedeutung, Das Ministerium habe das Technologie-Transferprogramm Leichtbau (TTP LB) deutlich erweitert, bis 2026 steht dafür ein Gesamtbudget von fast einer halben Milliarde zur Verfügung. Zusätzlich lege die Bundesregierung noch heuer eine übergreifende Leichtbaustrategie auf. Ein wichtiges Thema des Leichtbaus sei die Kreislauffähigkeit, „hier müssen wir unsere Hausaufgaben noch machen“, ist Kellner überzeugt. Die Wende hin zu einer klimaneutralen Gesellschaft und resilienten Wirtschaft könne nur gelingen, wenn das Wirtschaftswachstum nachhaltig vom Ressourcenverbrauch entkoppelt werde. Hierbei sei der Leichtbau eine Transformationstechnologie und liefere einen wichtigen Beitrag für die Entwicklung Deutschlands hin zum grünen Leitmarkt.

Werner Loscheider (Leiter des Referats Bauwirtschaft, Ressourceneffizienz und Leichtbau im BMWK), stellte Details zur geplanten Leichtbaustrategie der Bundesregierung vor: Der Inhaltliche Schwerpunkt liege im Ökologiebereich mit Klimaschutz, Ressourcenschonung, Kreislauffähigkeit, Recycling, Kaskadenförderung und Wissenstransfer. Dabei fokussiert es sich auf ökologische und ökonomische Messbarkeit, um entlang des gesamten Lebenszyklus erkennen zu können, wo man mit Leichtbau wie viel CO2-Emissionen einsparen könne. Bei der geplanten Novelle des TTP LB werden industrielle Materialeffizienz, Werkstoffe, Konstruktionsprinzipien, Digitalisierung & Automatisierung sowie zirkuläre Leichtbaulösungen und Demonstrationsvorhaben Förderschwerpunkte sein. Zusätzlich stellte er die nationalen und internationalen Aktivitäten des Ministeriums vor, die darauf zielen, die Bedeutung des Leichtbaus – so wie beim Leichtbau-Colloquium - noch mehr Menschen bewusst zu machen.  

In seiner inhaltlichen Einführung erläuterte Veranstaltungsinitiator Prof. Dr. Otto Huber, wie die im Titel der Veranstaltung genannten drei Grundthemen Werkstoffe, Konstruktionen, Fertigungstechnologien in Aktivitäten des Forschungsschwerpunkts Leichtbau der Hochschule Landshut zusammen mit Partnern interagieren. Er zeigte dies am Beispiel von Forschungsprojekten zu gießgewalzten Magnesium-Blechen: von der Analyse der Mikrostruktur und mechanischen Eigenschaften des Werkstoffes über die Modellierung der mechanischen Eigenschaften für die FEM-Simulation bis zur Fertigung eines warmumgeformten Strukturbauteils und der Modellierung der Ermüdungsfestigkeit. Aktuelle Forschungsergebnisse zur Entwicklung eines Materialmodells zur Simulation von texturierten Magnesium-Knetlegierungen mittels der Finite Elemente Methode bot später ein Vortrag von Anton Nischler, mit der Kurzzeitermüdung von warmumgeformten Strukturbauteilen aus Magnesiumblech befasste sich Florian Mader (beide Hochschule Landshut).

Plenumsvortrag über Grenzen des Leichtbaus

Im ersten Plenumsvortrag des 11. Landshuter Leichtbau-Colloquiums befasste sich Prof. Dr. Markus Zimmermann (TU München) mit der „Gestaltung im Leichtbau: An die Grenzen des Möglichen“. Er zeigte an ausführlichen Beispielen, dass eine topologieoptimierte Variante nicht immer die bessere Lösung bieten müsse. So können beispielsweise flächige Strukturen bei gleicher Masse höhere Steifigkeiten als Fachwerkgeometrien aufweisen. Auch könne Stahl bei einem Vierkantrohr wegen entsprechender Anforderungen die bessere Wahl sein. Grundsätzlich sollten immer möglichst viele Freiheitsgrade genutzt werden.

Gewichtsoptimierung bedeute Steifigkeitsreduktion bis zur Grenze der Anforderungen. Dabei werden die optimale Materialauswahl oder optimale Lastpfade und automatisierte Auslegungsverfahren durch die Anforderungen definiert. Bei einem Leichtbauroboterarm könnten je nach Lastanforderung Diagonalstreben notwendig sein oder auch nicht. Er empfiehlt die Zielformulierung top-down durchzuführen, die Freiheitsgrade aber bottom-up zu entwickeln. Ab einem bestimmten Komplexitätsgrad sei die Suche nach Detaillösungen nicht mehr sinnvoll. Dann müssten erst die übergreifenden Anforderungen, dann die im Subsystem, in Komponenten und erst dann im Detail betrachtet werden. Da dann die Details allerdings am Anfang nicht bekannt seien, seien große Spielräume bei der Anforderungsmodellierung die Folge. Ein Lösungsansatz biete das „hochtelefonieren“ von Detailinformationen wie Steifigkeit, Masse, Bauraum, um die Variantenvielfalt zu verkleinern, evtl. könne man auch Schätzungen über KI einfließen lassen.

Hohe Anforderungen an Material und Technik in der Luftfahrt

Mit Technologien für umweltfreundliche und wettbewerbsfähigen Flugtriebwerken befasste sich Prof. Dr. Jörg Esslinger, MTU Aero Engines AG, im zweiten Plenumsvortrag. Ziele wie CO2-Einsparung, emissionsfreies Fliegen, Ressourcenverbrauch und Kosten in Herstellung und Betrieb zu senken bedeuten große Herausforderungen – und neue Antriebskonzepte bedeuten immer besondere Anforderungen an Materialien, Verfahren und Design, wie Prof. Dr. Esslinger betonte.

Für Gasturbinen-Triebwerke bedeuten hohe Temperaturen hohe Effizienz. Antriebskonzepte der Zukunft müssten hohe Leistung und hohe Belastbarkeit bei möglichst wenig Gewicht bringen, Technologien wie die Brennstoffzelle bedeuten neue Herausforderungen an die Technik aber auch ans Material und dessen Qualifizierung, dies z. B. auch beim Umgang mit Wasserstoff. Wirtschaftliche Herstellprozesse und Materialien, hohe Lebensdauer, ein Flugzeugtriebwerk hält rund 40 Jahre, und Robustheit sowie vernünftige Instandhaltung nennt er dabei als Ziele.  

In der Luftfahrt seien 80 bis 90 Prozent der Materialien aus Metall und je schwerer das Material, desto temperaturbeständiger sei es. Man versuche ständig Materialien zu finden, die etwas leichter und trotzdem temperaturbeständig sind. Eine Chance sieht er bei Intermetallen, die Vermischung von verschiedenen Metallen, z.B. Titan und Aluminium, um bessere gewichtsspezifische Eigenschaften zu erhalten. Auch faserverstärkte Materialien, Kunststoffe oder auch Keramiken könnten eingesetzt werden, diese seien bisher in der Herstellung allerdings teuer und die Schadenstoleranz sei ein Thema. Auch die Additive Fertigung biete Potenzial, man könne die Freiheitsgrade nutzen, sich näher an die Endkontur heranarbeiten und so Material einsparen sowie besser homogene intermetallische Materialien herstellen. Auch über die Beschichtung, die deutlich bessere Eigenschaften brächte, könne man Material und dadurch Gewicht sparen.

Rohstoff- und Energieeffizienz wichtiges Thema des Leichtbaus

In zwei parallelen Sessions bot das Colloquium ein breites Themenfeld. Dabei spielte das Thema Rohstoff- und Energieeffizienz eine wichtige Rolle. Paul Zwicklhuber (ENGEL Austria GmbH) präsentierte u.a. die Produktion eines Tape-Sandwichs auf Basis von Polypropylen, bei dem eine stoffbündige Verbindung zwischen Tape und Spritzguss erreicht wird. Die Decklagen verbessern die mechanischen Eigenschaften, eine Materialersparnis von bis zu 50 Prozent könne erreicht werden. Auch der Einsatz von Naturfasern sei möglich, aber teuer und komplex in der Bearbeitung. Ähnlich sieht es Wulfram J. Schmucker (AT Avantgarde Technologie, Gilching), auch in der Tailored Fiber Placement (TFP)-Technologie sei neben gängigen Verstärkungsfasern deren Einsatz möglich werden. Dies vor allem durch eine beanspruchungsgerechte Konstruktion von Gelegen - nicht nur im 90 Grad-Winkel zueinander -, von Laminaten und deren Fertigung auch in Serie.

Tim Mayer (Fraunhofer IPA) zeigte, wie Verschnitte von faserverstärkten Organoblechen, die in der Automobilindustrie 30-50 Prozent ausmachen, zu neuen Platten verpresst werden können. Die Direktverarbeitung von Schnittglasfaser im Spritzguss, wodurch Prozessschritte und Kosten gespart und so der ökologische Footprint verbessert werde, zeigten Lazlo Giesgen (Kraus Maffei Technologies GmbH) und Jan Wiedemann (Wirthwein SE). Leichtbau und Brandschutz spielen beim gefalteten Papierkernen des Unternehmens Foldcore GmbH zusammen und seien „High-Tech-Origami“, wie Dr. Yves Klett in seinem Vortrag erläuterte. Das Sandwich aus einem gefalteter Papierkern mit einem Geopolymer als Matrix sowie zwei Deckschichten aus Mica (Glimmer) sei feuerfest und federleicht und damit hervorragend als nachhaltiger Brandschutz geeignet. Gegenüber Stahlkonstruktionen habe das Material im Vergleich zur Masse eine vielfach höhere Steifigkeit, und zeige bei 850 Grad Celsius kaum Änderungen des Materials und seiner Eigenschaften. Dadurch könnten bis zu 80 Prozent des Gewichts eingespart werden. Dies biete breite Anwendungsmöglichkeiten, von der Isolation bei Sicherheitstüren über mobile Anwendungen bis zum Schiffsbau.

Große Bandbreite an weiteren innovativen Leichtbauthemen


Weitere Vorträge befassten sich mit den Eigenschaften von Faser-Kunststoff-Verbunden, z.B. mit der Steifigkeit von ±45°-FKV-Laminaten (Felix Bandmayr, Uni der Bundeswehr) oder den Prozessparametern von vorimprägnierten Kohlefaser-Rovings und deren Auswirkungen auf die mechanischen Eigenschaften von Hochdruck-Tanks (Youssef Mraidi, TU München). Über Untersuchungen der Mikrostruktur und der mechanischen Eigenschaften einer Titan-Aluminium-Legierung berichtete Christoph Stangl. Die mechanischen Eigenschaften und die Leichtbaueignung ausgesuchter gegossener Eisenaluminide hinsichtlich Korrosion und hohen Temperaturen, z.B. für Turbinenschaufeln oder Krümmer, stellte Eva Kollmannsberger (beide Hochschule Landshut) vor.

Die mehr als 30 Fachvorträge boten eine breite Bandbreite an leichtbaurelevanten Themen. Widerstandspunktschweißen von Aluminium-Druckguss und Stahl war im Bereich Verbindungstechnik ebenso ein Thema wie die Verstärkung von Bauteilen durch die Anbindung fließgepresster FVK-Verbindungen und hybride CFK-Aluminium-Klebverbindungen. Neben Betriebsfestigkeitsuntersuchungen und innovativen Wegen der Konstruktion wurde auch das Leichtbau-Potenzial der Additiven Fertigung beleuchtet, sowie der Leichtbau mit Thermoplasten, mit zellularen Werkstoffen und hybriden Strukturen aufgegriffen.

Zusätzlich zu den Vorträgen bot eine begleitende Fachausstellung beste Gelegenheit, sich über neue Entwicklungen zu informieren und den persönlichen Kontakt zu den Ausstellern und Referenten*innen zu suchen. In Laborführungen konnten sich die Teilnehme*innen ein Bild von der technischen Ausstattung des Leichtbau Kompetenzzentrums der Hochschule Landshut machen. Zum zweitägigen Colloquium erschien ein begleitender Tagungsband, in dem 11 wissenschaftlich ausgearbeitete Beiträge von Vortragenden veröffentlicht wurden und der über den Leichtbau-Cluster der Hochschule Landshut zu beziehen ist. Weitere Informationen zur Veranstaltung bietet der Tagungsband zum 11. LLC mit 11 ausgearbeiteten Beiträgen, (detailreichere) Fotos finden Sie in der Bildergalerie, aktuelle Infos immer unter www.leichtbau-colloquium.de