Kostengünstiges Energiedatenmanagement-System entwickelt

Auftakt der Landshuter Energiegespräche im Sommersemester 2021 zeigt das an der Hochschule entwickelte serverless Cloud-Computing-System "Tornado".

Die Landshuter Energiegespräche informieren über aktuelle Entwicklungen in den Bereichen Energietechnik, Energiewirtschaft und Energiepolitik. Beim Auftakt der Reihe im Sommersemester am 12. April 2021 stellte Prof. Dr. Markus Mock (Fakultät Informatik, Hochschule Landshut), das Energiemanagementsystem "Tornado" vor, das an der Hochschule Landshut entwickelt wird und in einer serverless Cloud-Computing-Umgebung die automatisierte Echtzeit-Erfassung von Energiedaten in einer heterogenen Messumgebung und deren Auswertung ermöglicht.

Die Landshuter Energiegespräche stehen in diesem Semester unter dem Motto „Nachhaltige Energiekonzepte“. Diese seien eines der wichtigsten Zukunftsthemen und Grundlage für ein Gelingen der Energiewende, wie Prof. Dr. Marcus Jautze, Vizepräsident der Hochschule Landshut, in seiner Begrüßung betonte. Auch in diesem Semester stehen drei (online-)Vorträge auf dem Programm der Veranstaltungsreihe, die an der Hochschule Landshut vom Forschungsschwerpunkt Energie, dem Technologiezentrum Energie sowie vom Institut für Transfer und Zusammenarbeit organisiert wird. Unterstützt wird sie durch die Kooperationspartner Solarfreunde Moosburg und den Freundeskreis Maschinenbau der Hochschule.

Die Themen Big Data und speziell mobile und verteilte Systeme sind Lehr- und Forschungsschwerpunkte von Prof. Dr. Mock, der das Energiedatenmanagement Tornado mit Unterstützung von Studierenden der Hochschule und Prof. Dr. Stefan-Alexander Arlt, der die Veranstaltung moderierte, entwickelt.

Energienutzung in Gebäuden minimieren

Gerade in Gebäuden werde viel Energie für das Heizen und Kühlen oder die Beleuchtung eingesetzt. Um den CO2-Ausstoß zu minimieren, sei es von besonderer Bedeutung, hier Energie zu sparen. Dabei könnten digitale Energiedatenmanagementsysteme eine wichtige Hilfestellung bieten. Kernstück sei dabei erst einmal ein Energieinformationssystem. Die erste Aufgabe laute, zu messen, wo wie viel Energie gebraucht wird. Energie-Daten müssten erfasst, gespeichert und z.B. über eine Webapplikation zur Verfügung gestellt werden. Erst dann könne man sich mit dem Energie-Management und -Einsparmöglichkeiten befassen.

Mit Tornado wurde ausgehend von Energiedaten der Hochschule Landshut ein proof of concept-System entwickeln, das hoch skalierbar ist, wie Prof. Dr. Mock in seinem Vortrag erklärte. Es sollen die Energie-Daten von einzelnen Gebäuden ebenso wie die von ganzen Regionen abgebildet werden können. Ein Server komme hier schnell an Kapazitätsgrenzen, deshalb habe man sich für ein serverless-Konzept in einer Cloud-Computing-Umgebung entschieden. Ein weiteres wichtiges Ziel sei die Echtzeit-Verarbeitung der Daten gewesen, dies, um schnell reagieren und z.B. Korrelationen zu Wetterdaten herstellen zu können. Wert habe man auch darauf gelegt, Daten von verschiedenen Sensor-Herstellern verarbeiten zu können und die Integration von historische Daten zu ermöglichen. Dies alles sollte bei einer minimalen Kapitalinvestition, bei Verzicht auf komplexe Serverstrukturen und gleichzeitig minimierten Betriebskosten realisiert werden.

Energiedaten in der Serverless-Cloud-Umgebung

Die Erfassung von Daten wie Strom- oder Wasserverbrauch erfolgt über Sensoren, die Daten werden in Tornado durch sog. Raspberry Pis (RPIs), kleine kostengünstige Rechner als Datenkonzentratoren, ausgelesen und in Paketen über das Internet in die Daten-Cloud geschickt. Um einheitliche Daten erzeugen zu können, die auch mit heterogenen Rechnern und Geräten kommunizieren können, setzte man auf die Verwendung der Interface Definition Language und versionierte Datentypen unter Verwendung von „Thrift“. Diese ursprünglich von Facebook entwickelte Datenbeschreibungssprache erlaubt es, für verschiedene Pragrammsprachen automatisierte Routinen zum Lesen und Schreiben sowie zur Netzübertragung zu generieren.

Über die Einbindung von Softwarebibliotheken (AWS IoT Greengrass) können die vernetzten Rasperry Pys und damit das Messsystem von der Cloud aus geändert bzw. aktualisiert werden. Allerdings sei es über das Tornado-Edge-Computing auch möglich, Code vor Ort ablaufen lassen, ohne mit der Cloud zu kommunizieren: Dadurch können beispielsweise Entscheidungen u.a. bei Anomalien auch lokal in großer Geschwindigkeit getroffen werden.

Das Cloud-Backend bei einem bekannten Anbieter verspricht 99,999% Verfügbarkeit, ein Wert, der mit selbst betriebener Server Infrastruktur kaum erreichbar ist – und dies bei geringem Kostenaufwand und geringen Betriebskosten. Über Server und zusätzliche Kapazitäten müsse man sich keine Sorgen machen, es werde automatisch skaliert. Verschiedene Services bzw. serverless-Funktionen für die Verarbeitung von Daten werden genutzt. Bezahlt wird für die Zeit, in der Programme ausgeführt werden, im Idealfall fallen keine Kosten an, wenn keine Daten erfasst oder verarbeitet werden. „Beim serverless-Computing kümmere ich mich nur um meine eigenen Programm-Codes, eine Skalierung von 0 bis nahezu unendlich ist möglich“, ist Prof. Mock von dieser Technologie überzeugt. Eine Konzentration zu fast 100 Prozent auf das eigentliche Problem werde dadurch möglich.

Sowohl Datenerfassung, Datenaggregation, Detektion von Verbrauchsanomalien und Visualisierung (Web-Frontend) und auch die Verarbeitungsfunktionen auf den RPIs erfolgen über die von der serverless Cloud zur Verfügung gestellte Funktionen. Die Visualisierung von Ergebnissen wird über ein Web Frontend umgesetzt, hier werden Daten aus der Datenbank live abgefragt. Über den Anbieter können statische Seiten angelegt und über eine Webadresse bereitgestellt werden; auch für Datensicherheit sei gesorgt, die Authentifizierung werde durch die AWS Applikation „Cognito“ geschützt.

Auch maschinelles Lernen umgesetzt

Dabei haben Prof. Dr. Mock und sein Team neben einer manuellen Datenanalyse, die beispielsweise die erzeugte Strommenge in PV-Anlagen erfasst, auch ein automatisiertes Erkennen von Anomalien über maschinelles Lernen umgesetzt. So lernt das System wie der Normalverbrauch aussieht und erkennt eine Abweichung, wenn beispielsweise ein Wechselrichter defekt ist oder ein Wasserrohrbruch vorliegt. Bei relativ gut vorhersehbaren Verbräuchen, etwa beim Gesamtenergieverbrauch eines Gebäudes, sei dies noch relativ einfach umzusetzen, bei PV-Anlagen werde das Thema komplexer, da hier Wetterdaten mit einbezogen werden müssen. Per Sensorsynthese werden normalisierte Werte für die PV-Stromproduktion und die Globalstrahlung der Sonne, die aus Daten einer eingebundenen Wetterstation und des Deutschen Wetterdienstes generiert werden, errechnet, dadurch können Anomalien erkannt werden.

Das Ziel, die Kosen des Systems niedrig zu halten, werde mit Tornado erreicht. Für das System mit ca. 100 Sensoren, die in einem Zeitintervall von 1 bis 15 Minuten ausgelesen werden, liegen die Betriebskosten bei ca. 30 Euro pro Monat. Auch bei einer deutlich höheren Zahl an Sensoren steigen die Kosten nur minimal.
Eine Online-Demonstration des Systems gab den Teilnehmern Einblicke in die Funktionalitäten von Tornado. Dies von der Live-Ansicht von Energiebedarfen und der erzeugten Strommenge von PV-Anlagen bis zum Abgleich mit aktuellen Wetterdaten, um Unregelmäßigkeiten erkennen zu können. Prof. Dr. Mock erläuterte abschließende die Vision des Projektes: Es könnte für das Facility Management genutzt werden, für Lehre, Energiehandel oder auch die Interaktion mit Anbietern, um das Ziel von effizientem Einsatz von Energie bei geringen Kosten zu ermöglichen und damit die Energiewende zu beflügeln.

Weitere Informationen zu den Vorträgen der Landshuter Energiegesprächen unter www.haw-landshut.de.la-energiegespraeche.