KinderUNI: Gefühle sind (über)lebenswichtig

Warum bin ich fröhlich? Warum habe ich Angst? Wie kommt die Wut in meinen Bauch? Antworten auf diese Fragen suchten am Nachmittag des 22. Juni rund 70 Kinder zwischen 6 und 12 Jahren an der Hochschule Landshut. Die jungen Studentinnen und Studenten waren zu Gast bei der KinderUni-Vorlesung der Psychologie-Professorin Dr. Eva Wunderer aus der Fakultät Soziale Arbeit.

Wie erkenne ich Gefühle? Darauf wussten die Kinder viel zu sagen: daran, was jemand tut, in welcher Situation er sich gerade befindet, wie er spricht – und vor allem: wie er schaut. Dass wesentliche Gefühle am Gesicht abzulesen sind, und das über ganz verschiedene Kulturen hinweg, zeigt auch die Forschung. Der Gesichtsausdruck bei Wut, Freude, Trauer, Ekel, Überraschung und Angst muss also zum Großteil angeboren sein, denn sonst wäre er bei Menschen in ganz unterschiedlichen Erdteilen nicht so ähnlich.

Wenn etwas von Generation zu Generation vererbt wird, heißt das auch: es muss wichtig sein für die Menschheit. Stimmt, denn: Gefühle haben eine Schutzfunktion für uns. Besonders die Gefühle, die wir gar nicht so gerne haben, z.B. Ekel, Neid oder Ärger. Negative oder schlechte Gefühle gibt es also nicht, nur unangenehme, denn alle sind für uns (lebens)wichtig. Und das unabhängig davon, ob wir Jungen oder Mädchen, Männer oder Frauen sind. Gefühle sind für alle da, nicht nur für ein Geschlecht. Indianer kennen also Schmerz und Mädchen dürfen ebenso wütend sein wie Jungen. Auf die Frage, ob denn ihre Väter auch mal weinten, meinten dennoch die meisten Kinder: „Nee, nie!“  Denn: wir lernen im Laufe unseres Lebens viel darüber, welches Gefühl wann und für wen angebracht ist und wie es gezeigt werden darf. Wenn ein Junge erfährt, dass er ausgelacht wird, wenn er weint, oder Erwachsene sagen, dass Weinen doch eher etwas für Mädchen ist, so wird er sich die Tränen abgewöhnen – schade darum, denn sie tun gut.

Gefühle haben also mit Erfahrung zu tun. Ein Baby weiß noch nicht, dass das, was es spürt, Trauer oder Wut ist, es muss die Begriffe erst noch lernen. Neben der Empfindung hat ein Gefühl drei weitere Bestandteile: Gedanken, körperliche Reaktionen und Handlungsimpulse. Wenn ich eine dicke Spinne sehe, die sich über mir abseilt, werde ich vielleicht Angst wahrnehmen, mein Herz beginnt rasch zu schlagen und mein Atem geht schneller – der Körper wird in Alarmbereitschaft versetzt und ist bereit zu kämpfen oder zu fliehen. „Ihgitt, die krabbelt gleich über meinen Kopf“, werde ich vielleicht denken – und das wird Furcht und Ekel verstärken. Das heißt: Gefühle lassen sich über Gedanken steuern. Wenn ich es schaffe, mir zu sagen: „Ich bleibe ruhig, die Spinne wird mir nichts tun“, kann ich die Angst mindern.

Diese Strategie wurde in der KinderUni als „Gedankenpolizei“ vorgestellt. Sie kann uns wertvolle Dienste leisten im Umgang mit Gefühlen, zum Beispiel auch bei Wut. Die meisten Kinder machten den Vorschlag, sich bei Wut abzureagieren, z.B. in ein Kissen zu beißen oder laut zu schreien. Das kann helfen, zudem kann ich aber die Gedankenpolizei zum Einsatz bringen: „Ich bleibe ruhig“, „Ich zähle bis 10 und verlasse den Raum“ oder „Wer schreit, hat unrecht“ – so schaffe ich es, die Wut in meinem Bauch zu zähmen.

Das Gehirn ist also aktiv, wenn es um Gefühle geht – und das natürlich nicht nur, weil ich über Spinnen nachdenke oder das Gehirn auf Hormone, Botenstoffe des Körpers, reagiert, die z.B. bei Stress oder Freude ausgeschüttet werden. Im Gehirn befinden sich die sogenannten „Spiegel-Zellen“, die vor einigen Jahren zufällig von einer italienischen Forschergruppe entdeckt wurden, als sie Versuche mit Affen im Labor durchführte. Die Spiegelzellen lassen uns fühlen, was andere fühlen, sie reagieren genau so, wenn ich jemand anderen weinen sehe wie wenn ich selbst weine – und sind damit eine wichtige Voraussetzung für unser Mitgefühl.

Zwischen Vortrag und Diskussionen gab es bei der KinderUni auch Lieder zum Mitmachen – und zum Schluss wurde ein „Gefühls-Barometer“ gebastelt: Ein Kreis, eingeteilt in sechs Bereiche, die für verschiedene Gefühle stehen. So können die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der KinderUni sich selbst schulen, ihre Gefühle wahrzunehmen. Und sie können andere darauf hinweisen, indem sie das Barometer zum Beispiel an ihre Zimmertüre hängen und einen Pfeil auf das aktuelle Gefühl richten – schon weiß jeder, ob das Mädchen bzw. der Junge hinter der Tür fröhlich oder ängstlich ist oder Wut im Bauch hat.