Internet of Things: Neue Services rücken Kunden in den Mittelpunkt

Vortrag an der Hochschule zeigt, wie Unternehmen Herausforderungen der Digitalisierung aktiv gestalten können

Die jüngste Veranstaltung im Rahmen der Reihe Technologie und Innovationsmanagement der Hochschule Landshut beschäftigt sich am 16. Oktober 2017 mit dem zukunftsweisenden Thema „Internet of Things im Zeitalter der Digitalisierung“. Mit Prof. Dr. Abdelmajid Khelil (Hochschule Landshut, Fakultät Informatik), der die technischen, organisatorischen und wirtschaftlichen Grundlagen des IoT vorstellte, und Dr. Niels Kuschinsky (BSH Hausgeräte GmbH), der Einblick in eine konkrete Umsetzung bei einem Markt- und Innovationsführer gab, boten zwei Top-Experten den rund 70 Teilnehmern wertvolle Einblicke und Empfehlungen.

Hochschulpräsident Prof. Dr. Stoffel betonte in seiner Begrüßung die Bedeutung des Themas Digitalisierung, das eines der Schwerpunktthemen der Hochschule Landshut für Studium, Forschung und Weiterbildung sei. Neben einem neuen Innovationslabor habe man sich aktuell um ein eigenes Institut für Digitalisierung beworben, auch baue man zusammen mit Stadt und Landkreis das digitale Gründerzentrum Landshut auf. Gerade der Kontakt und der Transfer zwischen Hochschule und KMUs sei in diesem Bereich wichtig, die Veranstaltung biete hierzu eine hervorragende Gelegenheit.

Neue Geschäftsideen im Zeitalter des Kunden

Das vor rund 50 Jahren eingeführte Internet sei heute selbstverständlich. Das Internet of Things, das Gegenstände, Gemüsebeete aber auch Tiere und Menschen vernetzen und selbständige Aktionen durchführen könne, schaffe neue, bisher ungeahnte Möglichkeiten und beflügle dadurch die Phantasie für neue Anwendungen in verschiedensten Bereichen, wie Prof. Dr. Markus Schmitt, wissenschaftlicher Leiter der Veranstaltungsreihe, einführend erläuterte. Damit greife der Begriff Internet der Dinge eigentlich zu kurz: nicht nur Dinge könnten vernetzt werden, sondern eigentlich alles. Und dementsprechend groß seien die Erwartungen an das IoT, wie Prof. Dr. Abdelmajid Khelil (Fakultät Informatik, Leiter des Innovationslabors der Hochschule Landshut) in seinem Vortrag "Internet der Dinge als Innovationsmotor" bestätigte.

Doch erst in 8-10 Jahren werde das IoT tatsächlich kommen, so die Einschätzung in verschiedenen Studien. Trotzdem zeige das Beispiel Internet, wie wichtig es sei, sich frühzeitig mit einem solchen Thema auseinanderzusetzen: hier hätten Start-ups mit neuen Ideen den Markt betreten und wären zu Big Playern geworden, während andere etablierte Unternehmen den Trend verschlafen hätten und vom Markt verschwunden wären. Das IoT sei gleichbedeutend mit Innovation bzw. hohem Innovationsbedarf. Alles was sich digitalisieren und vernetzen lässt, wird vernetzt werden, ist er überzeugt.

Der für das IoT geltende Hauptsatz sei von Prof. Dr. Elger Fleisch (Universität St. Gallen) formuliert worden und lautet „Thing + IT = Function + Services“. Dem entsprechend müsse ein „Ding“ seine Funktion behalten, könne aber smarter werden und zusätzlich neue Services könnten angeboten werden, die die Chance des IoT nutzen. Für Unternehmen bedeute dies, sich weg vom reinen Verkäufer hin zum Servicedienstleister zu entwickeln. Dabei rücke das Nutzerverhalten und der Kunde in den Mittelpunkt, IoT bedeutet „das Zeitalter des Kunden“, ist Khelil überzeugt. Dessen Bedarfe müssen erkannt und in neue flexible Geschäftsideen umgesetzt werden, hin zu Individualisierung, vom Produkt zu Services sowie Sharing anstatt von Produktbesitz. Vom autonomen Fahren, über intelligente Werkzeuge bis hin zu Apps, die die Spargelernte unterstützen oder den vernetzten Schnuller reiche die Bandbreite. „Warten Sie nicht, starten Sie“ fordert er die Teilnehmer auf, entwickeln Sie schnell Prototypen, entwickeln Sie diese agil weiter und entwickeln Sie ein Geschäftsmodell lauten seine Empfehlungen.

Mit enger Kundenbeziehung zur Smart Kitchen

Ein Best Practice-Beispiel, wie ein Unternehmen die Herausforderungen und Chancen des IoT aktiv annimmt, zeigte der Vortrag "Home Connect – Vom Produkt- zum Plattform-Geschäft" von Dr. Niels Kuschinsky, bei der BSH Hausgeräte GmbH weltweit für die Digitalstrategie und die Entwicklung neuer digitaler Capabilities verantwortlich. BSH vor etwa 4-5 Jahren angefangen sich mit dem Thema Digitalisierung zu befassen und habe vor 3 Jahren eine Digitalstrategie festgelegt sowie eine Organisationsstruktur für kundennahe Digitalthemen aufgebaut. Dies hätte für das Unternehmen, das bis dahin als B2B-Anbieter kaum Kontakt mit Kunden hatte, ein enormes Umdenken bedeutet. Man wolle eine enge Kundenbeziehung aufbauen, um seine Probleme und Bedarfe erkennen und darauf reagieren zu können. Vernetzte Hausgeräte bieten bis hin zur Smart Kitchen natürlich eine gute Möglichkeit, einen Mehrwert zu bieten und neue Services aufzubauen. Die richtige Nachricht müsse im richtigen Moment den Kunden ansprechen. Denkbar wäre beispielsweise eine Handybenachrichtigung, wenn ein Kunde das Haus verlässt und der E-Herd noch an ist.

Allerdings gäbe es „den“ Nutzen für den Kunden nicht, jeder habe andere Vorstellungen, auch sei in der aktuellen Phase der Kunden selbst noch nicht von den IoT-Vorzügen überzeugt, man befinde sich in einer Technology-Push-Phase, beschreibt er die Herausforderungen. Wegen des hohen Entwicklungsaufwandes könne man auch nicht alle Ideen umsetzten, man müsse sich fokussieren und überlegen, was Priorität habe. Im Vorfeld sei es allerdings wichtig, Grundüberlegungen anzustellen, Rahmenbedingungen  und strategische Eckpfeiler festzulegen. Ein Proof of Concept stehe am Anfang einer Entwicklung, sei dieser erfolgreich, müsse nicht jedes Detail im Vorfeld heruntergebrochen werden; lieber solle man mit weniger Features starten und dann weiterentwickeln, wenn man sieht, wie der Markt bzw. der Kunde darauf reagiert hat.

Durch vernetzte Geräte Mehrwert schaffen

Dabei baut BSH beim Thema Home Connect-Plattform auf Apps, die verschiedene Netze verlinken, verschiedene Marken integrieren können. „Über Smartphone können Sie alles und noch ein wenig mehr als das, was Sie am Gerät können“, erklärt Kutschinsky. Bereits heute bietet BSH in allen Modellvarianten „connected“ Geräte an, dies allerdings bisher eher im hochpreisigen Segment als Nischenprodukt, „doch das soll sich ändern“, wie er erklärt. Mit der Digitalisierung habe sich der Markt verändert, auch Amazon oder Google könnten als Wettbewerber ins Spiel kommen. BSH versuche deshalb, diese Big Player über Partnerschaften einzubinden. So könnte z.B. Alexa die Antwort auf die Frage liefern, wie lange die Waschmaschine im Keller noch läuft. 

Gerade durch das Monitoring von vernetzten Geräten und des Nutzerverhaltens könne man Mehrwert generieren. Dies beispielsweise, wenn nach häufiger Verwendung von Niedertemperaturprogrammen wieder mal eine Kochwäsche zu empfehlen sei oder auch bei anstehenden Reparaturen. Die Zukunft sieht auch Koschinsky in neuen Services, mit denen weiterer Umsatz generiert werden könne. Als erste Beispiele nennt er u.a. den automatisierten Kauf von Tabs für die Spülmaschine oder eine Rezepte-App, über die auch Zutaten gekauft und Kochempfehlungen gegeben werden könnten. Insgesamt müsse man ein Gefühl für die Kunden entwickeln, um neue Geschäftsmöglichkeiten erschließen zu können.

Die Veranstaltungsreihe Technologie- und Innovationsmanagement wird vom Institut für technologiebasierte Zusammenarbeit der Hochschule Landshut, unter der wissenschaftlichen Leitung von Prof. Dr. Markus Schmitt (Fakultät ET/WI), in Kooperation mit der DGQ sowie der Regionalgruppe Ost-/Niederbayern des VWI durchgeführt. Darin beleuchten ausgewiesene Experten aus Wissenschaft und Wirtschaft unterschiedliche Aspekte dieses für den Erfolg von Unternehmen häufig ausschlaggebenden Themas.