Erfolgreiche Vorstellung der Studie ‚bewoHLa‘ – Wenn Wissenschaft Wirklichkeit bereichert

Die Fachveranstaltung „Wohnen+ in Niederbayern“, die von der Hochschule Landshut in Kooperation mit dem Katholischen Männerfürsorgeverein München e. V. (KMFV) und der Koordination Wohnungslosenhilfe Südbayern mit der Unterstützung des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales (StMAS) organisiert wurde, stieß auf großes Interesse.

Landshut/ München, 8. Juni 2022 - Das Thema Wohnen gilt als die soziale Frage unserer Zeit. Dies wird nicht zuletzt dokumentiert durch die 2019 vom Bayerischen Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales veröffentlichte Stichtagserhebung zur Anzahl wohnungsloser Menschen in Bayern aus dem Jahr 2017. Allein von 2014 bis 2017 ist die Zahl wohnungsloser Menschen in Bayern von knapp 12.000 auf gut 15.500 und damit um fast 30% gestiegen. Auf Bundesebene ist erst in diesem Jahr die erste deutschlandweite Wohnungslosenstatistik erhoben worden. Eine Veröffentlichung steht noch aus.

Wohnen+ bedeutet für die Koordination der Wohnungslosenhilfe in Schwaben, Oberbayern und Niederbayern nicht nur an der Verbesserung und dem Ausbau ambulanter Beratungsstrukturen für von Wohnungslosigkeit bedrohte und betroffene Menschen zu arbeiten, sondern sich darüber hinaus auch damit zu beschäftigen, warum es in unserer Zeit so schwierig geworden ist, den Wohnungsbau im leistbaren Mietsegment für breite Bevölkerungsschichten voranzubringen. In dem gewählten Format gelang es den Veranstaltenden, Politik, Verwaltung, Praxis und Lehre zusammen zu bringen und aufzuzeigen, wie die unterschiedlichen Bereiche voneinander lernen und damit profitieren können.
 
Daran anknüpfend machte Jörn Scheuermann, Koordinator der Wohnungslosenhilfe in Bayern, auf dem Fachtag darauf aufmerksam, dass eine Gesellschaft noch so viele Menschen gut in der Sozialen Arbeit ausbilden kann. Wenn es nicht gelingen sollte, die Wende am Mietwohnungsmarkt einzuleiten, erschwert es deren Arbeit immens. Kann der notwendige günstige Wohnraum nicht geschaffen werden, dann können auch hunderte von Sozialarbeitenden nur schwer ihre Ziele erreichen, nämlich Menschen zu beraten, zu unterstützen und in ihrer Autonomie zu stärken, um Teilhabe in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens zu realisieren. Das Wohnen gehört hier existenziell dazu.

Die effektivste Schraube für günstige Mieten bleibe jedoch die in der bayerischen Verfassung verankerte sozial gerechte Besteuerung von Grund und Boden, um dem internationalen Spekulationsgeschehen überhaupt etwas entgegen setzen zu können. Hier traue sich jedoch auf politischer Ebene niemand heran. Zuvor hatte der Präsident der Hochschule Landshut Prof. Dr. Fritz Pörnbacher die Veranstaltung mit folgenden Worten eröffnet: „An der Fakultät Soziale Arbeit der Hochschule Landshut wird die Praxisforschung großgeschrieben. Ein gutes Beispiel dafür ist das Forschungsprojekt ‚bewoHLa‘, das im Zuge des Fachtags vorgestellt wird. Ich bin Projektleiterin Prof. Dr. Karin Liel sehr dankbar, dass sie dieses Projekt mit ihrem Team gemeinsam umgesetzt hat, denn die Ergebnisse liefern Impulse für einen wichtigen Diskurs über die Frage ‚Wie wollen wir wohnen?‘“ Auch in Landshut ist Wohnraum knapp. Deswegen müsse hier unbedingt Präventionsarbeit geleistet werden. Wie das Projekt ‚bewoHLa‘ zeige, nehmen die Hochschule Landshut und die Fakultät Soziale Arbeit ihre gesellschaftliche Aufgabe sehr ernst. Denn neben Lehre und Forschung ist laut Pörnbacher auch der Bereich Transfer eines der wichtigen Tätigkeitsfelder von Hochschulen.

Zusammenarbeit und offener Austausch entscheidend

Die leitende Ministerialrätin im StMAS Susanna Schüssler überbrachte nicht nur die Grüße von Staatsministerin Ulrike Scharf, sondern führte weiter aus: „Die komplexen Fragestellung bei Wohnungs- und Obdachlosigkeit lassen sich nur durch Zusammenarbeit und offenen Austausch aller Beteiligten lösen. Das haben der Fachtag und die Ergebnisse der Studie deutlich gezeigt. Ich freue mich, dass die Bayerische Staatsregierung durch die Finanzierung von Modellprojekten über den Aktionsplan ‚Hilfe bei Obdachlosigkeit‘ hierzu einen aktiven Beitrag leisten kann.“

Bezirksrätin Martina Hammel (CSU) vertrat den Bezirkstagspräsidenten Dr. Olaf Heinrich mit folgenden Worten: „Der Bezirk Niederbayern hat als Träger der überörtlichen Sozialhilfe eine wichtige Rolle bei der Bekämpfung von Wohnungslosigkeit, auch wenn der Bezirk Niederbayern aktuell (noch) keine eigene stationäre Einrichtung zur (teil-)stationären Leistungserbringung hat. Es ist sehr erfreulich, dass die Bayerische Staatsregierung mit der Erhöhung der Mittel auf die dramatisch steigende Zahl wohnungsloser Menschen auch in Niederbayern reagiert. Damit können aktuell vor allem notwendige ambulante Strukturen der Wohnungsnotfallhilfe sukzessive aufgebaut werden.“

Im Rahmen des Fachtags vertrat der Bürgermeister der Gemeinde Niederaichbach Josef Kaus (CSU/ FW) die Kommunalpolitik und betonte zusammen mit Jörn Scheuermann, dass vor allem auch der Verkauf von Wohnungsbeständen im Besitz des Bundes, der Länder und Kommunen an private Finanzinvestoren und der damit verbundene Rückgang von Wohnungen mit Sozialbindung voll durchschlüge. Gab es 1990 noch über 3 Millionen Wohnungen mit Sozialbindung so ist diese Zahl bis 2022 auf 1 Million zurückgegangen.

Bürokratie abbauen

Eindrucksvoll zeigte zudem Prof. Dr. Katrin Liel im Rahmen der Präsentation der Ergebnisse der Studie bewoHLa auf, dass die interkommunale Zusammenarbeit zuständiger Stellen und Behörden dringend optimiert werden müsse, um Wohnungsnotfällen bürokratiearm, Steuermittel sparend, aber dennoch lösungsorientiert und effektiv begegnen zu können.

Thomas Ballweg, der stellvertretende Vorstand des KMFV, stellte darüber hinaus fest, dass es einer gemeinsamen Anstrengung vieler Akteure bedarf, um Wohnungsnot erfolgreich zu bekämpfen: der Kommunen, die für die ordnungsrechtliche Unterbringung zuständig sind, der Landkreise und Städte, der Bezirke als Träger der Sozialhilfe, der freien Wohlfahrtspflege, der Wohnungswirtschaft, der verschiedensten Behörden, der Gerichte sowie der Zivilgesellschaft.

Letztlich benötigen wir eine offene Gesellschaft, die auch bereit ist, die wohnungslose Menschen wieder in ihre Mitte aufzunehmen, etwa durch bürgerschaftliches Engagement in der Wohnungsnotfallhilfe, die Vermietung von Wohnraum und einen vorbehaltlosen Umgang mit den Betroffenen. Neben der humanitären Aufgabe sei die Hilfe für Menschen in Wohnungsnot auch eine wirtschaftlich sinnvolle Investition. Je früher die Hilfe einsetzt, desto effizienter ist sie. Deshalb sind besonders Familien in den Fokus zu nehmen, aber auch Menschen mit mehrfachen Handicaps wie Behinderung, Krankheit, Alter oder Arbeitslosigkeit.

Tassilo Winhart, Leiter der Angebote des KMFV in Freising und Landshut ergänzte: „Wenn Menschen in Ihrer Situation so belastet sind, dass sie nicht von sich aus Hilfe nachfragen können, ist es erst recht unsere Pflicht sie zu unterstützten. Wir versuchen dem durch niedrigschwellige Aufsuchende Hilfe nah zu kommen.“

Die Moderatorin der den Fachtag abrundenden Podiumsdiskussion, Prof. Dr. Christiane Heigermoser, Lehrkraft für besondere Aufgaben sowie Frauenbeauftragte der Fakultät Soziale Arbeit, fasste abschließend treffend zusammen: „Aus einem Fachtag wurde ein Trialog – das schafft Basis!“

Die aktuell über den Aktionsplan „Hilfe bei Obdachlosigkeit“ des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales geförderten Modellprojekte des KMFV, die versuchen, den Rechtsansprüchen von betroffenen Menschen auf Beratung gegenüber den Sozialbehörden in Stadt und Landkreis abzuhelfen, gehen nun in die entscheidende Phase. Es bleibt spannend, ob es gelingt, diese in eine kommunale Regelfinanzierung zu überführen.

Pressekontakt:
Koordination Wohnungslosenhilfe Südbayern
Jörn M. Scheuermann
Tel.: 0179/2402855
scheuermann(at)wohnungsnotfalhilfesued.bayern 
www.wohnungslosenhilfe-bayern.de