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Ein ideales Umfeld, um Innovatives zu erforschen

5 Jahre TZ PULS! In kurzen Interviews haben die vier Professoren, die am TZ PULS mit ihren Mitarbeiter*innen forschen und lehren, Fragen anlässlich des 5-jährigen Jubiläums beantwortet.

Markus Schneider ist Professor für Logistik, Material- und Fertigungswirtschaft an der Hochschule Landshut und Experte für Lean Management und intelligente Produktionslogistik inklusive Industrie-4.0-Komponenten. Er leitet das Technologiezentrum Produktions- und Logistiksysteme (TZ PULS) mit der 900m2 großen Musterfabrik seit dessen Gründung 2016. Red.: Wie kam es zu der Idee, in Dingolfing ein Technologiezentrum für Produktions- und Logistik­systeme zu gründen? Und was war Ihnen bei der Konzeption des TZ PULS besonders wichtig?

Schneider: Den Anstoß gab die Stadt Dingolfing, die damals bei der Hochschule Landshut anfragte, ob wir gemeinsam etwas aufbauen könnten. Innerhalb der Hochschule wurden verschiedene Vorschläge diskutiert, die letztendlich zur Errichtung des Technologiezentrums führten. Ein Handlungsstrang war die Einführung von berufsbegleitenden Master-Studiengängen, ein anderer war mein Vorschlag, eine Lern- und Musterfabrik für Produktionslogistik zu errichten. Diese bildet den Kern eines Technologiezentrums. Seinerzeit hatte ich schon eine 200m2 große Lernfabrik am Standort Landshut, die für die weitere Konzeption als Basis diente. Das Ganze haben wir auf 900 m2 erweitert, mit der Idee, das gesamte Technologiezentrum als „U“ rund um diese neue Musterfabrik aufzubauen: die Idee ist, im Seminarraum Unterricht zu halten und stets den Bezug zur physischen Musterfabrik herzustellen. Neben der Lehre sollte das TZ PULS vor allem auch ein idealer Forschungsstandort werden und den Mitarbeitern ein optimales Umfeld bieten, um zu forschen und Innovationen hervorzubringen. Wir verfolgen das Ziel, die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen und speziell der bayerischen Industrie zu fördern, damit sie mithilfe unseres Wissens die Produktion in Deutschland halten kann. Dazu müssen wir das als Hochkostenland ein Stück effizienter und effektiver machen als anderswo. Red.: Was unterscheidet das TZ PULS von anderen Technologiezentren? Schneider: Die Musterfabrik, also der Kern des TZ PULS, unterscheidet sich von anderen darin, dass wir ihr eine durchgängige Struktur gegeben haben. Wir simulieren ein mittelständisches Unternehmen, das ein Produkt – bei uns einen Bodenroller – produziert. Es wird eine durchgängige Musterfabrik vom Wareneingang bis zum -ausgang, also der komplette Wertschöpfungsprozess, dargestellt. Das zeigen wir in den zwei Entwicklungsstufen: Zum einen können wir mit unserer Lernfabrik jedes Unternehmen da abholen, wo es heute bezüglich seiner Prozessreife steht: Wie baue ich mit einfachen Mitteln stabile und effiziente Produktions- und Logistikprozesse auf? Und zum anderen haben wir mit der eigentlichen Musterfabrik eine Hochleistungslogistik und -montage, die alle Möglichkeiten der Smart Factory, der Industrie 4.0, nutzt und mit den Lean Elementen verbindet. Red.: Inwiefern profitieren Unternehmen von der Zusammenarbeit mit dem TZ PULS? Schneider: Die Unternehmen können bei uns nicht nur viele Technologien sehen und Ideen sammeln, sondern bekommen von uns auch eine Einschätzung, wo sie heute stehen. Davon wiederum können sie mit uns Maßnahmen ableiten, um sich auf die nächste Stufe in puncto Reifegrad zu heben. Wir können sowohl Unternehmen, die noch in der Push-Werkstattfertigung sind, unterstützen, als auch solchen, die schon sehr weit in ihren Prozessen und Technologien fortgeschritten sind, mit vielen eigenen Innovationen neue Möglichkeiten eröffnen. Red.: Was wäre beispielsweise ein aktuelles Projekt am TZ PULS, das produzierende Unternehmen innovativ unterstützt? Schneider: Unser aktuell größtes Projekt ist PR|IN|CE; das steht kurz für Process Innovation Center. In diesem Projekt helfen wir Unternehmen, ihre Prozesse wirklich innovativ und radikal neu zu gestalten. Bei den ersten Praxiskontakten mit den zwölf Unternehmen, die sich dafür gemeldet haben, geht es erst einmal darum einzuschätzen, wo sie derzeit stehen – ob sie überhaupt schon so weit sind, Prozessinnovation anzugehen, oder ob sie mit konventionellen, bekannten Methoden ihre Prozesse erst einmal stabilisieren sollten. Da können wir wertvolle Tipps und Einschätzungen geben. Vor kurzem hat ein Unternehmer aus fast 850 km Entfernung das TZ PULS besucht. Er hat den weiten Weg auf sich genommen, um mit uns Technologien zu diskutieren. Wir sind mit dem Ergebnis auseinandergegangen, dass eine Vision, eine Zielsetzung für das Unternehmen zu finden, eigentlich der nächste Schritt wäre, bevor wir Technologien auf dieses Ziel hin ausgerichtet auswählen können. Auch hier ist erst einmal ein Zwischenschritt zu tun. Trotzdem glaube ich, dass das eine wertvolle Erkenntnis für den jungen Unternehmer war. Red.: Welche Pläne und Wüsche haben Sie mit dem TZ PULS für die nächsten 5 Jahre? Schneider: Die Pläne für die nächsten Jahre sind insofern vorgezeichnet, als wir weiter den Menschen in den Mittelpunkt stellen wollen. Wir streben keine menschenleere Fabrik an, sondern wollen die Flexibilität des Menschen vornehmlich in der Montage, in der Produktion nutzen. Wir werden uns darauf konzentrieren, diesen Menschen – ob Führungskraft oder Werker – optimal mit Material und Information zu versorgen. Logistik transportiert ja nicht nur Material sondern auch Information. Dies setzt zweierlei voraus: Zum einen wollen wir den gesamten Materialzuführungsprozess automatisieren. Und zum anderen müssen wir dazu viel mehr Informationen erfassen, also die Fabrik mit Sensoren ausstatten und diese Informationen den Menschen beispielsweise für Entscheidungsprozesse richtig zur Verfügung stellen. Um diese zu unterstützen, kommen Themen wie KI oder Digitaler Zwilling ins Spiel. Was ich mir wünschen würde? Dass wir mehr Förderung bekommen, die ebenfalls auf den Menschen, den forschenden Menschen ausgerichtet ist; dass Menschen mit ihren Fähigkeiten hier gefördert werden, nicht nur Projekte. Momentan ist alles hier projektfinanziert, was bedeutet, dass am Ende eines Projektes die bearbeitende Person geht, egal wie gut sie ausgebildet ist. Ich glaube, dass wir auf diese Weise sehr viel Potential für unsere Gesellschaft verschenken. Beispiel Corona: Wir hätten hier viele gut ausgebildete und schlaue Leute gehabt, die in Form eines Think Tanks helfen hätten können, die anstehenden Probleme zu lösen. Dass wir projektgebunden sind, bindet uns teilweise die Hände und macht uns extrem langsam. Bis eine projektgebundene Finanzierung steht, gehen Monate, Jahre ins Land, bis wir als Forschende auf ein akutes Problem reagieren können. Ich sähe großes Potential darin, das heutige Forschungssystem um eine personengebundene Förderung zu ergänzen, so etwas wie Think Tanks. Damit könnten wir mit unserem Wissen schnell auf so ein aktuelles Thema mit aufspringen und Lösungen erarbeiten ,statt monatelang darauf zu warten, bis irgendwann eine Forschungsausschreibung zu dem Thema kommt und greift.