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Ein glückliches Momentum

Was bringt das TZ PULS als „Außenstelle der Hochschule Landshut" in Dingolfing der Region? Darum geht es im dritten Interview der Reihe „5 Jahre TZ PULS".

Porträt von Prof. Röh
Porträt von Prof. Röh

Prof. Dr. Carsten Röh ist Professor für Automobilwirtschaft an der Hochschule Landshut. Am Technologiezentrum Produktions- und Logistiksysteme widmet er sich dem Schwerpunkt „Beschaffung und Lieferantenmanagement“. Zuvor arbeitete er vierzehn Jahre lang in Vertriebs- und Beschaffungsfunktionen in der Automobilindustrie.Red.: Was macht für Sie die Besonderheit des TZ PULS aus?

Röh: Am TZ PULS verfolgen wir das Ziel, „gemeinsam Zukunft zu produzieren“ – dies mit Unternehmen und deren Mitarbeitern in der Region. Unser Standort in Dingolfing mit der Musterfabrik bietet uns eine hervorragende Infrastruktur, um das Thema Produktions- und Logistiksysteme sowie Beschaffung in Forschung, Lehre und hinsichtlich Wissenstransfer anzugehen. Mit Wissenstransfer meine ich, dass wir Forschungsergebnisse gemeinsam mit Unternehmen der Region erarbeiten und diese Ergebnisse in die Unternehmen zurückspielen, sei es beispielsweise in Form von Forschungskooperationen oder als Weiterbildungsformate. Red.: Wie profitiert die Hochschule Landshut von ihrer Dingolfinger Außenstelle TZ PULS? Röh: Eine Campushochschule wie die HAW Landshut kann nicht unbegrenzt am Campusstandort wachsen, sondern muss mitunter „Schritte zur Seite“ machen. Für das TZ PULS ergab sich das glückliche Momentum, dass alle Key-Player, also die Leitung der Hochschule Landshut, die Stadt Dingolfing, unsere Kooperationsunternehmen und wir vier hier am Standort tätigen Kollegen nicht nur ein gemeinsames Ziel hatten, sondern auch bereit waren und die Mittel verfügbar machten, gemeinsam in Dingolfing „anzupacken“. Als Folge wuchs die Hochschule in eine etwa 30 Kilometer Isar-abwärts gelegene, wirtschaftlich sehr starke Region hinein, deren Unternehmen und Menschen an unserem Tun Interesse zeigen. Für die Hochschule bedeutet dies ein fruchtbares Terrain für wissenschaftliche Aktivitäten durch eine hervorragende Infrastruktur und spannenden Themen der Unternehmen in ihrer Umgebung. Red.: Was hat die Region – also die Stadt Dingolfing und der Landkreis Dingolfing-Landau – von einem Technologiezentrum vor Ort? Aus meiner Sicht bieten wir mit unseren berufsbegleitenden Masterstudiengängen der Region eine respektable wissenschaftliche und anwendungsorientierte Qualifizierungsmöglichkeit quasi „vor der Haustür“. Weiterhin gewinnen auch Unternehmen vor Ort, die bereit sind, mit uns zusammenzuarbeiten, sodass wir vor allem fachlich und anwendungsorientiert etwas zurückgeben in die Region. Netzwerke entstehen, die wiederum die Stärke des Einzelnen positiv hebeln können. Letztlich sollten Stadt und Landkreis weiterhin Wege ausloten, damit sie vom TZ PULS profitieren – und so weiter wirksam mit uns in Austausch treten. Red.: Welche Entwicklungen in den letzten 5 Jahre am TZ PULS haben Sie überrascht? Wir haben 2013 erfolgreich ein EU-Forschungsprojekt zu ressourceneffizienter Produktion in der verarbeitenden Industrie abgeschlossen. Seinerzeit waren die Ergebnisse ohne große Resonanz geblieben, weil unter anderem die Rohstoffpreise sich mit dem Fracking von Schieferöl in den USA zunehmend erholt hatten und offensichtlich auf einmal wenig Handlungsbedarf bestand. Mit der Corona-Pandemie wuchsen jedoch schlagartig Versorgungsengpässe auf. Weiterhin sehen wir seit einigen Jahren eine ausgeprägtere Sensibilität für Klima- und Umweltthemen. Beides sind rückblickend Grundthemen, die uns jedoch auch die nächste Zeit weiter beschäftigen werden. Das heißt bekannte und auch schon adressierte Themen kommen wieder – und erzeugen aufs Neue Bedarf für ein „Momentum 2.0“, damit wir und unsere Partner weiter „am Puls der Zeit“ bleiben können. Red.: Welche Themen, die aktuell am TZ PULS bearbeitet werden, sind Ihnen besonders wichtig? Röh: Innerhalb des Themas Produktions- und Logistiksysteme vertrete ich den Schwerpunkt der Beschaffung und des Lieferantenmanagements. Aktuell steht Deutschland vor großen Herausforderungen, etwa hinsichtlich des CO2-Fußabdrucks und damit der Frage von Lieferketten, deren Geschäftsbedingungen sich absehbar ändern könnten, um nachhaltiger zu werden. Außerdem sehen sich Unternehmen aufgrund der Corona-Pandemie und bestimmten wirtschaftlichen Entwicklungen – Wiederaufschwung, Knappheiten, Transportschwierigkeiten – mit akuten Engpässen konfrontiert. Hier sehen wir ähnliche Fragestellungen aufwachsen, wie bereits nach der Finanzkrise vor etwa zehn Jahren. Materialkosten bleiben in verarbeitenden Unternehmen weiterhin der Hauptkostenblock und den gilt es wirksam durch gezielte Beschaffungsaktivitäten zu managen und zu senken. Der Wettbewerb erfordert weiterhin Produktivitätssteigerungen in der Industrie. Im Projekt PR|IN|CE arbeiten wir beispielsweise an wirksamen Innovationsprozessen für Produktions-, Logistik- und Beschaffungsfragen. Die nächsten Jahre wollen wir ein gemeinsam getragenes Vorgehensmodell entwickeln, wobei wir Unternehmen der Region einbinden. Ich erwarte mir davon, dass wir Antworten finden, um auch einzelnen der gerade genannten Herausforderungen effektiv begegnen zu können. Red.: Was wünschen Sie dem TZ PULS für die nächsten fünf Jahre? Mehr Ereignisse wie das oben genannte Momentum – alle Beteiligten sollten weiter an einem Strang ziehen. Ich wünsche mir weiterhin so viel Tatkraft aller Beteiligten, besonders durch die Förderer unseres Instituts. Diese Tatkraft steht und fällt bei uns mit einer nachhaltigen Finanzierung, die uns unabhängiger von aufwendig zu stellenden Forschungsanträgen macht. Die Ressource Wissen ist an Wissensträger gebunden und diese sollten dauerhafter an unser Technologiezentrum gebunden sein. Menschen benötigen dabei keine „Glücksfälle“ in Form erfolgreich beschiedener Forschungsanträge, sondern Planungshorizonte – und nur so können wir dann rasch belastbare Antworten auf akute Fragen wie beispielsweise „Dekarbonisierung der Lieferkette“ oder „Steigerung der Versorgungssicherheit“ geben.

Porträt von Prof. Röh