Der Mensch macht den Unterschied

Podiumsdiskussion bei den Türkei-Tagen an der Hochschule Landshut

Einblicke in das Leben von türkischstämmigen Deutschen erhielten etwa 120 Gäste an der Hochschule Landshut. Am Dienstagabend fand die Podiumsdiskussion „Leben in zwei Welten“ im Rahmen der Türkei-Tage statt. Moderator Michael Bragulla sprach mit den Teilnehmern aus Wirtschaft, Politik, Medien, sowie aus dem Wissenschafts- und dem Bildungsbereich über ihre positiven und negativen Erfahrungen in Deutschland und der Türkei.

Die Podiumsteilnehmer:

Prof. Dr. Erol Esen studierte in Bonn und lebte über 10 Jahre in Berlin. Er war unter anderem als Bildungsreferent im Bundesministerium für Arbeit und Soziales aktiv. Inzwischen leitet er das „Zentrum für Europäische Studien“ an der Akdeniz Universität in der Türkei, dass er 2013 auch gegründet hat. Er stellte Unterschiede zwischen der Deutschen und Türkischen Wissenschaft fest: „Wissenschaft macht keinen Unterschied zwischen den Welten – es sind die Menschen.“

Arif Tasdelen ist seit 2013 Abgeordneter der SPD im bayerischen Landtag. Er kam 1982 mit seiner Familie aus der Türkei nach Bayreuth. Nach einer Begrüßung der Gäste aus Antalya und Istanbul auf Türkisch, gab er Einblicke in sein Leben als Politiker mit ausländischen Wurzeln in Bayern. „Politik ist auch immer ein Spiegel der Gesellschaft. Daher ist es wichtig, dass es mehr Politiker mit Migrationshintergrund gibt.“

Ayhan Kiskanc lebt seit 1976 in Deutschland. Seit 2001 ist er Geschäftsführer der Eurocar Landshut GmbH, berufsbegleitend ist er zudem Doktorand an der Charles Stuart University (Australien). Er berichtete über Erfahrungen im Kontext Arbeitswelt und Wirtschaft, wie z. B. bei beruflichen Einstellungsverfahren: „Ich weiß, dass der Einstieg am schwersten ist. Hat man aber diese Hürde überwunden ist alles möglich.“

Die deutsche Fernsehjournalistin Özlem Sar?kaya wurde als Tochter türkischer Gastarbeiter in Deutschland geboren. Sie studierte in München Politikwissenschaft und ist Moderatorin beim Bayerischen Rundfunk. Sie ist zudem Referentin bei interkulturellen Veranstaltungen sowie interdisziplinären Workshops. Sie betonte mit Blick auf die Unterschiede in der Medienlandschaft beider Länder. „Ich bin froh in Deutschland Journalistin zu sein. Wir genießen hier viel mehr Freiheiten und Privilegien.“

Cansu Köroglu studiert nach erfolgreichem Haupt- und Fachoberschulabschluss seit 2013 an der Hochschule Landshut Internationale Betriebswirtschaftslehre. Sie würde gerne einmal ein Auslandsjahr in Antalya verbringen. „Ich möchte gerne erfahren, wie man in der Türkei lebt. Denn bisher kenne ich meine ‚Heimat‘ nur als Urlauberin.“

Moderator Michael Bragulla stellte jedem Podiumsteilnehmer spezifische Fragen zu ihren Themenbereichen. Allesamt stellten sie fest, dass ein „Leben in zwei Welten“ nicht wirklich existiere. „Es ist ein Vorteil, beide Kulturen in sich zu haben. Ich mag die türkische Lockerheit aber auch die deutschen Tugenden“, erklärte Kiskanc. Cansu Köroglu ergänzte: „Ich wache als Türkin auf und lebe hier als Deutsche“.

Wir sind eine Gesellschaft

Die Podiumsteilnehmer kamen zum Schluss, dass sich die Lage der türkischstämmigen Mitbürger in den letzten Jahren zwar verbessert habe, aber es dennoch weiterhin eines Abbaus der Vorurteile bedürfe. „Ich wünsche mir ein Abbild der Realität und der Wahrheit und keine Klischeebilder“, sagte Sar?kaya. „Die Menschen sollen sich in beiden Ländern nicht von den Massenmedien zu sehr beeinflussen lassen und stattdessen Medienberichte kritisch hinterfragen.“ „Mit unserem Migrationshintergrund sollten wir uns als ‚Brückenbauer‘ sehen“, riet Prof. Esen. „Wir sollten andere nicht zu anderen machen. Wir leben nicht in zwei Welten, sondern in einer Gesellschaft mit verschiedenen Einflüssen.“

Als eine von 15 deutschen Hochschulen richtet die Hochschule Landshut im Rahmen des Deutsch-Türkischen Jahres der Forschung, Bildung und Innovation 2014 die Türkei-Tage aus. Die dreitägige Veranstaltung an der Hochschule Landshut wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert und durch die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) koordiniert.