„Additive Fertigung zu studieren wäre mein Traum!“

Ab Oktober 2021 können alle Technikbegeisterten den neuen Bachelorstudiengang „Additive Fertigung - Werkstoffe, Entwicklung und Leichtbau“ an der Hochschule Landshut studieren. Als Bachelor-Studiengang findet man die Additive Fertigung, in der breiten Öffentlichkeit auch bekannt als 3D-Druck, neben der HAW Landshut nur noch an einer Universität in Deutschland. Wo liegen die Einsatzgebiete für Ingenieure, die sich auf diese zukunftsträchtige Technologie spezialisiert haben? Diese und viele anderen Frage stellten wir unserem ehemaligen Studenten Sebastian Schmid.

Sebastian arbeitet seit fast zwei Jahren als Entwicklungsingenieur in der Trovus Tech GmbH, einem jungen Unternehmen aus Roding im Bayerischen Wald. Er ist im Unternehmen zuständig für die Produktion, steht in engem Kontakt mit den Kunden, und ist mit den neuesten Entwicklungstrends der Technologie bestens vertraut.  

Ein kurzer Exkurs in die Geschichte: Sebastian Schmid studierte zwischen 2013 und 2018 Maschinenbau und entdeckte für sich ziemlich schnell das Thema 3D-Druck. Schon in seiner Bachelorarbeit widmete er sich diesem Thema, bei der es galt den Korpus einer E-Gitarre design- und belastungsgerecht für die additive Fertigung, unter Einbeziehung des Hochschullogos, zu entwickeln und herzustellen. Auch im Masterstudiengang „Leichtbau und Simulation“ konnte er seinem Lieblingsthema Additive Fertigung nachgehen und abschließend seine Masterarbeit im Technologie- und Leichtbauzentrum bei BMW in Landshut im Bereich Qualitätsabsicherung von additive und konventionell hergestellten Bauteilen aus Metall schreiben. „Als ich noch in meinem Studium nach einer Praktikumsstelle im Bereich 3D-Druck gesucht habe, musste ich mich noch sehr anstrengen, um etwas Passendes zu finden. Im Moment wird man von den Firmen in diesem Bereich mit spannendsten Themen überschüttet“, sagt Sebastian. Bereits im Studium erkannte er das Potenzial dieser Technologie und hat seine Wahl bis heute nicht bereut. Viele Automobilhersteller wie BMW, Audi und VW sowie deren Zulieferer, nehmen das Thema bereits sehr ernst und investieren in den Ausbau dieser Arbeitsbereiche. Die Trovus Tech GmbH ist ein mittelständisches Unternehmen. Die Spezialisierung der Firma liegt in maßgeschneiderten Anfertigungen von Bauteilen höchster Qualität aus Metall. Zugunsten kommt dem Unternehmen, dass in der Region um die Stadt Roding viele mittelständische traditionell fertigende Unternehmen sowie auch Metallbau-Betriebe angesiedelt sind. Hier hat die Firma ihre Nische gefunden und sich darüber hinaus auf die Herstellung von additiv gefertigten Aluminiumteilen spezialisiert, wo Sebastian große Chancen und Anwendungsbereiche sieht.

Auf die erste Frage nach der kühnen Vision, dass in Zukunft fast jeder in seinem Keller einen oder mehrere 3D-Drucker hat und nur noch Daten auf dem Markt erwerben wird, reagiert Sebastian eher skeptisch. „Es sind aktuell eher Bastler und Tüftler, die den Drucker als eine „verlängerte Hand“ und Unterstützer in der Werkstatt verwenden. Da braucht man Kenntnisse in CAD, um bestimmte Anwendungen an persönliche Bedürfnisse anzupassen und Produkten durch zusätzliche Details individuelle Charaktereigenschaften zu verleihen“. Die 3D-Drucker, die Kunststoffe verarbeiten, sind tatsächlich bereits für viele Privatkunden bezahlbar. Die Metalldrucker kosten jedoch mehrere hunderttausende Euro, was die Nutzung in einem durchschnittlichen Haushalt natürlich unmöglich macht.

Noch zu Beginn seiner beruflichen Karriere begegnete Sebastian unter seinen Kunden vielen Ingenieuren, die wenig Vorstellung von der 3D-Druck-Technologie und deren Einsatzmöglichkeiten und Vorteile hatten. Mittlerweile wird das Verfahren immer bekannter und kommt in verschiedensten Produktionsprozessen zum Einsatz. Um den diversen Anforderungen und Einsatzgebieten gerecht zu werden, ist Fachwissen gefragt und der Bedarf an Spezialisten auf diesem Fachgebiet steigt beständig an.

Genau dieses Fachwissen erhalten die Studierenden unseres neuen Studienganges „Additive Fertigung – Werkstoffe, Entwicklung und Leichtbau“: Im Grundstudium wird Ihnen zunächst das erforderliche maschinenbautechnische Basiswissen vermittelt und in den beiden zur Wahl stehenden Profilierungsrichtungen können sie sich zwischen der Vertiefung in Richtung Bauteilentwicklung oder Produkt- und Qualitätsmanagement entscheiden. In beiden Profilierungsrichtungen lernen sie darüber hinaus diverse Verfahren und Materialien kennen und werden dazu befähigt, fundierte Entscheidungen bezüglich der Herstellung eines Produktes zu treffen. Denn die 3D-Druck-Technologie ist nicht in allen Bereichen mit gleichem Erfolg anwendbar. In der nahen Zukunft sieht Sebastian den 3D-Drucker jedoch als unabdingbaren und ergänzenden Bestandteil bei jeder modernen Produktion und in jeder Werkstatt, wobei neben den CNC-Fräsmaschinen, der Drehbank und anderen konventionellen Geräten auch der 3D-Drucker seinen festen Platz hat. 

Die 3D-Druck-Technologie hat an ihre Kapazitäts- und Komplexitätspotentiale noch lange nicht ausgeschöpft. Auch zeigen bereits jetzt schon die Möglichkeiten, wie die z. B. Herstellung von bionischen Strukturen, klare Vorteile dieser Technologie im Vergleich zu konventionellen Fertigungsverfahren. „Im Vergleich zu den traditionellen Technologien ist die Komplexität der Bauteile im 3D-Druck nicht zwingend ein Kostenfaktor“, sagt Sebastian. Auch wenn die Geschwindigkeit der Herstellung im 3D-Druck stetig steige, werde es auch in Zukunft schwierig sein, mit den Produkten aus der Massenproduktion zu konkurrieren. Das sei aber auch nicht das Ziel, so Sebastian. „Die Stärke liegt in der Herstellung von Teilen mit eher geringen Stückzahlen, die sich aber besser „performen“ und individualisieren lassen. In der Industrie sind es z. B. die Herstellung von Prototypen, in der Medizintechnik diverse Prothesen usw.. Zwar geht es hier auch darum, die Stückkosten durch Automatisierung und den Einsatz von Robotern zu senken, dennoch bleiben immer noch große Kostenunterschiede bei einer Stückzahl ab Tausend.“

Die Fakultät Maschinenbau führt ab dem Wintersemester 2020/21 noch einen neuen Studiengang ein, nämlich Bauingenieurwesen. Auch in diesem Bereich hält Sebastian Schmid die Anwendung der 3D-Druck-Technologie für sehr aussichtsreich. Beispielsweise beim Betondrucker ist die große Herausforderung seiner Meinung nach, ein perfektes Betongemisch zu finden, um die Betonbindung zu einem bestimmten Zeitpunkt erzeugen zu können und dadurch die Platzierung der nächsten Schicht des Materials zu ermöglichen.

Die Einführung des neuen Studienganges „Additive Fertigung“ stößt aber bei Sebastian auf eine besondere Begeisterung: „Ich finde es super. Ich würde sofort hier zu studieren anfangen. Das wäre in meinem Studium ein Traum gewesen!“. Der Studiengang hat laut Prof. Dr.-Ing. Norbert Babel (Studiengangleiter) zwei Profilierungsrichtungen: Leichtbau mit Fokus auf der technischen Seite und Produktions- und Qualitätsmanagement, welches auch wirtschaftliche Aspekte der Produktion, insbesondere im 3D-Druck, umfasst. Es sind diverse Kooperation in der Entstehungsphase, wie z. B. mit der BMW AG und EOS, um den Studierenden von Beginn an praktische Kompetenzen zu vermitteln sowie Praktikumsstellen und Abschlussarbeiten in den höheren Semestern in der Industrie anbieten zu können, um letztendlich den reibungslosen Berufseinstieg zu ermöglichen. Wenn man aber vom Knowhow des neuen Studienganges spricht, ergänzt Herr Prof. Dr.-Ing. Babel, wollen wir den Studierenden ein solides Wissen über Materialien und Konstruktion vermitteln, das sogenannte „Additive Thinking“, das im Bereich 3D-Druck eine signifikante Rolle spielt.

Auch wenn Sebastian keine Kristiallkugel besitzt, sieht er eine vielversprechende Zukunft für Additive Fertigung. Die Vorteile der Technologie landen hier in Deutschland auf fruchtbarem Boden. Die hohen Ansprüche, die in Deutschland an die Qualität der Produkte gestellt werden, können von hochqualifizierten Ingenieuren nicht zuletzt durch weitere Zertifizierungen der 3D-Druck-Verfahren realisiert werden. Den Studierenden, die ab Oktober 2021 mit dem Studiengang "Additive Ferigung" starten, wünscht Sebastian viel Freude bei der Erschließung der neuen Möglichkeiten einer zukunftsträchtigen Technologie.

Bildquelle: Trovus Tech GmbH