Wo kann KI in der Automobilindustrie andocken?

Mit dieser Frage beschäftigten sich Experten aus Wissenschaft und Praxis bei der dritten Veranstaltung der Reihe „Wissen für alle: KI“ an der Hochschule Landshut

„Full House“ hieß es am 05. November wieder, als die Hochschule Landshut zum Vortrag „Die Rolle von künstlicher Intelligenz in der Automobilindustrie“ einlud. Bis auf den letzten Platz besetzt war der Hörsaal, in dem Prof. Dr. Carsten Röh (Hochschule Landshut), Daniel Haider (BMW) und Hermann Eiblmeier (PROTOS-3D Metrology) über Grundlagen, Status Quo und zukünftige Perspektiven von KI sprachen.

Schwache und starke KI

„Man kann sich dem Thema KI heutzutage nicht mehr entziehen“, stellte Röh zu Beginn seines Vortrags fest. Fraglich sei nur, was denn wirkliche KI sei. Zentrale Elemente einer künstlichen Intelligenz sind laut Röh das Erkennen von Situationen trotz mehrdeutiger Infos, das Erkennen von Ähnlichkeiten und Mustern, flexible Priorisierungen und Entscheidungen sowie die Fähigkeit, aus Erfahrungen zu lernen. Wichtig ist dabei, den Begriff KI von anderen Nachbarbegriffen wie Digitalisierung und Industrie 4.0 abzugrenzen und zwischen schwacher und starker KI zu unterscheiden. Während die schwache KI nur innerhalb definierter Domänen selbstlernend ist und konkrete Anwendungsprobleme lösen kann (z.B. Schachspielen), bedeute starke KI, dass sie auf Augenhöhe mit dem Menschen ist. „Dies ist nach wie vor eine große Vision“, so der Professor der Fakultät Elektrotechnik und Wirtschaftsingenieurwesen, „und nur einzelne Pioniere sind auf dem Gebiet bisher unterwegs.“ Haider bekräftigte: „Viele Produkte werden zwar oft als KI bezeichnet. Allerdings können solche Systeme nur das, was ein Mensch vorher programmiert hat.“ Wirklich selbstlernend im Sinne einer starken KI seien diese Produkte also nicht.

KI als technischer Enabler

Röh betonte, dass KI kein abgeschlossenes Forschungsgebiet ist und ein Querschnittsthema der Disziplinen Informatik, Ingenieurwissenschaft und Betriebswirtschaftslehre darstellt. Es gäbe eine Wechselwirkung zwischen KI als „technischem Enabler“ und einem Bedarf an Lösungen in der Praxis. Hier übergab der Professor das Wort an Hermann Eiblmeier von PROTOS-3D, einem neu gegründeten Dienstleistungsunternehmen für optische Messtechnik. Als Beispiel für Lösungen in der Praxis erklärte er das Funktionsprinzip der Triple-Scan-Technologie. Sie wird eingesetzt, um Oberflächen dreidimensional digital zu erfassen. PROTOS-3D nutzt diese Technik u.a., um zu prüfen ob Autokarosserien an den Blechstößen, also an den Nähten, wo die Bleichteile zusammengesetzt sind, gut abgedichtet sind. Dazu wird die Karosserie vor und nach dem Abdichtungsvorgang digital erfasst und dann verglichen, um zu erkennen, ob Nacharbeiten erforderlich sind.

Praxisbeispiel von BMW

Während bei der Erfassung noch keine KI zum Einsatz kommt, geht BMW einen Schritt weiter und testet derzeit das Korrigieren in Echtzeit mittels künstlicher Intelligenz. Daniel Haider gab Einblicke, wie ein intelligenter Sensor bei BMW die Nahtqualität auswertet und automatisch Fehler meldet. Dazu wird ein Algorithmus anhand eines Fehlerkatalogs von Menschen trainiert. „Uns geht es darum, dass die Maschine den Menschen nicht ersetzen, sondern lediglich unterstützen soll“, betonte Haider. Zu den Vorteilen dieser Technologie zählen u.a. die Reduzierung von Materialkosten, weniger Nacharbeit und eine höhere Prozessqualität. Nachteilig wirken sich dagegen die hohen Investitionskostens aus sowie die Tatsache, dass Zeit investiert werden müsse, um den Algorithmus zu trainieren. 

Maschinelles Lernen als wirksame Methode

Zusammenfassend erläuterte Röh, dass der Begriff KI zwar mittlerweile in aller Munde und im unternehmerischen Kontext fast obligatorisch ist, zur Realisierung aber noch abgrenzbare Domänen notwendig sind, was eine Anwendung in der Produktentstehung einschränke. „Bei genauerer Betrachtung ist KI bzw. Maschinelles Lernen eine wirksame Methode, um ingenieurwissenschaftliche und betriebswirtschaftliche Problemstellungen – insbesondere in der Automobilindustrie – zu optimieren“, so der Professor, allerdings ist es in diesem Kontext zweckmäßig, von schwacher KI zu sprechen.“

Der nächste Vortrag der KI-Wissensreihe zum Thema „Ethik im Rahmen von künstlicher Intelligent“ findet am Dienstag, 12. November, um 18.30 Uhr an der vhs Landshut statt.

Foto: Hochschule Landshut

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