Mit Plattformen Chancen der Digitalisierung nutzen

Veranstaltung an der Hochschule Landshut bot Einstieg in Industrial Internet of Things (IIoT)

Bis 2020 werden weltweit 20,4 Milliarden Dinge über das „Internet of Things“ verknüpft sein – so prognostizieren es die Analysten von Gartner. Auch in der Industrie nimmt die Vernetzung stetig zu. Aggregiert und verwertet werden die anfallenden Daten häufig auf Software- bzw. IoT-Plattformen. Welche neuen Möglichkeiten solche Plattformen bieten, worauf man bzgl. Datensicherheit und rechtlicher Fragen achten sollte und wie neue Geschäftsmodelle aussehen können, wurde auf der Veranstaltung „Plattformen: Ein Einstieg in Industrial IoT“ am 28. Juni 2018 an der Hochschule Landshut diskutiert. Der Einladung von ZD.B, VDMA Bayern und Hochschule Landshut folgten ca. 60 Industrie-Vertreter, die am Ende der Veranstaltung noch die Möglichkeit hatten das an der Hochschule eingerichtete und über das ZD.B geförderte IoT-Innovationslabor zu besichtigen.

Eingeleitet in das Thema hat Jan Rodig, CEO von tresmo, mit einer Übersicht über bestehende Plattformen. Führende deutsche Anbieter seien SAP (Leonardo), Siemens (Mindsphere), Software AG (Cumulocity), Trumpf (Axoom), Device Inisght (Centersight), Bosch (IoT Suite) sowie das von einem Industriekonsortium gegründete Adamos. Um aus der global verfügbaren Anzahl von 500+ Plattformen mit sehr verschiedenen Merkmalen die jeweils passende auszuwählen, helfe indes nur ein systematischer Auswahlprozess auf Basis einer Analyse der funktionalen / nicht funktionalen Anforderungen.

Im anschließenden Vortrag hob Prof. Abdelmajid Khelil, Professor für Informatik und Leiter des IoT-Innovationslabors der Hochschule Landshut, die Relevanz von Interoperabilität für den Erfolg des Internets der Dinge hervor. Sein eingängiges Beispiel: Wollen wir in unserem zukünftigen Smart Home nicht für jedes einzelne „Ding“ eine eigene App verwenden müssen, benötigen wir IoT-Lösungen, die Interoperabilität zwischen verschiedenen Anwendungen, Anbietern und Plattformen ermöglichen.

Dr. Thomas Thalhofer, Rechtsanwalt und Partner bei Noerr, leitete mit seinem Vortrag über rechtliche Rahmenbedingungen die zweite Session ein. Da es noch keine etablierten Standards und Gesetze zur Regelung der relevanten Fragen in der Datenwirtschaft gäbe, rät er dringend zu vertraglichen Regelungen, insbesondere bezüglich des Eigentums von Daten, Zugriffsrechten auf Daten sowie entsprechender Lizenzrechte.

Eine industrielle Anwendung, die mit besonderem Augenmerk auf Datensicherheit konzipiert wurde, ist „eltimon“ von Mimatic Tool Systems, die von Martina Dorn vorgestellt wurde. Die Plattform zur Werkzeugüberwachung läuft beispielsweise ausschließlich auf Servern in Deutschland, die Nutzung ist nur registrierten Usern innerhalb eines geschlossenen Anwenderkreises möglich.

Implementierung vom proof of concept bis zum laufenden Betrieb

Session drei stand ganz im Zeichen der Implementierung. Thomas Stammeier, CTO bei Device Insight, hat anhand einer Pyramide veranschaulicht, welche verschiedenen Stufen auf dem Weg zu einer voll-optimierten Fertigung durchlaufen werden. Während in einem ersten Schritt bereits große Potentiale durch größere Transparenz gehoben werden können, folgen auf Stufe zwei automatisierte Alarmierungs- und Benachrichtigungs-Lösungen. Stufe drei hilft mit fortgeschrittenen, statistischen Methoden Anomalien und Optimierungspotential zu erkennen während Stufe vier durch maschinelles Lernen auch Prognosen von z.B. Wartungsbedarf oder Qualität ermöglichen.

Ein Beispiel aus der Praxis brachte dazu Dr. Simon Clausen von Zeiss Digital Innovation Partners ein. Die Digitaleinheit von Zeiss hat mit „Capta Astra“ eine Plattform für die eigene Mikroskopie-Sparte entwickelt, die es Wissenschaftlern erlaubt, automatisierte Workflows zur Analyse der aufgenommenen Bilder zu erstellen. Die dazu verwendeten Module können von Nutzern auf der Plattform programmiert werden und entweder ausschließlich privat genutzt oder mit der Community geteilt werden. Maßgeblicher Erfolgsfaktor: Konsequent kunden-/nutzerzentrierte Vorgehen.

Best Practice aus dem Mittelstand

In der vierten Session wurden zwei Best-Practice Beispiele aus dem Mittelstand vorgestellt. Markus Frank hat als Fertigungsleiter bei den Grob-Werken einst konsequent auf digitale Lösungen zur Fehlerbehebung und Optimierung gesetzt und vertreibt die so entstandenen Systeme mittlerweile als Produktmanager unter dem Namen Grob-Net4Industry. Seine Empfehlungen: Iteratives Vorgehen, kleine Schritte, schnelle Erfolge; Freiräume geben und Experimente zulassen; erst das Geschäftsmodell definieren und dann die entsprechende Technik entwickeln.

Konstantin Kernschmidt stellte anschließend das Industry Business Network 4.0 vor, eine Initiative von mittelständischen Unternehmen mit dem Ziel Standards zu etablieren sowie gemeinsame Industrie 4.0-Lösungen zu schaffen. Zum Abschluss präsentierte Dr. Moritz Weltgen den Ansatz von etventure zum Entwickeln und Etablieren von IoT-Geschäftsmodellen. Eine zentrale Botschaft von ihm: Unternehmen müssen sich ihrer Rolle in der Plattform-Ökonomie bewusst werden – und es gibt mehr Rollen als die des Plattform-Anbieters. Ebenso attraktiv können zum Beispiel die Rollen von Daten-Anbieter, Dienste-Anbieter oder Plattform-Enabler sein.

Text: Zentrum Digitalisierung Bayern