Wo sind nur die Frauen hin?

Auftakt der Veranstaltungsreihe „ortswechsel“ der Hochschule Landshut

Vor fast 100 Jahren wurde das Wahlrecht für Frauen in Deutschland eingeführt. Heute stagniert der Anteil von Frauen in kommunalen Parlamenten bei 25 Prozent. In kleinen Kommunen gibt es immer noch „frauenfreie“ Räte. In der Stadt und dem Landkreis Landshut wird es zunehmend schwerer, Frauen für die Kommunalpolitik zu gewinnen. Über mögliche Hintergründe und Ursachen widmete sich die Auftaktveranstaltung der diesjährigen „ortswechsel“-Reihe der Hochschule Landshut am Mittwochabend im Salzstadel. Experten und Expertinnen aus Wissenschaft, Praxis und Politik diskutierten auf dem Podium.

Dr. Helga Lukoschat, geschäftsführende Vorsitzende der Europäischen Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft in Berlin, lieferte zu Beginn die wesentlichen Daten zur Beteiligung und zu den Erfahrungen von Kommunalpolitikerinnen. Im Auftrag des Bundesfrauenministeriums hat sie 2013 eine Untersuchung dazu durchgeführt. Demnach unterbietet Bayern sogar noch die geringen Quoten von Frauen der Kommunalpolitik: 29 Prozent Frauen sind im Landesparlament, der Anteil der Landrätinnen liegt bei sechs Prozent und Bürgermeisterinnen gibt es nur in acht Prozent der Kommunen. Die Wissenschaftlerin nannte drei Gründe: die Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Politik – denn die Familie stehe im Falle von Frauen nicht hinter ihnen, sondern säße ihnen „im Nacken“. Zweitens macht sie politische Strukturen, wie parteiinterne Männerstrukturen verantwortlich. Und schließlich mangele es Frauen an Selbstbewusstsein und es werden erhöhte Erwartungen an sie gestellt.

Auch der Bayerische Gemeindetag sieht Handlungsbedarf. Direktorin Dr. Juliane Thimet berichtete von den aktuellen Bemühungen, auf das Thema der Unterrepräsentanz von Frauen in Stadträten und auf Leitungsstellen aufmerksam zu machen. Dabei konnte sie auch aus ihrer eigenen Berufsbiografie eindrückliche Erlebnisse schildern, wie Frauen am Aufstieg gehindert werden und sich selbst zurück halten. Zugleich hob sie jedoch den Landkreis Landshut hervor, der bayernweit den höchsten Anteil an Bürgermeisterinnen aufweist.

Für die „Initiative Parité“ haben sich Bayerns Frauenverbände zusammengeschlossen. Dr. Elfriede Schießleder, Vorsitzende des Katholischen Frauenbundes Bayern, berichtete über das Vorhaben, dass künftig alle Parteien ihre Wahllisten je zur Hälfte mit Frauen und Männern bestücken. Am 1. Dezember wird die Initiative eine Popularklage beim Bayerischen Verfassungsgerichtshof einreichen. Dabei soll überprüft werden, ob die bayerischen Wahlgesetze gegen den Gleichstellungsparagraphen im Grundgesetz verstoßen. Da es diese Klagemöglichkeit nur in Bayern gibt, könnte von hier aus eine Signalwirkung ausgehen.

Auf langjährige Erfahrung mit Frauen und Männern in der Kommunalpolitik blickt der stellvertretende Landrat und langjährige Bürgermeister von Essenbach Fritz Wittmann zurück. Er berichtete sowohl von Frauen, die sich selbst kein Amt zutrauen wollten, als auch von Kandidatinnen, deren Ehemänner eine weitere Politikkarriere behindert haben. Zugleich machte er darauf aufmerksam, dass es nicht nur schwer sei, Frauen für die Kommunalpolitik zu gewinnen, sondern durch die zunehmende Politikerschelte in der Bevölkerung sich auch immer weniger Männer fänden, die politische Verantwortung übernehmen wollen.

Dass noch viel getan werden musste, zeigte auch die Diskussion mit dem Publikum. Vor allem die anwesenden Stadt- und Kreisrätinnen, Bürgermeisterinnen und Parteifrauen konnten mit eigenen Beispielen belegen, welche Hürden Frauen zu nehmen haben. Eine Quotierung der Wahllisten sahen daher viele als ultima ratio, auch wenn sie dieses Instrument viele Jahre nicht unterstützt hätten. Der Bayerische Gemeindetag würde das Thema auf der Agenda halten, versprach Direktorin Dr. Thimet.

Veranstaltet wird die Reihe „ortswechsel“ von der Hochschulfrauenbeauftragten der Hochschule Landshut Prof. Dr. Bettina Kühbeck, gemeinsam mit Prof. Dr. Barbara Thiessen von der Fakultät Soziale Arbeit sowie der Gleichstellungsbeauftragten der Stadt Landshut Margarete Paintner und der Gleichstellungsbeauftragten des Landkreises Landshut Karin Boerboom.